Donnerstag, 4. April 2013
Zynische Bescheidenheit
Wer von Liebe spricht, und diese vom vulgären Balzen abhebt, stellt sich unvermeidlich über die Balzenden, für die das Wort Liebe nur eine Floskel ist. Viel sympathischer erscheint jemand, der "erkannt" hat, dass alles eben nur ein Spiel unserer Gene ist, und alles Interesse an dem anderen Geschlecht bloß evolutionär bedingt ist.
Der Romantiker erniedrigt zwar die Eitelkeit des Balztänzers, aber er bietet im Gegenzug etwas Positives an: die romantische Liebe, welcher jedes menschliche Wesen grundsätzlich fähig ist. Jener aber, der den Balztänzer freundlich anguckt, ist ein Zyniker, der das Paarungsspiel ebenso als nichtig enthüllt, aber keine Alternative bietet.
Steht denn der hier Zyniker genannte nicht bescheidenerweise auf derselben Stufe, wie das gemeine Volk? Nein, denn auch er schaut sich die Balztänze von oben an, und "erkennt" sie als evolutionär bedingte Notwendigkeit, und somit in ihrer konkreten Gestalt als beliebig und nichtig. Stünde er auf derselben bescheidenen Stufe wie der Paarungswillige, würde er nicht über das Balzen als Solches nachdenken, sondern darüber, wie er selbst beim anderen Geschlecht erfolgreich werden könnte. Ist er bereits erfolgreich, so ist diese Sache für ihn kein Thema mehr. Wer jedoch selbst die wohlwollendste Sicht auf etwas aus einer höheren Perspektive vertritt, tritt bereits die von ihm wohlwollend Betrachteten, denn er steht mit seiner Perspektive über ihnen.