Sonntag, 8. Juli 2018

Glücksterror





Glückseligkeit kann man, so Kant, nicht zur Maxime machen, weil man ohnehin glücklich sein will. Es ist widersinnig, sich vorzuschreiben, man hätte alles zu tun, um glücklich zu sein, als wäre dies eine Pflicht. Und dennoch ist es denkbar: jemand könnte sich selbst verpflichten, überall seinen Vorteil zu suchen, stets egoistisch zu handeln, allgemeiner gesagt all das zu tun, wovon er annehmen könnte, es würde ihn glücklicher machen.

Gesundheit ist so ein Fall: sie ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für das Glücklichsein. Nun könnte sich jemand alle Sinnesfreuden verbieten, die der Gesundheit schaden, - ja sogar ein staatlicher Gesundheitsterror wäre durchaus denkbar. Die Folge wäre allerdings: mehr Gesundheit, weniger Glück, denn obwohl man viele kleine Freuden des Tages der Gesundheit opfern würde, würde bessere Gesundheit allein noch nicht glücklicher machen. Die Leistung, die man für das Glücklichsein erbringt, steigert aber die Erwartungen, - je mehr Mühe und Entbehrung, um der Pflicht, glücklich zu sein, beizukommen, geleistet wird, umso weiter öffnet sich die Schere zwischen Erwartung und real erlebtem Glück.

Bei einer Selbstverpflichtung, glücklich sein zu wollen, käme also nur ein Glücksterror heraus, der jedes Glück verhindern würde. Jemand, der ehrenamtlich als Lehrer arbeitet, weil er Freude daran hat, versprüht die gute Laune, die er selbst verspürt. Wird er für Geld als Lehrer eingestellt, wird er weiterhin ehrlich und gewissenhaft arbeiten, aber immer freudloser, - selbst die menschliche Psychologie zeigt, dass sobald etwas zur Verpflichtung wird, es nicht mehr glücklich machen kann. Warum nicht? Weil aus einem Selbstzweck ein Mittel zum Zweck wird. Darum ist es die klügste Strategie der Mächtigen, engagierte Kritiker der Gesellschaftsordnung für ihre Kritik zu bezahlen, und ihnen jede Menge Jobs zu geben, - als Parteifunktionäre in Oppositionsparteien oder als kritische Journalisten.

Hält man sich mit Kant an den kategorischen Imperativ, und verpflichtet sich, seine Handlungsmaximen so zu wählen, dass sie zugleich Prinzipien einer allgemeinen Gesetzgebung sein könnten, so hat es zunächst nichts mit Glücklichsein zu tun. Moralität macht nicht glücklich, Rechtschaffenheit garantiert kein glückliches Leben. Aber so wird Glück erst möglich gemacht: in dem man erstens würdig wird, glücklich zu sein, und zweitens nicht durch das unaufhörliche Hinterherjagen das Glück aus seinem Leben verjagt.