Freitag, 1. November 2024

Religion und Seelenheil

 



 Nur eine Privatreligion kann zum Seelenheil führen. Evolutionär erfolgreiche, an das weltliche Leben angepasste Religionen haben andere Ziele: Herrschaft und Unterdrückung (Christentum), sozialen Zusammenhalt (Islam), Volksidentität (Judentum), sozialen Frieden (Hinduismus), individuellen Frieden (Buddhismus) usw. Das sind alles diesseitige Ziele, metaphysisch betrachtet lediglich geistige Immunabwehr gegen die harten Fakten des Lebens wie Ohnmacht und Sterblichkeit (vgl. Peter Sloterdijk: Du musst dein Leben ändern).

Seelenheil bedeutet nicht, sich mit der Gesellschaft, dem Zeitalter, der Welt zu arrangieren. Seelenheil bedeutet Befreiung. Die Konsequenz der Befreiung ist die Freiheit. Wer frei ist, braucht keine geistige Immunabwehr gegen Ohnmacht, keinen sozialen und individuellen Frieden, keine Volksidentität usw., denn er hat die Heilsgewissheit: seine Seele kommt nach dem Tod in eine bessere Welt.

Kann es prinzipiell keine Religion geben, die zum Seelenheil führt, ist der Nihilismus wahr und alle Sollensaussagen (d. h. Moral, Recht, Ästhetik) falsch: alle hypothetischen Imperative gründen auf einem kategorischen (Du sollst sollen). Wenn letztlich alles egal ist, kann ich nicht sollen sollen; wenn es grundsätzlich (naturgesetzlich) kein Seelenheil gibt, gibt es physisch nur Naturgesetze und geistig nur Beliebigkeit.