Mittwoch, 10. April 2013

Des Zufalls Hirte




In Hegels Naturphilosophie ist eine Evolution der Lebewesen durchaus möglich, aber nicht notwendig. Die Naturphilosophie nach Darwin geht hingegen von einer durch Zufall geleiteten aber notwendig fortschreitenden Evolution aus. Als Begründung für die immer komplexer werdenden Organismen werden die Nullen hinter der Zahl, die das Erdalter ausdrückt, angeführt: ist die Zeit lang, kann das Undenkbarste passieren. Oder, Polemik beiseite, - warum vertilgt der Zufall nicht die komplexeren Lebensformen kurz nach deren zufälliger Entstehung, wo ihre Ontogenese doch viel störungsanfälliger ist, als die der primitiveren Erdenbürger? Ohne dies zu explizieren, setzt also die moderne Naturphilosophie (die diesen Namen natürlich ablehnt, da sie keine Metaphysik, sondern seriöse Wissenschaft sein will) dem Zufall einen unsichtbaren Hirten vor, der den Zufall mit seinen Würfeln am Nasenring in die Regionen hinaufführt, in denen sich am wahrscheinlichsten drei Sechsen werfen lassen.

Dem Zeitgenossen ist der Hirte unter dem Namen "Evolution" bekannt: die Evolution als tätiges Subjekt der Evolution. Wer Metaphysik verwirft, findet seine Metaphysik in der Zauberei. Der Metaphysiker Hegel weiß hingegen, dass Evolution durchaus nicht widernatürlich ist, was sie aber nicht notwendig macht. Dass die Natur nämlich unter logischen Gesetzmäßigkeiten steht - die in der Naturwissenschaft als Naturgesetze erkannt werden können - , ist noch kein Grund, die ganze Natur unter ein einziges (besonders schönes, elegantes oder einfaches) Gesetz zu zwingen.