Montag, 4. September 2017
Aufrecht
Der Mensch weiß, dass er sterben wird, weiß aber nicht, was danach kommt. Der Eine glaubt an Gott, der Andere ist Atheist. Solange beide aufrecht gehen, können beide auch nach ihrem Tod in den Spiegel schauen, ohne sich schämen zu müssen.
Die Kriechenden aber glauben an Gott aus Angst vor der Hölle oder lehnen einen bestimmten Gott ab aus Angst, an den falschen Gott zu glauben, und vom wahren Gott dafür bestraft zu werden. Die Pascalsche Wette ist die Perfektion einer solchen Perversion der Transzendenz: es sei besser, an Gott zu glauben, denn man kommt entweder in den Himmel oder hört auf zu existieren, wobei der Atheist entweder in die Hölle kommt oder ebenfalls zu existieren aufhört, je nachdem, ob es Gott gibt oder nicht gibt.
Pascal haderte mit Descartes, dem alles Maschine war, machte aber selbst aus Gott eine Maschine: der Maschine Gott ist es egal, aus welchen Gründen die Maschine Mensch die Funktion "glauben" ausführt. Der Person Gott ist es aber nicht egal. Er will keine Hure von einer Seele bei sich haben, ihm ist ein aufrichtiger Atheist lieber als ein käuflicher Frommdackel. Und wenn Gott Liebe ist, dann wette ich, dass es das Unvorteilhafteste ist, die Pascalsche Wette abzuschließen.
Ob es Gott gibt oder nicht, ob ein Leben nach dem Tode bevorsteht, - dies wird zum Glück nicht dadurch entschieden, was Idioten wie du und ich glauben, sondern von der höchsten Vernunft selbst, und sollte nach dem Tod einfach nichts sein, dann ist eben das Nichts die höchste Vernunft.
Durch falsche Glaubensinhalte oder metaphysische Irrtümer können wir die objektive Realität nicht beeinflussen, keine Angst. Wenn du kraft deines Wesens in den Himmel hinein gehörst, aber an Gott aus welchen aufrichtigen Gründen auch immer nicht glaubst, kannst du den Zug dennoch nicht verpassen: dein Glaube oder Nichtglaube trifft keine Daseinsentscheidungen.