Mittwoch, 12. Januar 2022

Ein irrer Kult

 

 

 

Seit ich mich mit der jungianischen Typologie beschäftige, stelle ich fest, dass es im Internet einen Kult um den INTJ-Typ gibt, den die meisten Jünger natürlich nur aus oberflächlichen MBTI-Darstellungen kennen, ohne jungianisch in die Tiefe zu gehen. Es gibt nun eine Besonderheit, die viele unbewusst im Sinn haben, im Bewusstseins-Oberstübchen aber nur als den Wunsch, unabhängig zu sein, kennen.

Die Soziabilität wird durch drei Faktoren bestimmt:

1. Extraversion (nach-außen-Sein)

2. Anschlussmotivation (affiliative types)

3. Wertende (nicht beobachtende) Hauptfunktion

Man nehme nun den CS Joseph type grid zur Hilfe und rechne nach. Nach meiner bescheidenen Mathematik sind die soziabelsten Typen ESTJ, ESFJ und ENFJ (alle 3 Punkte treffen zu). Punkte 1 und 2 treffen zu bei ENFP, Punkte 2 und 3 bei INFP, Punkte 1 und 3 bei ENTJ. Jeweils nur ein Punkt trifft zu bei ENTP, ESTP und ESFP (1), INFJ, ISTJ und ISFJ (2) sowie INTP, ISTP und ISFP (3). Welcher Typ ist weder extravertiert noch affiliativ noch mit Denken oder Fühlen als Hauptfunktion? INTJ.

Eigentlich will also keiner mit den anderen etwas zu tun haben. Menschen streben nach emotionaler, geistiger und sozialer Unabhängigkeit von Mitmenschen. Jeder ist im Herzen ein Eremit.

Dienstag, 11. Januar 2022

Lesen: Konsum oder Produktion?

 

 

 

Die meisten Menschen lesen konsumierend. Das sieht man schon daran, dass sie Belletristik lesen. An zweiter Stelle kommt Ratgeber-Literatur, und weit abgeschlagen danach das, was ich lese, wobei es meistens nicht freiwillig, sondern als Schul- und Studienaufgabe gelesen wird.

Ich lese produktiv. Für mich ist Lesen geistige Rohstoffbeschaffung. Ich lese, um Gelesenes zu höherwertigem geistigem Produkt zu verarbeiten.

Esther Vilar sieht die sexuelle Geschlechterbeziehung als spielerischen Kampf. Das ist lunar, dionysisch, und mir fremd. Sex ist für mich ausschließlich als Konsumprodukt begreifbar. Eine sehr attraktive junge Frau mit dem Gütesiegel Mieze, die keinen sexuellen Inhibitor in Form von Liebe in mir auslöst, käme als Sexualkonfekt in Frage; liebte sie mich, so könnte ich mich nur für die Bereitstellung sexuellen Konsumprodukts bedanken, aber sie nicht zurücklieben. Zu Sexualobjekten habe ich keine Beziehung, zu Pralinen ja auch nicht.

Liebe ist für mich nur im verträumten Modus möglich (doppelt introvertiert, weshalb mein Lieblingscharaktertyp INFP, Träumer, ist). Verträumte Beziehungen zweier Träumender sind möglich; das Mädchen sollte nicht bloß im Traummodus sein, sondern durch und durch verträumt, in Träumen lebend: ein Träumer.

Spiel ist für mich sinnlich und kompetitiv. Ich mag keine Rollenspiele, keine sozialen Spiele. Es geht um das physische Besiegen des Gegners, ob im Individual- oder Mannschaftssport, ob im Rededuell oder im Krieg. Schach ist langweilig. Es findet im Modus der Produktion, nicht des Kampfes statt, und das ist Verschwendung.

Der König der Wahrheit

 

 

 

Ich hielt mich sofort für die Kombination Magier/Krieger, als ich Jungs Archetypen kennenlernte. Das war, was ich sein wollte, und, nicht aber, das Gegenteil davon, was ich bin: König/Liebhaber. Und wieder gehe ich mit einem Informationsvorsprung in eine transzendentale Deduktion, um Einwände aus lebensweltlicher Realität als götterunwürdiges Menschengerede abzuweisen.

Das Was ist ein Wie, kein Warum. Es geht um den funktionalen Zusammenhang, nicht um Intentionalität, denn ich will, und ich weiß es, unterstützt mit dem Privileg des Wissensvorsprungs der Ersten Person, kein Arschloch sein. Doch ich bin ein arrogantes selbstgefälliges Arschloch. Das kann ich nicht ändern, allenfalls in die Extraversion gehend abmildern.


Hier ist der Schlüssel:

Schlaf - Magier

Blast (Produktion und Wiedergabe) - König

Konsum - Liebhaber

Spiel - Krieger


Zwei introvertierte kognitive Funktionen ergeben den Schlaf. Bei mir Ni + Fi; im Ni-Fi-Loop bin ich verträumt, träume viel, verbrachte früher viel Zeit beim Tagträumen. Aber nur aufgrund eines permanenten Erschöpfungszustands. Leider bin ich kein Tagträumer. Das Glück des Tagträumens im Unglück des Energiemangels ist mir nicht mehr vergönnt.

Eine beobachtende introvertierte und eine wertende extravertierte Funktion lassen dich produzieren und liefern. Jesus und Hitler produzierten, angetrieben durch Willenskraft, kognitive Empathie; Jesus ging auf das Gute, Hitler auf das Schlechte in den Menschen ein. Beide förderten die jeweiligen Anlagen ihrer Mitmenschen emotional. Ich produziere ebenfalls durch Willenskraft, aber kein Bruttoemotional-, sondern ein Bruttorationalprodukt. Ni + Te ergibt die Hegemonie Hegels, Marxens, Lenins und meiner Bescheidenen. Ich bin ein König*.

Ein König produziert mehr als er konsumiert. Der Liebhaber, der konsumiert, ist vom König in meinem Fall eingesperrt. Er hat die Freiheit zum Intervallfasten. Er darf ab und zu gucken, morphen, photoshoppen, aber wenn es ums Naschen geht, nur Whisky und Schokolade. Alles in lächerlichen Mengen verglichen mit der Produktion. Der König erzielt große Überschüsse. Anders nicht möglich: introvertiertes Fühlen und extravertierte Sinnlichkeit sind bei mir dritte und vierte Funktion. Zu viel Freiheit, und ich werde ein genusssüchtiger Tyrann: der Liebhaber beginnt mit Blümchensex und endet wie Pinhead aus "Hellraiser". Fi zieht durch Se maßlos alles Genießbare, und zwar der höchsten Qualität, an sich.

Trotz harten Lebens(kampfes) bin ich kein Krieger. Der Krieger nutzt seine beiden extravertierten Funktionen. Te + Se, Denken und Sinnlichkeit, Planen und Siegen. Hannibal und Subotai waren INTJs im Krieger-Modus.

Und ich Arschloch bin ein einsamer König. Absolute solitäre Deutungshoheit über jede Art von Information. Meine Interaktion mit der Außenwelt ist Informationskontrolle. Ich bin Big Brother, Darth Sidious. Und (fast) alle wollen sein wie ich, was schade ist: natürlich ist, sein zu wollen, was du beneidest; krankhaft ist, sein zu wollen, was du fürchtest. Doch sie wollen Recht haben, anstatt glücklich zu sein**, und ich sage aus Erfahrung: für mich ist Normalität, tatsächlich Recht zu haben und rechthaberisch aufzutreten, doch selbst das Rechthaben berechtigt nicht zu Rechthaberei, denn nur durch Irrtum entsteht neue Information.

 

*Alexander Dugin: "Philopsophen regieren die Welt".

**Rollo Tomassi: "Do you want to be happy or do you want to be right?" Die rhetorische Antwort lautet: es ist besser, Recht zu haben, als glücklich zu sein, und sich zu irren.