Shane und Dale
S2E6:
Dale, der alte Mann, ist eifersüchtig, weil Shane etwas mit Andrea, die
vom Alter Dales Tochter sein könnte, hatte. Er erinnert Shane daran,
dass dieser schon lange die Gruppe auf Hershels Farm verlassen wollte.
Shane rettete Ricks Sohn Carl das Leben (und ermordete dafür einen
Menschen), hilft dabei, ein Kind zu suchen, das höchstwahrscheinlich
schon tot ist und bildet die Gruppe im Schießen aus. Und was hat Dale in
all der Zeit für die Anderen getan?
Der Alpha/Sigma Shane ist vom Rang dem Anführer Rick gleichwertig,
charakterlich stärker. Er hatte Sex mit den beiden High Quality Women
der Gruppe, der ladyliken Lori und der amazonenhaft-einzelgängerischen
Andrea. Dale ist neidisch auf Shane und hat für einen Gamma typische
Ressentiments gegenüber Alphas und Sigmas. Er unterstellt Shane, ein
schlechter Mensch zu sein und Rick töten zu wollen.
Die Unterstellung, ein schlechter Mensch zu sein, resultiert aus den
Ressentiments, die Gammas gegen Alphas und Sigmas haben. Diese sind
stärker, männlicher, wertvoller für andere als die Gammas, welche feige,
unsicher und erfolglos bei Frauen sind. Dale ist ein charakterlicher
Gamma, während der Anfangzwanzigling Glen lediglich ein situativer Gamma
ist: die Farmerstochter Maggie hat Respekt vor seinen männlichen
Charaktereigenschaften und Sex mit ihm. Sie signalisiert, dass sie ihn
für einen zukünftigen Alpha hält.
Die Unterstellung, etwas Schlechtes tun zu wollen, ist ebenfalls eine
typische Unterstellung eines charakterlichen Gamma gegenüber
höherrangigen Männern. Gammas sind männerfeindlich und halten starke
Männer für schlechte Menschen, selbstverständlich auch für
Vergewaltiger. Darin ähneln Gammas unattraktiven Frauen: aus
Minderwertigkeitsbewusstsein gegenüber starken Männern werten sie diese
moralisch ab.
Keiner leidet an dem von Shane begangenen Mord mehr als Shane selbst. Er
befindet sich in einer Doublebind-Situation: einerseits muss er, um
weiter daran zu glauben, dass es richtig war, den dicken Otis für die
Rettung eines Kindes zu opfern, den brutalen Kerl spielen, der harte
Entscheidungen trifft, doch andererseits beging er den Mord, weil er
gerade nicht der rücksichtslose Machtmensch ist, für den Dale ihn hält,
sondern ein liebender und sorgender Ex-Liebhaber und Quasi-Stiefvater.
Spielt er konsequent den rücksichtslosen Kerl, muss er die Gruppe
verlassen, doch wenn er die Gruppe verlässt, hat er sich umsonst als
postapokalyptisches Arschloch aufgeführt und für nichts einen Menschen
getötet. Bleibt er, ist er der Böse, geht er, wird er sich den Mord an
Otis nicht verzeihen können. Das Leben von Alphas und Sigmas ist hart,
zu hart für einen Gamma, um überhaupt verstehen zu können, mit welchen
emotionalen Grenzerfahrungen sich starke Männer herumschlagen müssen. Da
bleibt für den Schwächling und Feigling nur ein Ausweg: dem starken
Mann zu unterstellen, ein selbstsüchtiger Schurke und kaltblütiger
Mörder zu sein.
Shane und Andrea
S2E6:
Als Shane den nichtschießenden Mitgliedern der Gäste-Gruppe
Schießunterricht geben will, fragt ihn Andrea, die
Highquality-Singlefrau, ob er sich nun doch umentschieden hat, und die
Gruppe nicht mehr verlassen will. Das trifft Shane ins Mark, denn er ist
von seinem Naturell eine Mischung aus Alpha und Sigma, ein
unabhängiger, freiheitsliebender Mann. Er ist sichtlich verärgert, denn
Andrea hat eine Schwäche bei ihm gefunden: er würde gern allein
weiterziehen, kann aber nicht.
Warum kann er nicht? Sein Alpha-Persönlichkeitsanteil erinnert sich an
die noch frische Erfahrung, ein Familienvater zu sein. Als ewiger
Junggeselle mit kurzen zu nichts führenden Beziehungen macht er in der
Weltuntergangssituation die Erfahrung, in einer anthropologisch
ursprünglichen Lebenswelt für eine Frau und ein Kind zu sorgen. Er ist
maximal als Alpha gefordert und investiert emotional sehr stark in Lori
und den kleinen Carl.
Doch dann taucht Loris totgeglaubter Mann Rick, dazu noch sein bester
Freund, wieder auf. Einerseits freut er sich, dass sein bester Freund
wie durch ein Wunder überlebt hat, andererseits leidet er am Verlust des
Alphastatus als Familienvater und Anführer seiner Überlebendengruppe
(die Gruppe führt der an, der mit Lori zusammen ist, wieder ein Hinweis
auf den anthropologisch ursprünglichen Gynozentrismus).
Shane wäre froh, endlich die ihn runterziehende Gruppe und die sinnlose
Suche nach einem toten Mädchen hinter sich zu lassen. Doch er kann sich
nicht zur Freiheit entschließen. Deshalb begeht er eine Ersatzhandlung:
als der beste Schießlehrer, den Rick kennt, bringt er Andrea das
Schießen bei, und das macht er so gut, dass sie dadurch zu einer
Top-Schützin wird. Andrea wollte schon immer sich selbst verteidigen
können, Shane hat ihr diese Freiheit gegeben. Die Leidenschaft, mit der
er Andreas Freiheit erkämpft (der Feind ist ihre Ängstlichkeit und
Zögerlichkeit, die er ihr zu besiegen hilft), zeigt, dass es ihm
eigentlich um seine eigene Freiheit geht. Doch die nimmt er sich nicht,
dadurch staut sich Wut auf, die sich in S2E7 entlädt.
Die Betaisierung durch die kurze aber vor allem dank der extremen
Umstände emotional intensive Beziehung mit Lori schafft es, Shane
Ängstlichkeit und Zögerlichkeit einzuimpfen, die ihm charakterlich fremd
sind. Dieser Widerspruch muss sich auflösen, Shane steht psychisch
extrem unter Druck. Shanes Druck ist "suppression", er unterdrückt seine
Emotionen, bis er es nicht mehr kann oder will; Ricks Druck ist
"oppression", er wird von innen und außen unterdrückt, und zwar durch
die Schuldgefühle wegen Sophia und durch seine Frau Lori. Äußerlich ist
Shane frei, darum ärgert er sich so über sich selbst nach Andreas
harmloser Bemerkung, dass er die Gruppe nun doch nicht verlassen will.
Natürlich will er, am liebsten sofort! Doch er hat einen Mann ermordet,
um die Rettung des kleinen Carl zu ermöglichen, und damit mehr in die
Beziehung zu Lori investiert, als er sich leisten kann. Wenn er jetzt
geht, ist das umsonst gewesen. Das ist die harte Entscheidung, die er
nicht treffen kann: eine konsequente Trennung von Lori und Carl, und
eine Weile allein mit den Schuldgefühlen leben.