Dienstag, 28. Februar 2017

Das Ich des Gesetzes





Sich selbst als setzend setzend, sitzt das Ich nicht, bevor es sich setzt, aber ebenfalls nicht, nachdem es sich gesetzt hat. Ein Sitzendes setzte sich nicht selbst, sondern wurde von einem Setzenden gesetzt. So ist ein Gesetz ein vom Setzenden Gesetzes, also ein Sitzendes, kein Setzendes. Ein setzendes Gesetz ist das nur das Gesetz des Sichselbstsetzenden Selbst, sprich das Ich ist das Gesetz.

Das Ich bezieht sich nun zum Gesetze wie ein Gesetztes: das Gesetz ist setzend, das Ich durch das Gesetzt gesetzt (der kategorische Imperativ ist unerschütterlich, der Handelnde ist wechselhaft, und kann hiernach richtig oder falsch handeln). Es ist jedoch dasselbe Ich, welches das Gesetz als Setzendes setzt, und welches vom Gesetze gesetzt wird: das Sitzende (das Objektive) ist durch das Setzen des Setzenden (des Subjekts) als das Setzende gesetzt.

Das Ich ist unmittelbar sich selbst und sein eigenes Gesetz setzend, und somit sein eigener Gesetzgeber; das Objektive ist für das Ich das vermittelte Setzen seiner Selbst. Durch das Gesetz wird das Ich sich selbst vermittelt; es unterscheidet sich von sich selbst als ein Setzendes von einem Gesetzen, worin es sich nur als ein unmittelbar sich selbst Setzendes von einem vermittelt sich selbst Setzenden unterscheidet.

Donnerstag, 16. Februar 2017

Das doppelte Wesen der Hässlichkeit




Das negativ Hässliche pervertiert die Form des Dings, an welchem es parasitiert; das positiv Hässliche ist Formloses, das sich in eine zufällige Form fügt. Das negativ Hässliche verursacht Schmerz und Entsetzen beim Betracher, da er die eigentliche Form und somit die Möglichkeit der Schönheit des negativ Hässlichen weiß; das positiv Hässliche lässt Ekel und Horror empfinden, da es der Formlosigkeit positives Dasein gibt, und somit die Form als solche zu verzehren droht.

Dienstag, 7. Februar 2017

Das Glücksversprechen




Mit (spätestens) 30 muss der edle Charakter einsehen, dass er sein Leben auf dieser Welt einsam, ohne Nähe und Zärtlichkeit, verbringen wird, - und dass alle Wünsche, Träume und Kindheitsvorstellungen diesbezüglich nicht von dieser Welt sind, sondern einer Welt entspringen, in der - wenn es sie gibt - dem Würdigen die ewige Glückseligkeit zuteil wird.

Wer diese edle Wahrheit mit 19 erfährt, verfällt der Apathie, denn jede Anstrengung, die dauerhaft Mühe erfordert, funktioniert nur mit einem impliziten Belohnungsversprechen.

Wer zu früh - nicht als Erfahrungsweisheit, sondern als apodiktischen Satz - erfährt, dass wahres Glück auf Erden nicht möglich ist, wird nihilismus- und suizidgefährdet sein. Die Charakterbildung hört auf, man resigniert, bringt sich bestenfalls um (oder kehrt in den feuchtwarmen Schoß der tierischen Natur des Menschen zurück).

Das unausgesprochene Glücksversprechen, das jedem in der Kindheit gegeben wird, ist ein pädagogisch notwendiger Betrug, damit sich eine Persönlichkeit überhaupt entwickeln kann, - Entwicklung ist nur auf ein Ziel hin möglich, und für Kinder und Jugendliche kann dieses Ziel noch kein jenseitiges sein.

Mittwoch, 1. Februar 2017

Unverdientes Unglück




"Ich weinte, dass ich arm war, bis ich einen Krüppel sah", besagt ein unterirdischer, sprich chthonischer Satz, den manche in einer schöneren Formulierung kennen. Ich formuliere ihn aber so hässlich, wie er tatsächlich ist. Was sagt der Satz? A ist arm und deshalb unglücklich. Dann sieht er B, der ein Krüppel ist, und ist nicht mehr unglücklich, weil es ihm im Vergleich zu B noch ziemlich gut geht. Aber wie geht es A objektiv? Hat sich etwas an seiner Situation geändert? Nein, er ist immer noch arm. Und dennoch darf er nicht mehr aufmucken, weil es B gibt, dem es noch schlechter geht. Man merke: um einen Unglücklichen zum Schweigen (oder Zittern) zu bringen, muss man nur einen noch Unglücklicheren finden, - oder einen erschaffen. So abscheulich ist die eigentliche Aussage dieses scheinbar weisen und reflektierten Satzes.

Ich selbst "weinte", als ich unglücklich war, und "weinte" noch mehr, als ich einen noch Unglücklicheren sah. Wer so herrlich ist, kann als Vorbild dienen. So sagt mein 18-21-Jähriges Ich zu A: "Warum vergleichst Du Dich mit B, und nicht mit C? Schau doch an, wie Du Dein Leben führst, und wie C sein Leben führt, und schau, wie es ihm geht, und wie es Dir geht!" C ist ein Arschloch, und es geht ihm gut. A ist kein Arschloch, und es geht ihm schlecht. Erstens ist eine objektiv bestehende Ungerechtigkeit zu erkennen, und zweitens, dass B weder daran schuld ist, noch als Druckmittel dienen kann, A darüber zum Schweigen zu zwingen.

Unglückliche und noch Unglücklichere gegeneinader auszuspielen, ist scheußlich. Sich auf eine der beiden Seiten zu stellen, und die andere zu bekämpfen, ist scheußlich. Wer hier nicht bereits an Flüchtlinge und autochthone Unterschichten denkt, sei an diese explizit erinnert. Dass es allen gleich schlecht gehen soll, oder zumindest C seines Glücks zu berauben ist, ist ebenfalls eine scheußliche Alternative. Keiner schuldet etwas einem unglücklicheren als er selbst, aber wir als Gesellschaft schulden jedem die Wahrheit. Die Wahrheit ist, dass es schlecht ist, dass es A (unverdient) schlecht geht, und dass nichts dadurch besser wird, dass es B noch schlechter geht.

Wer immer noch an Flüchtlinge und autochthone Unterschichten denkt, muss nun von ihnen abstrahieren; es geht nunmehr gänzlich abstrakt um Person A. Was muss sich A nicht alles an böswillgem empathielosem Schwachsinn anhören? Es lässt sich im Satz: "Stell Dich nicht so an!" zusammenfassen. Nun stellt sich A nicht so an, um dort zu stehen, wo er steht, sondern er steht bereits da, im Unglück. Er ist unglücklich und kann es (derzeit) aus eigener Kraft nicht ändern. Und er ist nicht selbst daran schuld. Warum fordert man von A Demut angesichts des noch unglücklicheren B, anstatt festzustellen, dass beide unglücklich sind, und nichts dafür können? Um darauf zu antworten, muss man die Frage stellen: Wer ist man?

1. Man ist C, und weiß, dass man unverdient glücklich ist. Unverdientes Glück ist flüchtig, und kann einen jederzeit verlassen. Um das zu verdrängen, schreibt man A die Schuld an seinem Unglück zu, oder wirft ihm Undankbarkeit angesichts des noch unglücklicheren B vor.

2. Man ist C, und fürchtet sich vor einer Allianz aus vielen A, die gegen ungerechte Verhältnisse aufbegehren, also spielt man A gegen B aus.

3. Man ist B, und ist wütend, dass ein Unglücklicher, dem es zwar schlecht, aber nicht sehr schlecht geht, sein Maul auftut, während man selbst sich nicht traut oder nicht darf oder nicht kann.

4. Man ist A, und wurde sein Leben lang beschämt, so dass man es anderen A nicht gönnt, angehört zu werden. Man ist so verbittert, dass man sich völlig mit dem A-Zustand identifiziert. Wenn die anderen A, die man mit Verweis auf B zum Schweigen bringt, die eigenen Kinder sind, nun, dann ist man durchaus ein Arschloch.