Montag, 9. November 2020

SSH: TWD S2E6

 



Shane und Dale

 

S2E6: Dale, der alte Mann, ist eifersüchtig, weil Shane etwas mit Andrea, die vom Alter Dales Tochter sein könnte, hatte. Er erinnert Shane daran, dass dieser schon lange die Gruppe auf Hershels Farm verlassen wollte. Shane rettete Ricks Sohn Carl das Leben (und ermordete dafür einen Menschen), hilft dabei, ein Kind zu suchen, das höchstwahrscheinlich schon tot ist und bildet die Gruppe im Schießen aus. Und was hat Dale in all der Zeit für die Anderen getan?

Der Alpha/Sigma Shane ist vom Rang dem Anführer Rick gleichwertig, charakterlich stärker. Er hatte Sex mit den beiden High Quality Women der Gruppe, der ladyliken Lori und der amazonenhaft-einzelgängerischen Andrea. Dale ist neidisch auf Shane und hat für einen Gamma typische Ressentiments gegenüber Alphas und Sigmas. Er unterstellt Shane, ein schlechter Mensch zu sein und Rick töten zu wollen.

Die Unterstellung, ein schlechter Mensch zu sein, resultiert aus den Ressentiments, die Gammas gegen Alphas und Sigmas haben. Diese sind stärker, männlicher, wertvoller für andere als die Gammas, welche feige, unsicher und erfolglos bei Frauen sind. Dale ist ein charakterlicher Gamma, während der Anfangzwanzigling Glen lediglich ein situativer Gamma ist: die Farmerstochter Maggie hat Respekt vor seinen männlichen Charaktereigenschaften und Sex mit ihm. Sie signalisiert, dass sie ihn für einen zukünftigen Alpha hält.

Die Unterstellung, etwas Schlechtes tun zu wollen, ist ebenfalls eine typische Unterstellung eines charakterlichen Gamma gegenüber höherrangigen Männern. Gammas sind männerfeindlich und halten starke Männer für schlechte Menschen, selbstverständlich auch für Vergewaltiger. Darin ähneln Gammas unattraktiven Frauen: aus Minderwertigkeitsbewusstsein gegenüber starken Männern werten sie diese moralisch ab.

Keiner leidet an dem von Shane begangenen Mord mehr als Shane selbst. Er befindet sich in einer Doublebind-Situation: einerseits muss er, um weiter daran zu glauben, dass es richtig war, den dicken Otis für die Rettung eines Kindes zu opfern, den brutalen Kerl spielen, der harte Entscheidungen trifft, doch andererseits beging er den Mord, weil er gerade nicht der rücksichtslose Machtmensch ist, für den Dale ihn hält, sondern ein liebender und sorgender Ex-Liebhaber und Quasi-Stiefvater. Spielt er konsequent den rücksichtslosen Kerl, muss er die Gruppe verlassen, doch wenn er die Gruppe verlässt, hat er sich umsonst als postapokalyptisches Arschloch aufgeführt und für nichts einen Menschen getötet. Bleibt er, ist er der Böse, geht er, wird er sich den Mord an Otis nicht verzeihen können. Das Leben von Alphas und Sigmas ist hart, zu hart für einen Gamma, um überhaupt verstehen zu können, mit welchen emotionalen Grenzerfahrungen sich starke Männer herumschlagen müssen. Da bleibt für den Schwächling und Feigling nur ein Ausweg: dem starken Mann zu unterstellen, ein selbstsüchtiger Schurke und kaltblütiger Mörder zu sein.

 

 

Shane und Andrea 


S2E6: Als Shane den nichtschießenden Mitgliedern der Gäste-Gruppe Schießunterricht geben will, fragt ihn Andrea, die Highquality-Singlefrau, ob er sich nun doch umentschieden hat, und die Gruppe nicht mehr verlassen will. Das trifft Shane ins Mark, denn er ist von seinem Naturell eine Mischung aus Alpha und Sigma, ein unabhängiger, freiheitsliebender Mann. Er ist sichtlich verärgert, denn Andrea hat eine Schwäche bei ihm gefunden: er würde gern allein weiterziehen, kann aber nicht.

Warum kann er nicht? Sein Alpha-Persönlichkeitsanteil erinnert sich an die noch frische Erfahrung, ein Familienvater zu sein. Als ewiger Junggeselle mit kurzen zu nichts führenden Beziehungen macht er in der Weltuntergangssituation die Erfahrung, in einer anthropologisch ursprünglichen Lebenswelt für eine Frau und ein Kind zu sorgen. Er ist maximal als Alpha gefordert und investiert emotional sehr stark in Lori und den kleinen Carl.

Doch dann taucht Loris totgeglaubter Mann Rick, dazu noch sein bester Freund, wieder auf. Einerseits freut er sich, dass sein bester Freund wie durch ein Wunder überlebt hat, andererseits leidet er am Verlust des Alphastatus als Familienvater und Anführer seiner Überlebendengruppe (die Gruppe führt der an, der mit Lori zusammen ist, wieder ein Hinweis auf den anthropologisch ursprünglichen Gynozentrismus).

Shane wäre froh, endlich die ihn runterziehende Gruppe und die sinnlose Suche nach einem toten Mädchen hinter sich zu lassen. Doch er kann sich nicht zur Freiheit entschließen. Deshalb begeht er eine Ersatzhandlung: als der beste Schießlehrer, den Rick kennt, bringt er Andrea das Schießen bei, und das macht er so gut, dass sie dadurch zu einer Top-Schützin wird. Andrea wollte schon immer sich selbst verteidigen können, Shane hat ihr diese Freiheit gegeben. Die Leidenschaft, mit der er Andreas Freiheit erkämpft (der Feind ist ihre Ängstlichkeit und Zögerlichkeit, die er ihr zu besiegen hilft), zeigt, dass es ihm eigentlich um seine eigene Freiheit geht. Doch die nimmt er sich nicht, dadurch staut sich Wut auf, die sich in S2E7 entlädt.

Die Betaisierung durch die kurze aber vor allem dank der extremen Umstände emotional intensive Beziehung mit Lori schafft es, Shane Ängstlichkeit und Zögerlichkeit einzuimpfen, die ihm charakterlich fremd sind. Dieser Widerspruch muss sich auflösen, Shane steht psychisch extrem unter Druck. Shanes Druck ist "suppression", er unterdrückt seine Emotionen, bis er es nicht mehr kann oder will; Ricks Druck ist "oppression", er wird von innen und außen unterdrückt, und zwar durch die Schuldgefühle wegen Sophia und durch seine Frau Lori. Äußerlich ist Shane frei, darum ärgert er sich so über sich selbst nach Andreas harmloser Bemerkung, dass er die Gruppe nun doch nicht verlassen will.

Natürlich will er, am liebsten sofort! Doch er hat einen Mann ermordet, um die Rettung des kleinen Carl zu ermöglichen, und damit mehr in die Beziehung zu Lori investiert, als er sich leisten kann. Wenn er jetzt geht, ist das umsonst gewesen. Das ist die harte Entscheidung, die er nicht treffen kann: eine konsequente Trennung von Lori und Carl, und eine Weile allein mit den Schuldgefühlen leben.