Samstag, 30. Juli 2016

Der ärgste Ismus





Der Realismus ist die absurdeste Ideologie: während andere Ideologien etwas verwirklichen wollen, was nur als Idee existiert (klassenlose Gesellschaft, Großdeutschland oder -albanien, die Erde ohne Menschen, globales Khalifat), ist die Realität bereits da, und kann nicht noch realer werden. Was will der Realismus denn erreichen, was ist der Imperativ des Realismus? "Unterwerfe dich dem Bestehenden voll und ganz, mach dich ganz zum Ding, werde vom Ich zum Es!" ?

Es gibt keine deskriptive Ideologie. Eine Ideologie ist eine wertende Weltanschauung. So wertet der Realist (in der umgangssprachlichen Bedeutung des Begriffs) etwa den Idealisten als weltfremden Träumer ab, und sich selbst als jemanden, der die Realität erkennt und ensprechend handelt, auf. Was es bedeutet, die Realität zu erkennen, und dementsprechend zu handeln, soll selbstevident sein und wird nicht weiter erklärt (weil mit dem "so ist nunmal die Realität" willkürliche Zwecke verschleiert und durch die "normative Kraft des Faktischen" legitimiert werden sollen, wobei wiederum das Faktische vom ursprünglichen Wortsinn nicht das an sich Seiende, sondern das Gemachte ist).

"Erkenne die Realität!" kann von keiner Ideologie als exklusiv vertretene Forderung aufgestellt werden, und somit nicht die Aussage des Realismus als Lebenseinstellung sein. Wer sagt "Ich bin doch nur realistisch", will betrügen, will aus kontingenten Entscheidungen objektive Sachzwänge machen.