Samstag, 30. Juli 2016
Seelenheil und Egoismus
Ich würde alles Geld, alle Beziehungen, und sogar mein Leben uneingennützig opfern, aber niemals mein Seelenheil, - bin ich deshalb ein Egoist "wie alle anderen auch"? Das Seelenheil ist als höchstes Ziel aller Selbstsucht nicht denkbar, denn darin wäre kein Heil, - vielmehr hat die Selbstsucht nicht die Einheit mit Gott, sondern selbst Gott zu sein, zum höchsten Ziel. Das Seelenheil aber ist die Liebe Gottes, und wenn mir Seelenheil zuteil werden soll, kann ich es nicht ablehnen, ohne das Gute zu negieren. Wenn ich das absolut Gute, und nicht die Selbstsucht wähle, dann kann und muss ich bereit sein, alles bis auf mein Seelenheil zu opfern, - aber das Seelenheil, das Gute selbst, kann nicht dem Guten, sondern nur der Selbstsucht geopfert werden.
Das Faktische
Da das Böse keine eigenständige Entität ist, sondern die Negation des Guten, muss der Böse nicht das Böse gegen das Gute behaupten, - und es wäre auch nicht möglich, da reine Negation an sich nichts wäre, und der Böse somit dem Guten nichts entgegenzustellen hätte. Also behauptet das Böse nicht das Nichts, sondern ein bestimmtes Nichts, ein Zufälliges, und zwar das faktisch Bestehende. Das Bekenntnis zur normativen Kraft des Faktischen ist das Glaubensbekenntnis des Satanismus, welches, geläufiger formuliert, "Macht ist Recht" lautet. Wer den Idealisten mit Realitäten zurechtweisen will, wer sich auf "Es war schon immer so" oder "So ist es nunmal" beruft, ist nicht bloß zynisch, sondern dient bewusst dem Bösen.
Der ärgste Ismus
Der Realismus ist die absurdeste Ideologie: während andere Ideologien etwas verwirklichen wollen, was nur als Idee existiert (klassenlose Gesellschaft, Großdeutschland oder -albanien, die Erde ohne Menschen, globales Khalifat), ist die Realität bereits da, und kann nicht noch realer werden. Was will der Realismus denn erreichen, was ist der Imperativ des Realismus? "Unterwerfe dich dem Bestehenden voll und ganz, mach dich ganz zum Ding, werde vom Ich zum Es!" ?
Es gibt keine deskriptive Ideologie. Eine Ideologie ist eine wertende Weltanschauung. So wertet der Realist (in der umgangssprachlichen Bedeutung des Begriffs) etwa den Idealisten als weltfremden Träumer ab, und sich selbst als jemanden, der die Realität erkennt und ensprechend handelt, auf. Was es bedeutet, die Realität zu erkennen, und dementsprechend zu handeln, soll selbstevident sein und wird nicht weiter erklärt (weil mit dem "so ist nunmal die Realität" willkürliche Zwecke verschleiert und durch die "normative Kraft des Faktischen" legitimiert werden sollen, wobei wiederum das Faktische vom ursprünglichen Wortsinn nicht das an sich Seiende, sondern das Gemachte ist).
"Erkenne die Realität!" kann von keiner Ideologie als exklusiv vertretene Forderung aufgestellt werden, und somit nicht die Aussage des Realismus als Lebenseinstellung sein. Wer sagt "Ich bin doch nur realistisch", will betrügen, will aus kontingenten Entscheidungen objektive Sachzwänge machen.
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