Samstag, 6. Januar 2018
Gute Menschen
Manch einer hat ein gutes Herz, nicht im medizinischen Sinne, sondern so, dass sein Herz vor Mitgefühl verblutet, - er fühlt alles mit, leidet mit jedem lebenden Wesen, wünscht jedem von Herzen das Allerbeste. Dagegen ist nichts einzuwenden, solange dieser Mitleidweltmeister keine Achtung oder Bewunderung dafür fordert, solange er nicht behauptet, er würde sich für die anderen aufopfern, denn er fühlt zwar mit, aber gibt exakt nichts, er vollbringt keine guten Taten. Solange es bei untätigem Mitgefühl bleibt, hat dieses eine rein ästhetische Bedeutung, - ach, wie zartfühlend einer doch ist! - aber keine moralische.
Mitgefühl für das Gute zu halten, ist auch deshalb gefährlich, weil das moralisch Gute dadurch abgewertet wird, und der Begriff des Guten der Beliebigkeit anheimfällt. Selbstverständlich ist es wünschenswert, dass man mitfühlend ist, und das ist von und bis zu einem bestimmten Grad jeder, der kein Soziopath ist. Doch letztlich zählt, dass man für den auf der Straße von Gewaltverbrechern Angegriffenen tätlich Partei ergreift, und nicht, wie sehr man mit dem Zusammengeschlagenen mitfühlt. Letztlich ist aufrichtiges Interesse für das Leiden eines Freundes bei nur mäßiger Fähigkeit, sich in seine Situation hineinzuversetzen, wertvoller, als großes Mitgefühl bei tätlicher Ignoranz.
Ein guter Mensch ist kein Mensch, der am zartesten fühlt, sondern jener Mensch, der das Gute tut. Wenn das, was Kant mit seinem kategorischen Imperativ aufzeigt, nicht das Gute ist, dann hat der moralische Begriff "gut" keine Bedeutung.