Donnerstag, 24. Mai 2018
Die Wiedergeburt
Bevor man Christ wird, muss man erkannt haben, dass man vorher immer Nihilist war. Auch das, was gemeinhin für das Christentum gehalten wird, ist Nihilismus. Der Nihilismus ist ein dreigeschossiges Gebäude: im Erdgeschoss wohnt der naive Nihilismus, der sich selbst als Nihilismus noch nicht weiß, und sich Humanismus, Kommunismus, Darwinismus nennen kann, oder aber namenlos kreatürlich vor sich hin lebt. Im Mittelgeschoss leuchtet das dunkle Licht der Verzweiflung: man erkennt die Sinnlosigkeit aller endlichen Werte und des vergänglichen Lebens. Man negiert das Bestehende, ohne etwas Besseres zu kennen. Findet man das Treppenhaus ins Obergeschoss, so leuchtet einem die hellste Sonne ins GesICHt - man hat es, mit oder ohne Max Stirner, verstanden. Nun lebt man wieder fröhlich und positiv, diesmal aber nicht für die nichtigen Werte und sinnlosen Ziele, sondern für sich selbst: man ordnet sich der Welt nicht unter, sondern macht sie sich untertan.
Steigt man aufs Dach, steht man dem Unendlichen gegenüber, und geht man wieder runter, bekommt man furchtbare Brustschmerzen, da man nun das Unendliche in sich selbst geweckt hat. Der unendliche Himmel über mir und der Sinn für das Schöne, Wahre und Gute in mir sind eins und dasselbe - absoluter Selbstzweck.
Mit dem Christentum hat der Spaziergang auf dem Dach freilich noch wenig zu tun. Man kehrt hin und wieder ins Gebäude zurück, wie in Platons Höhle, man kann sogar ins Erdgeschoss hinabsteigen, oder in den Vorgarten gehen. Animalische, patriotische, romantische und schöpferische Gemütszustände wechseln sich ab, wie man rauf und runter geht.
Einer Nacht, nicht eines Nachts, hat man vielleicht das Glück, dass ein UFO auf dem Dach landet. Dann erst wird man Christ. Ohne die freie Handlung Gottes, ohne die Landung des UFOs kann man nicht Christ werden. Vorchristlicher Glaube an die Realität des Unendlichen ist hypothetisch, der christliche überwahr. Allerdings besteht ein nicht zu vernachlässigendes Problem, - wenn man die Existenz von UFOs von Anfang an ausschließt, kann man auch kein gelandetes UFO auf dem Dach erkennen. Der Geist muss frei sein, muss sich dem Unendlichen öffnen. Zu nichts Anderem war das Treppensteigen zuvor, diese Übung, um mit Karlsruhe zu sprechen, eigentlich gedacht.
Montag, 21. Mai 2018
Durch Psychoterror zum christlichen Glauben
Youtube ist Youporn des Geistes: keine Verschwörungstheorie, die da nicht zu finden ist, kein Aberglaube, der nicht für christlich ausgegeben wird. Der Braunschweiger Physiker und Informatiker Werner Gitt predigt seit Jahrzehnten mit Brachialmethoden, seit einigen Jahren auch auf Youtube. Er meint es gut, dieser Neurochirurg des Glaubens, der mit Boxhandschuhen operiert, er meint es zu gut.
Wo werden Sie 5 Minuten nach Ihrem Tod sein? Eine Fangfrage ist das nicht, der Werner meint sie ernst. Bitter ernst sogar, denn er zieht alle Register, selbst jene, die mit A beginnen. Imaginieren Sie mal: Sie sind kein Christ und werden heute von einem Betrunkenen tot umgefahren. Wo werden Sie 5 Minuten nach Ihrem Tod sein? In der Hölle, wo sonst. Und wie ist es in der Hölle so? Etwa doppelt so heiß, wie in einem Pizzaofen, und die Luftfeuchtigkeit beträgt Nullkommanull. Nun zum Register mir A: wie schlimm war Auschwitz? Als Grenzerfahrung schlimm genug, ein Extremsport für robustere Charaktere, - aber der teuflische Höhepunkt der Veranstaltung, die Vergasung, war nach 15 Minuten vorbei. Die Hölle ist für immer.
Der Prediger will aufrütteln, der Physiker geht methodisch vor: was für ein Horror muss es gewesen sein, in einer der Gaskammern zu sterben? Und doch nichts im Vergleich zum ewigen Horror der Hölle, der nicht nur unendlich intensiver erlebt wird, sondern auch unendlich länger dauert. Der Informatiker teilt Informationen aus: glaube an Christus, und du bist von diesem Schicksal erlöst!
Wer an die Hölle nicht glaubt, wird nur müde lächeln. Wer daran glaubt, wird Werner genau zuhören. Er wird vor Jesus wie ein Kaninchen vor der Schlange sitzen und ihn mit großen Augen anstarren: Bitte, lass mich nicht zur Hölle fahren! Wer an Gott nicht glaubt, wird durch eine solche Religion der Grausamkeit noch weiter von den religiösen Dingen weggestoßen, da solcherlei dreiste Nötigung nunmal abstoßend ist. Wer an Gott glaubt, wird den Gürtel seiner Seele enger schnallen.
Wenn du nicht an Christus glaubst, kommst du für immer in die Hölle! So kann nur ein Sektenführer zu seinen Schäfchen predigen, aber kein Menschenfischer. So weckt man kein Interesse, so bestätigt man das Vorurteil vom Christentum als der Religion der Grausamkeit, ein Vorurteil, das sich das manifeste Christentum redlich verdient hat. Sicherlich ist das eine Nebensache, denn es kann letztlich nur darum gehen, ob es eine Hölle gibt, oder nicht. Als Physiker kann man da nur sagen: ich weiß es nicht, - denn die Physik gehört immer noch zu den Wissenschaften, wie sehr die Biologie durch die Kreationisten der Neuen Welt immer mehr zu einer Glaubensdisziplin umgewandelt wird.
Zusammenfassung: Werner weiß nicht, ob es eine Hölle überhaupt gibt. Gäbe es sie mit Sicherheit, wäre die Religion, die ihre Existenz behauptet, keine Glaubenssache, sondern eine Tatsache. Damit Menschen anfangen, an seine religiösen Inhalte zu glauben, droht er ihnen mit der Hölle, die wiederum eine Glaubenssache ist, - wenn du nicht daran glaubst, wirst du dran glauben; wenn du nicht glaubst, dass Freddy Krueger existiert, wird er dich in deinen Träumen aufsuchen.
Mittwoch, 16. Mai 2018
Vereinen und herrschen
Teilen und herrschen, das war die Vorgehensweise der alten guten Römer. In unserer Zeit bedient sich die souveräne Macht einer anderen Strategie: sie reduziert die Subjekte auf das nackte Leben und fegt alle zusammen auf einen Haufen bzw. konzentriert sie. Nicht die im Geiste der Brüderlichkeit zu überwindende Spaltung, sondern das Konzentrationslager-Paradigma von Giorgio Agamben ist der modus operandi der Mächtigen in unserer Zeit. Alle werden gleich gemacht, alle Unterschiede werden nivelliert.
Der Mensch wird vom Subjekt zum Objekt, zum Opfer; alle sind heute Opfer. Echte Verantwortung ist abgeschafft: es gibt keine Todesstrafe für Mord. Es wäre ja furchtbar, die Zerstörung eines Lebens mit der Zerstörung eines anderen Lebens zu bestrafen! Das sind wir nur noch: nacktes Leben, völlig unterschiedslos, ob unschuldig oder schuldig, ob gut oder böse.
Der Mensch ist zur Ressource verkommen. Individualität bedeutet nicht Persönlichkeit, sondern Atomisierung: alle sind gleich einzigartige Atome, weil alle identsch sind; das Identischwerden ist faktisch noch im Kommen, zunächst gilt es als implizite normative Forderung hinter der Ideologie der freien Wahl der Identität (geschlechtlich, kulturell usw.). Nur wenn wir uns aufteilen, entkommen wir dem universellen Lager. Die irrtümlich Multikulti genannte Monokultur der Durchmischung mit dem Ziel der Schaffung des Einheitsmenschen (diesmal durch den kulturellen, nicht den gescheiterten ökonomischen Marxismus) muss aufgelöst werden zugunsten wahrer Vielfalt: Kultur braucht Kulturen, Zivilisation braucht Zivilisationen, Menschheit braucht Menschen, einzelne, nicht identische, sondern unterschiedliche Menschen.
Montag, 14. Mai 2018
Ich bin auf keiner Seite
Dazugehören ist blöd: man ist einer rechten Bewegung, und sie wird von Nazis unterwandert; man ist in einer liberalen Bewegung, und sie wird von Kinderschändern, die „gewaltfreien“ Sex mit Kindern legalisieren wollen, missbraucht. Es gibt keine richtige Seite. Die meisten Menschen sind schlecht und geben dem Hang zum Bösen allzu bereitwillig nach, und früher oder später schlägt sich die menschliche Natur in jeder anfangs noch so idealistischen Gemeinschaft nieder. Ich bin auf meiner eigenen Seite, über mir steht nur Gott, und wenn es keinen gibt, bin ich die höchste moralische Instanz (als Vernunftwesen, nicht als Ego). Für wen bin ich? Für gute Menschen. Gegen wen? Gegen böse Menschen. Aus einer Position der Stärke biete ich auch schlechten Menschen Hilfe an, ich schulde jedoch keinem einzigen irgendetwas; kein Mensch hat einen Anspruch auf mich. Ich bin moralischer Individualist, das Gegenteil eines un- bzw. amoralischen Egoisten.
Samstag, 12. Mai 2018
Religion oder psychische Krankheit?
Was ist Religion? Eine psychische Störung. Freud es dich, es dir so zu erklären? Alles, aber wirklich alles, hat seinen Ursprung im Sexualtrieb - die Metaphysik, die Weltkriege, die Naturkonstanten. Zu einfach? Jetzt bloß nicht ins andere Extrem umkippen: Psychologie ist nicht immer Schwachsinn, aber so mancher Schwachsinn lässt sich psychologisch erklären. Wie erkennt man, dass das, was man für Religion hält, eine psychische Störung ist?
Wie ist Religion? Religion ist wie eine gute Droge: bewusstseinserweiternd. Religion ist nach Oben offen, transzendent. Wer eine Religion hat, verlässt sich darauf, nicht verlassen zu sein, egal, die wievielte geliebte Person ihn abermals verlässt. Religion ist mystisch, transrational, sie liefert keine geschlossenen Welterklärungen, sondern Hoffnung und Zuversicht. Marx hatte Recht, Lenin irrte: selbstverständlich ist Religion unter anderem auch Opium des Volkes, aber sobald sie sich darauf beschränkt, nur Unterdrückungsmechanismus zu sein, Opium für das Volk, ist sie nicht mehr Religion.
Eine psychische Störung ist voll und ganz diesseitig, durch und durch logisch mit einer mythischen Letztbegründung, einschränkend, erdrückend, fixiert auf Endliches, oft auf Vergangenes, und produziert Angst statt Hoffnung, Ausweglosigkeit statt Zuversicht. Erinnert dich das an deinen Glauben? Nun, dann ist er eine psychische Störung unter dem Deckmantel einer Religion. Bist du in deinem Glauben - der sich als ein Glaube an Gott präsentiert - auf andere Menschen fixiert, liegen deine Ziele ganz im Diesseits? Ein Haus, ein Auto, ein Raumschiff - diese Ziele sind keineswegs schädlich für dein spirituelles Wohl und Heil, aber sind dies deine einzigen Ziele? Ist dein Bewusstsein so verengt, dass du Haus, Auto und Raumschiff begehrst, um da drin oder da drauf letztendlich bewusstseinserweiternden Sex zu feiern?
Die Religion eignet sich, da sie inhaltlich offen ist, prima als Aberglaube, um diesseitige Wünsche und Ängste zu handhaben. Sie selbst ist nur eine Form des Bewusstseins, eine Stellung, und zwar die des Endlichen zum Unendlichen. Das Unendliche kann aber psychischerweise durch Endliches ersetzt werden, wodurch die Religion zum Aberglauben wird: glaube an Gott, damit du beruflichen Erfolg hast; befolge bestimmte Gebote, damit dies oder jenes ganz sicher nicht passiert.
Wie stellst du fest, ob du ein guter Christ, Jude, Buddhist, Atheist bist? Durch die Kraft deiner inneren Ruhe und die Immunität deiner Zuversicht gegenüber kreatürlichen Ängsten? Oder dadurch, in welches Verhältnis zu den Anderen dich dein Glaube setzt, wieviel du ihnen bedeutest, was du ihnen tust, was sie dir tun, was du für sie getan hast, was sie für dich getan haben, gegen wen du dich durch deinen Glauben abgegrenzt hast und zu wem du eine Beziehung aufgebaut hast?
Halten wir (Ärzte den Psychopathen) fest: schränkt dich dein Glaube ein, drückt er, wie ein Holzschuh, macht er dir Angst, schließt er Horizonte, anstatt diese zu erweitern, setzt er Denkverbote, generiert er Schuldgefühle, dann lass ihn ruhen und hol dir professionelle Hilfe, denn mit Gott hat so ein Glaube nichts zu tun, sondern nur mit furchtsam von dir selbst vor dir selbst versteckten psychischen Problemen. Macht dich dein Glaube glücklich - schenkt er dir beständige Freude, und nicht bloß flüchtiges Vergnügen - , dann sei, Erich, fromm.
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