Freitag, 26. Oktober 2018

Weltekel





Erst wenn der Ekel vor der Welt zur Pose wird, beginnt man, an ihm zu leiden; wer sich wahrhaft vor der Welt ekelt, ekelt sich bald nicht, und hat für ihre Nichtigkeit nur teilnahmslose Verachtung übrig. Das Getrenntsein von der Welt in seinem Geiste wird ihm gar zum Genuß, der daraus entspringt, dass die Welt, wie sie sich auch dreht und quält, diese Trennung nicht überwinden kann - sie bleibt ihm ein Nichts.

Wer mit der Welt jedoch innig verbunden ist, und sie im Grunde seines Wesens bejaht, leidet an ihr, die kontingenterweise zu seinen Lebzeiten so und nicht anders ist, - zu ohnmächtig, sie nach seinem Gutdünken zu ändern, kapselt er eine küstliche Identität von sich und der Welt ab, und sieht, immer wenn er mit Verachtung auf die Welt herabsieht, auch auf sein wahres Selbst herab; diese Zerrissenheit wird in der Regel nicht durch den steilen Weg zur geistigen Souveränität überwunden, sondern durch das Sich-Selbst-Ändern, durch eine regressive Läuterung, eine Rückkehr in den lauwarmen feucht-schwülen Schoß der hassgeliebten Welt. 

Sonntag, 7. Oktober 2018

Links und Rechts





1. Dieter geht es schlecht: er ist depressiv und hat keinen Job. "Rechte" Begründung: Dieter strengt sich nicht an. Er tut nichts für sein Glück. "Linke" Begründung: die Gesellschaft ist schuld. Sie hat Dieter in eine Situation gebracht, in der er sich nicht entfalten kann und depressiv wird.

2. Die "Rechte" Begründung ist naiv, die "Linke" Begründung sieht eher wie eine Entschuldigung aus, eine Verschiebung der Pflicht vom Individuum auf die Gesellschaft. Eine Synthese aus zwei unbefriedigenden Aussagen kann nicht befriedigend sein, die Lösung muss woanders liegen.

3. Die "Linke" tendiert dazu, die Gesellschaftsverhältnisse in Frage zu stellen und das Individuum in Schutz zu nehmen, die konservative Position will die bestehenden Verhältnisse rechtfertigen und sucht die Schuld beim Individuum.

4. Die koservative Position, ins Extrem getrieben, kritisiert am Individuum nichts Anderes, als das es ein Individuum ist. Die Individualität des Einzelnen steht dem Glück Aller im Wege. Alle sind aber ebenso Einzelne. Jede Bestrebung, ohne Rücksicht auf den Einzelnen das Glück Aller zu fördern, endet für alle in einer Katastrophe.

5. Die "linke" Position, zu Ende gedacht, sieht das Individuum als blosses Opfer der ungerechten Verhältnisse. Der Einzelne kann sich selbst nicht helfen, sein freier Wille wird somit negiert, er ist nur noch eine Marionette der äußeren Verhältnisse. Das Innere ist somit vernichtet und es gibt nur noch die ungerechten Verhältnisse - da aber kein Inneres mehr existiert, ist es nicht sinnvoll, von Individuen als solchen zu sprechen. Das positiv Gegebene ist so wie es ist, weder gerecht noch ungerecht, weder gut noch schlecht.

6. Die konservative Position höhlt das Außen aus, indem sie alle Verantwortung dem Einzelnen überträgt. Das objektiv Bestehende wird zum blossen Spielball subjektiver Vorstellungen und Einstellungen, es existiert nur noch in den Vorstellungswelten der Einzelnen, da den Einzelnen alle Macht und alle Verantwortung übertragen wurde. Da der Einzelne selbst über sein Glück und Unglück bestimmt, nur subjektiv, nur im Innern, so ist das Äußere nicht mehr existent, es ist restlos auf das Innere reduzierbar.

7. Die "linke" Position, die ursprünglich für das Individuum und seine Entfaltung, sprich für das Innere stand, hat das Innere negiert und fand sich im Positivismus wieder. Die konservative Position, der es um eine Apologie des Bestehenden zu tun war, fand sich im subjektiven Idealismus wieder und postulierte die absolute Freiheit des Einzelnen, frei von allen äußeren Zwängen - was politisch auf totale Anarchie hinausläuft.