Freitag, 29. Januar 2021

VVV 0: Wie tickt ein ENFP?

 

 

Fi parent/Ti trickster

Interessant zu beobachten, dass ENFPs Wert darauf legen, "unterschätzt" zu sein. Dabei fällt auf, dass sie eher andere unterschätzen (und sich selbst vielleicht überschätzen?) Wer andere unterschätzt, wird auch befürchten, selbst von anderen unterschätzt zu werden.

ESFPs neigen zur Selbstüberschätzung ohne die Selbstversicherung, unterschätzt zu sein. Insofern sind sie zusammen mit den ESTPs der extravertierteste Typ nach MBTI.

Durch die Funktion Fi parent gehen ENFPs und ESFPs automatisch davon aus, gute Menschen zu sein; der Realitätscheck bleibt aufgrund des Ti tricksters aus, logische Selbstreflexion findet nicht statt. Externe Beschämung (Fe critic) funktioniert aber als Mittel der Kritik.

Dabei ist wiederum der Unterschied bemerkbar, dass ESFPs durchaus kapieren, dass sie anderen auf den Sack gehen (Souveränität durch Se hero), ENFPs aber nehmen negatives Feedback übel (Si inferior).


Ne hero/Si inferior

Ein ENFP lebt auf der Achse extravertierte Intution – introvertierte Sinnlichkeit. Mit extravertierter Intuition fühlt der Künster sein Publikum, ahnt der Geschäftsmann den Willen seines Kunden, interpretiert der psychisch Instabile Absichten in das Verhalten anderer hinein. In der introvertierten Sinnlichkeit werden Erfahrungen verarbeitet und gespeichert. Wenn Te child, extravertiertes Denken als child function, aufgrund mangelnder oder durchschnittlicher Intelligenz sich in der Außenwelt nicht durchsetzen kann, gerät die Achse Fühlen-Denken in den Hintergrund und das Leben spielt sich auf der Achse Intuition-Sinnlichkeit ab.

Um zu verdeutlichen, was einen ENFP zu einen emotional eschöpfenden Mitmenschen macht, ein konträres Gegenteil: Wenn du nicht weißt, ob ein INTJ dich mag oder nicht, hast du einfach nicht gefragt: die lange Achse introvertierte Intution – extravertierte Sinnlichkeit (Willenskraft/Empirie) sorgt dafür, das man weiß, was man will, Te parent/Ti critic sorgen für gnadenlose Ehrlichkeit mit sich selbst und anderen, Fi child hat zu starke moralische Prinzipien, um manipulativ zu sein. Ein INTJ, wenn er dich nicht mag, wird dir sagen, warum, was davon dein Fehler ist und was auf seiner subjektiven Wahrnehmung beruht, und dir sogar einen Rat geben, wie du besser werden kannst. INTJs sind an Mitmenschen trotz äußerer Kälte und Zurückgezogenheit erstens wirklich interessiert, und zweitens vor allem an deren Individualität und Persönlichkeit. Damit bleibt weng Spielraum für viele Kontakte, da Quality Time mit wenigen Menschen, die man besonders schätzt, priorisiert wird.

Ein ENFP ist, besonders bei schwachem Fi parent (introvertiertes Fühlen als Kontrollfunktion: Moral, Werte, Empathie), die Bleibhier-Gehweg Art von Mensch und bringt andere immer wieder in Doublebind-Situationen. Ein ENFP hat Angst, verlassen zu werden, und tut zugleich alles dafür, dass sich der Andere von ihm abwenden muss, um nicht emotional erschöpft, im Extremfall zerstört zu werden. Es handelt sich hier nicht um eine psychische Störung, sondern um normales (wenngleich unreifes) ENFP-Verhalten. Der Grund für dieses destruktive und beziehungsunfähige Verhalten ist, dass andere Menschen dem ENFP nicht wirklich viel bedeuten: es geht nicht um dich, sondern um die Erfahrung mit dir. Was ein ENFP aber schon erfahren hat, interessiert nicht mehr, weil es langweilig ist. In diesem Sinne sind ESFP und ENFP die oberflächlichsten Charaktertypen: es geht um sinnliches bzw. emoitionales sensation seeking.

Dass Menschen, die einfach nur etwas erleben wollen, andere durch ihr Verhalten nicht verletzten, liegt daran, dass sie sofort als oberflächlich abgestempelt werden (was bei einem unreifen ESFP auch der Fall ist), und nicht als tiefgründige und interessante Persönlichkeiten erscheinen wie die ENFPs. Einerseits sind daher jeder Art Beziehungen, insbesondere Freundschaften, wo es weder um eine Funktionsgemeinschaft noch um eine Sexualpartnerschaft geht, zum Scheitern verurteilt, andererseits gerät der ENFP in eine Anspruchshaltung, was Treue, Vertrauen und Loyalität betrifft, und erwartet das, was seinem Wesen nach auf Gegenseitigkeit beruht, als einseitiges Geschenk. Daher auch die Einstellung „Du bist ein schlechter Mensch, wenn du nicht gut zu mir bist, da ich gut zu anderen Menschen bin“, weil der ENFP sich automatisch und leistungslos, per default, für einen guten Menschen hält.   


Der ENFP-Katalysator

Bei einem hypothetisch angenommenen Seelenverwandten ist die Empfindung: "Dich habe ich mein ganzes Leben lang gesucht!", "Und ich empfinde genauso für dich!" Der ENFP-Tornado ist, wahrscheinlich vor allem für extrem introvertierte Charaktertypen, ein Katalysator dieser Empfindung.

Seichtere Charaktere sehen in der ausgeprägten ENFP-Persönlichkeit sofort einen Seelenverwandten, dabei stoßen sie beim ENFP, der gar nicht den Menschen, sondern die Erfahrung mag/sucht/will, auf wenig Gegenliebe; sie fangen an zu klammern und gehen dem ENFP tierisch auf den Sack.

Ich als INTJ verspüre nach der ENFP-Begegnung jedesmal den Wunsch, einen echten Seelenverwandten zu finden; der ENFP-Gefühlstornado bringt die tief in meiner eiskalt rationalen Persönlichkeitsstruktur versteckte Emotionalität hervor, die dann eine Entfaltungsmöglichkeit sucht und in deren Ermangelung platonische Liebe für den ENFP als Quelle dieser Erfahrung entwickelt; mir zu unterstellen, ich sei direkt in den ENFP verliebt, geht mir als INTJ tierisch auf den Sack.