Donnerstag, 13. Juli 2017

Entfaltung und Scham





Was existiert, entfaltet sich. Existieren bedeutet, außer sich sein, sich entäußern. Dies gilt, solange das Existierende über kein Bewusstsein seiner Existenz (in Gefühlssprache: Scham) verfügt. Ein seiner Selbst bewusstes Wesen muss sich nicht mehr entäußern. Darum konnte ein Recht auf die Entfaltung der Persönlichkeit formuliert werden, denn die Persönlichkeit kann auch nicht entfaltet werden, - was sich aber mit einer Naturnotwendigkeit vollzieht, kann weder verrechtlicht noch verboten werden.

Wo das Recht auf Meinungsfreiheit gilt, muss nicht jeder dauernd quatschen. Das Äußern einer Meinung, der Selbstausdruck, kann auch unterlassen werden. Worte sind nicht wie Pisse, die sich auch gegen den Willen ihren Weg bahnen kann; Selbstmitteilung ist nicht wie Ausatmen, an dessen Behinderung man ersticken kann.

Im Zweifel gilt: schweigen! Nicht erst, wenn man nichts zu sagen hat, denn auch wenn man etwas zu sagen hat, ist es oft die damit verbundene Selbstentblößung und die Aufmerksamkeit anderer nicht wert. Erst wenn man Wichtiges zu sagen hat, sollte man reden, - dann aber aus reiner Pflicht, das Gesagtwerdenmüssende zu sagen, und nicht, um durch das Gesagte auf sich selbst aufmerksam zu machen.