Montag, 29. Mai 2017

Die Reinheit des Schönen





Das Schöne ist das ästhetisch Gute, das Hässliche ist das ästhetisch Schlechte, das Ekelhafte ist das ästhetisch Böse. Somit ist das Ekelhafte das was nicht sein soll. Die Moralität des individuellen Bewusstseins steht wertehierarchisch über dessen Ästhetik, und somit hat der Einzelne kein moralisches Recht, das Ekelhafte zu vernichten, wenn dies die Selbstzweckformel des kategorischen Imperativs verletzen würde, - dies ist der Fall, wenn Wesen, denen das Ekelhafte anhaftet, Personen sind. Der Einzelne hat aber auch keine moralische Pflicht, sich dem Ekel auszusetzen, und es steht ihm daher frei, seine Existenz in einer Welt des Ekels zu beenden. Der Freitod aus Ekel ist edel, der Massenmord aus Ekel ist unmoralisch.

Die Moralität steht allgemein ontologisch unter der Ästhetik, da das Schöne der absolute Selbstzweck überhaupt ist. Die Moralität (das Gute) ist allgemein ontologisch das Mittel zur Bewahrung der Reinheit des Schönen, die Wahrhaftigkeit im Erkenntnisstreben (das Wahre) ist das Mittel zur Prüfung der Moralität. Es gilt das folgende Gleichnis: das Schöne ist der königliche Fahrgast, die moralische Persönlichkeit ist der Fahrer, das Gute ist der Wagen, das Wahre ist die Gesamtheit der Mittel, die das Funktionieren des Fahrzeugs gewährleisten; moralischer Skeptizismus ist die Unfähigkeit zu fahren, erkenntnistheoretischer Skeptizismus ist wie ein kaputtes Fahrzeug.

Das Schöne ist, was schlechthin sein soll. Wenn der Ekel dadurch überwunden ist, dass man sich nicht ekelt, bleibt das Ekelhafte ekelhaft, und somit das ästhetisch Böse. Wer sich nicht ekelt, bejaht etwas, was nicht sein soll, und nimmt dadurch den bösen Willen an. Die Person, die sich nicht ekeln kann, ist auch für das Schöne blind.

Das Schöne ist in einer Seele voll entfaltet, wenn die Fähigkeit, sich zu ekeln, vollkommen entwickelt ist, denn die Sensibilität für den Ekel und für das Schöne ist dasselbe; das Schöne ist in einer Welt voll entfaltet, wenn in ihr nichts Ekelhaftes existiert, und somit das Schöne von allen Erscheinungen gespiegelt und von keiner negiert wird.