Freitag, 26. Mai 2017
Fuck Your Hitler
Was soll der Hitler-Wahn? Wozu lernt jeder Depp in der Schule: egal, was ich an Grausamkeiten in meinem Leben anstellen könnte, ich würde niemals so ein Unmenschenabschaum sein, wie es die Nazis waren! Wozu, wenn nicht, um noch abscheulichere Grausamkeiten tatsächlich zu verüben, was aus seiner Sicht nur sportlich wäre. Wer den Leuten eintrichtert, die Vernichtung der Juden durch die Nationalsozialisten sei etwas Einzigartiges und mit Sicherheit das Schlimmste in der Geschichte gewesen, und nicht einmal ein höfliches "hoffentlich" im Hinblick auf die Zukunft hinzufügt, macht sich der Komplizenschaft mit dem bzw. den Bösen von heute schuldig.
Als Christ kennt man diese Ideologie nur zu gut: sie besagt nämlich, der Teufel sei an allem Bösen in der Welt schuld. Heute ist es Hitler. Darum ist heute die Todesstrafe selbst für Figuren wie Dutroux und Fritzl undenkbar: Hitler war ja schlimmer. Als Christ lernt man, zu vergeben. Doch man muss auch lernen, dass ein "Ich vergebe dir" kein "Mach weiter so!" sein darf. Als Holocaust-Anbeter (zur Kritik an diesem furchtbaren wie ein Markenname klingenden Wort lese man Giorgio Agamben: Was von Auschwitz bleibt) lernt man, dass nur der Nationalsozialismus als das Böse bezeichnet werden kann, - für Massenmörder der Drogenkartelle, für Folterer der Geheimdienste, für Kindersoldatenmacher und Sexsklaventreiber gibt es (so human will man heute sein) immer eine küchenpsychologische Entschuldigung. Das geheuchelte Mitgefühl für die toten Juden ergänzt sich perfide mit dem als "Antizionismus" umetikettierten Antisemitismus gegen die lebenden, besonders gegen jene, die sich erdreistet haben, nach jahrhundertelanger Verfolgung einen jüdischen Staat zu gründen. Wer heute nicht pro-israelisch ist, ist ein Schurke; ein "Antizionist", der mit der Auschwitz-Keule um sich schlägt, ist ein verlogener Schurke.
Auch Hitler war einmal ein kleines Kind. Seine Kindheit war furchtbar. Hitler war ein Mensch, kein Monster, und schon gar nicht der Teufel. Damit will ich Hitler nicht verniedlichen, er war abgrundtief böse, aber ich will ihn kleiner machen, da er von der öffentlichen Meinung aberwitzigerweise zum Satan aufgeblasen wird. Man darf ihn auch nicht zu klein machen, doch der große Böse ist schon lange tot, und wird wichtigtuerisch "bekämpft", während die kleineren Bösen von heute, zum Beispiel islamische Judenhasser, besonders von den politisch Linken zu Opfern stilisiert und moralisch unterstützt werden.
Die moralische Arroganz des Alltagsignoranten, der etwa bei Kindesmissbrauch (zur Erinnerung: die Dutroux-Enthüllungen, die Schande von Rotherham, - davon weiß man nichts nur wenn man das allgemein Bekannte absichtlich ignoriert) gern wegschaut, besteht in der felsenfesten Überzeugung, er sei schonmal mit Sicherheit ein besserer Mensch als Hitler. Immerhin. Aber im Ernst? Wer weiß, was der heutige Guidobeknoppte vor der Glotze damals angestellt hätte, hätte er in Adolfs Kinderschuhen gesteckt.
Nun zu all den Nazis. Es gab nicht nur die Nazis, es gab auch die Nazizeit, sprich eine totalitäre Diktatur. Dagegensein war damals noch schicker und schicklicher als heute, aber um ein Verdammtes gefährlicher. Damals hätten sich jene, die heimlich Juden vor der Deportation versteckten, in Lebensgefahr begeben. In welche Gefahr begeben sich heute Menschen, die bei Kindesmissbrauch nicht wegsehen, die bei rassistischer Hetze den Mund aufmachen, die den von heuchlerischen Massenmedien Denunzierten zur Seite stehen? Wer Redefreiheit hat, hat leicht reden. Etwas tun - und dabei vielleicht Fehler machen - soll der Andere. Der Held ist der Dumme.
Ich lese das oben genannte Buch von Agamben, und stelle mir diese "Muselmänner" vor: bis zur Apathie ausgehungerte Lagerinsassen, auf die nur noch die Gaskammer wartet. Vielleicht geht es den heute in ihren Familien sexuell missbrauchten Kindern im Vergleich zu den "Muselmännern" von Auschwitz ganz schön gut, und sie sollen sich nicht so anstellen. Vielleicht erleben zerstörte Kinderseelen ebenfalls unvorstellbare Qualen. Das ist nicht entscheidend. Entscheidend ist, dass es die Nazilager nicht mehr gibt, während jeden Tag in diesem Land Kinder vergewaltigt und sexuell gequält werden. Es ist zu bequem für den wegschauenden Schaulustigen, sich das große Grauen aus vergangenen Zeiten vorzustellen, um das kleine Grauen unserer Tage guten Gewissens ignorieren zu können.
Wem nützt die ewige Präsenz des untoten Führers in den scheinheiligen Medien und den hohlen Köpfen? Was soll dieser endlose Hitler-Hype, der ganz sicher nicht der Aufarbeitung der Nazi-Vergangenheit dient (so verlogen, dies zu behaupten, sind nicht einmal die Medien, die zynisch wie ehrlich zugeben, dass sich mit Hitler Geld verdenen lässt)? Hier einige Thesen, wozu der brennende Hitler-Busch so nachhaltig am Brennen gehalten wird:
1. Hitler ist das Nonplusultra des Bösen, der Größte in seiner Disziplin. Der Zweitplatzierte interessiert niemanden, man will es als Verächter oder Bewunderer, als Kritiker oder Verspotter immer mit dem Besten seiner Sportart zu tun haben. Wer über das Böse reden will, muss über Hitler reden. Das kleinere Böse unserer Zeit bleibt unbehelligt.
2. Hitler ist der Gipfel der Empörung; es kann keine größere, wütenderere, moralischere Empörung geben, als im Zusammenhang mit Hitler und den Nazis. Aktuelle Missstände werden aus dem Bewusstsein verdrängt - zugunsten einer leidenschaftlichen Diskussion darüber, ob man über Hitler lachen und Autobahn sagen darf.
3. Hilter ist tot und besiegt, er kann sich in seine Vergötterung bzw. Verteufelung nicht mehr einmischen. Die toten Nazis können sich nicht wehren. Problembären unserer Zeit geht man so, ohne sich Feigling nennen zu müssen, aus dem Weg, und kämpft dafür umso mutiger und aufopferungsvoller gegen das vergangene und untergegangene Dritte Reich.
4. Hitler ist die schwerste Keule, die jedem Deutschen auf den Hinterkopf geknallt wird, der sich beschwert, dass die deutsche Politik nicht im Interesse des deutschen Volkes agiert, sondern die Bestellung bestimmter im Hintergrund rauschender Gestalten abarbeitet. Solange Deutschland sich mit Hitler identifizieren muss, wird es politisch und moralisch unmündig bleiben.
5. Hitler lenkt - wem die vierte These zu rechts war, darf sich jetzt über eine linke These freuen - von der kapitalistischen Barbarisierung der Gesellschaft ab; wer sich über die unerträgliche Ausbeutung beschwert, wird mit dem Dogma der Kollektivschuld des ganzen Volkes vor Gott und Hitler moralisch empörungsunberechtigt gehalten.
6. Hilter verhindert jede sachliche Diskussion, polarisiert emotional, und spaltet die Gesellschaft in verfeindete Lager, die sich Hitler gegenseitig vorwerfen. Hitler teilt, damit andere Schurken herrschen können.
Damit erschöpft sich die Wirkungsweise der Allzweckwaffe Hitler noch lange nicht, doch das Prinzip ist klar, und mehr Zeit will ich Hitler und den mit ihm in Hassliebe verbundenen Heuchlern nicht opfern.