Samstag, 31. März 2018
Mediokritäre Selbstgefälligkeit
Das atheistische Weltbild erklärt das Alltägliche und Gewöhnliche viel besser als jede Religion. Mit humanistischer Ethik ist die atheistische Weltanschauung jeder religiösen überlegen, denn so gut wie jede Religion basiert auf bestenfalls peinlichen und abscheulichstenfalls grausamen Mythologien und Gottesbildern.
In Extremsituationen allerdings hat der Atheismus nur betretenes Schweigen als Antwort, genauso wie der Utilitarismus, dessen Klugheit sich in der Verteilung von Glücksgütern erschöpft, und bei der Betrachtung von Leid kläglich versagt. Die Extremsituation ist das Entscheidende, auch wenn die meisten Menschen medioker oder gar tierisch dahinleben, und niemals mit großem Leid konfrontiert werden, – ihrem Leben kommt keine Wirklichkeit zu, sie sind bloß zufällige Existenz. Wer die höchste Bedeutung des großen Leids für die conditio humana bestreitet, offenbart nur seine eigene Bedeutungslosigkeit.
Welche Antwort hat also eine auf wissenschaftlicher Methode und dem Humanismus aufbauende Weltanschauung auf die Frage nach dem unerträglichen Leid und der letzten Gerechtigkeit? Keine – das ist die Antwort eines ehrlichen Atheisten, der sich aufrichtigerweise zum Nihilismus bekennt. Wer sich nicht zum Nihilismus bekennen will, aber auf der atheistischen Weltanschauung ostentativ beharrt, zeigt einerseits seine mediokritäre Selbstgefälligkeit und andererseits völlige Ignoranz für die großen Fragen, die seine gemütliche mittelmäßige Lebenswelt nicht tangieren.
Freitag, 30. März 2018
Atheistischer Altruismus
Der zeitgenössische Utilitarist Peter Singer hält den Menschen mit ungenierter Selbstverständlichkeit für ein bloßes Tier, fordert aber, dass jeder mindestens 10% seines Einkommens für Entwicklungshilfe spendet, und auch sonst seinen Mitmenschen hilft, wo er nur kann, und stellt dies sogar ethisch höher als individuelle Selbstverwirklichung (obwohl er solch radikaler Individualist ist, dass er nicht von Affen und Menschen, sondern von Individuen spricht: dieser Mensch, dieser Gorilla, und folglich Menschenrechte für Tiere fordert).
Vom Ergebnis her gesehen, ist Singers Einstellung lobenswert, was aber ihre logischen Voraussetzungen betrifft, erweist sie sich als beliebig, und darum ethisch unhaltbar. Der Selbstwiderspruch ist folgender: warum soll ich, einzigartiges Individuum, meine Selbstverwirklichung zurückstellen, damit andere Individuen, die nicht Ich sind, ein besseres Leben haben, - wenn der Individualismus so weit gehen soll, dass er zwischen Menschen und Tieren keinen Unterschied macht? Individualismus bedeutet: meine Bedürfnisse (z. B. in die Oper gehen zu können und einen großen Geländewagen zu fahren) sind wichtiger als Hunger und Krankheit der Menschen in armen Ländern. Altruismus bedeutet: es zählt nicht, wessen Bedürfnisse befriedigt werden, sondern welche. Somit wäre es wichtiger, arme Menschen zu heilen, als Steuergelder für luxuriöse Opernhäuser zu verschwenden.
Der offensichtliche Selbstwiderspruch wiegt hier jedoch nicht so schwer wie das Fehlen einer ideellen Basis für Altruismus und Utilitarismus im Allgemeinen: die meisten Menschen sind schlecht, einige böse, nur wenige gut. Warum soll ich mich um das Wohlergehen schlechter Menschen kümmern, oder gar meine Lebenszeit und mein Geld dafür opfern, um ihnen zu helfen? Was ist gut daran, dass es schlechten Menschen gut geht? Eine schwache Erwiderung wäre: aber hin und wieder trifft deine Hilfe auch einen guten Menschen! - Wenn wir nun den Unterschied zwischen guten und schlechten Menschen fallen lassen, müssen wir fragen: was geht es mich überhaupt an, wie es anderen Menschen geht?
Mit Kant ist die Sache klar: der kategorische Imperativ fordert in seinen logischen Ableitungen, sich selbst immer der Glückseligkeit würdig zu verhalten, und das Wohl seiner Mitmenschen zu befördern (denn ich bin machtlos, zu bewirken, dass sich andere Menschen moralisch verhalten). Wenn ich Gott als den transzendentalen Garanten für das höchste Gut (das Zusammenfallen von Würdigkeit und Glückseligkeit in einer anderen Welt) annehme, macht es Sinn, selbst schlechten Menschen zu helfen, weil es für diese einen Sinn hat, sich zu bessern.
Wenn anstelle Gottes das große Nichts auf alle wartet, habe ich keine Veranlassung zu glauben, dass ein egoistischer Mensch zu seinem eigenen Nachteil handeln und sich moralisch bessern wird; nicht dass ich aus moralischen Gründen bereits im Konkurrenzkampf mit ihm im Nachteil wäre (aus der moralisch gebotenen Rücksicht), nein, ich soll auch noch sein Wohl befördern!? Der Schlechte lebt nach seiner Lust, und der Gute soll seine Bedürfnisse zurückstellen und ihn dabei unterstützen?
Dienstag, 27. März 2018
Rapekultur und Realität
Vergewaltigungsphantasien lassen wir hier außen vor, denn selbst wenn wir davon ausgehen, dass die Dunkelziffer stimmt, und fast alle Frauen diese Phantasien haben, so hat kein Mann (und keine Frau) das Recht, diese Phantasien Realität werden zu lassen. So wie es etwa 1% Kernpädophile, aber mindestens 100% Pädophile im weiteren (und für nicht nur schöne Kinder gefährlichen) Sinne in jeder Bevölkerungsgruppe gibt (was jede seriöse Attraktivitätsforschung bestätigt), gibt es eine kleine Prozentzahl von Hardcore-Gewaltsexuellen, aber eine überwältigende Mehrheit von Menschen, für die Sexualität untrennbar mit Gewalt verbunden ist (weil sie das an sich ist). Die gesellschaftliche Realität ist jedoch ein Filter, der die wahre Natur der Natur (nicht des Geistes) des Menschen im Zaum hält, und nur zu einem sozial verträglichen Bruchteil zur Entfaltung kommen lässt.
Derzeit wird weltweit eine angebliche Vergewaltigungskultur (rape culture) diskutiert: viele Männer ignorieren angeblich, wenn eine Frau Nein sagt, und nutzen uneindeutige Situationen, um Frauen zu vergewaltigen. Die Empfehlung an Frauen lautet daher, sich eindeutig zu verhalten, und die Empfehlung an Männer lautet, nur dann Sex zu haben, wenn eine Frau eindeutig Ja gesagt hat. Nun entspricht das eindeutige Ja oder Nein nicht dem weiblichen Gender, weshalb Frauen, die sich an die Eindeutigkeitsempfehlung halten, unweiblicher (auch unkindlicher) und damit unattraktiver werden. Männer, die Eindeutigkeit von Frauen verlangen, sind, abgesehen von der mehr als berechtigten Angst vor Falschbeschuldigungen, dermaßen sozial inkompetent, dass sie die Sprache des weiblichen Genders nicht verstehen können (was bei modernen und postmodernen Männern die Regel, nicht die Ausnahme ist).
Unfähigkeit zur Kommunikation kann keine Entschuldigung für sexuelle Übergriffe sein, denn im Fall eines Missverständnisses wie generell im Zweifelsfall ist Zurückhaltung die beste Option; wer aber so geil ist, dass er eine versehentliche (oder im Nachhinein erfundene) Vergewaltigung riskiert, ist in beiden Fällen selber schuld. "Aber es muss doch eine Möglichkeit geben, sorgenfrei Sex zu haben!" - nein, muss es nicht, und selbst die Natur hat sorgenfreien Sex nicht vorgesehen, und droht vielmehr mit ungewollten Schwangerschaften und tödlichen Geschlechtskrankheiten. Die Sphäre des Sexuellen müsste, um Frauen vor Vergewaltigungen und Männer vor Falschbeschudigungen zu schützen, in einem solchen Ausmaß verrechtlicht und reglementiert werden, dass Sex bald mehr Unbehagen als Lust auslöst, und daher zugunsten der Masturbation aufgegeben wird.
Rettet den Sex! - ist eine törichte Mahnung an alle Beteiligkeiten, denn der Sex, die Natur, wird sich seinen/ihren Weg durch die dünne Kruste der Kultur und Zivilisation auch ohne unsere Hilfe bahnen. Erkennt, was Sex ist! - wäre die notwendige Aufforderung an alle, denn wer nicht weiß, wie die menschlichen Triebstrukturen funktionieren, wird beim Kampf gegen gesellschaftlich unerwünschte Sexualität massenhaft Perversionen, sexuell Gestörte und sadistische Ersatzhandlungen verursachen. Wer erkennt, was Sex ist, verliert viele Illusionen auf einmal, so auch die Illusion von den friedfertigen Frauen (von denen, wie seriöse Studien zeigen, genausoviel sexuelle und andere Gewalt ausgeht wie von Männern). Ist das eigentliche Problem also die menschliche Natur oder unsere Zivilisation, die die natürlichen Triebe aus Unwissenheit und Ignoranz falsch angeht, und zu Perversionen werden lässt? Solange diese Frage, wie auch die Frage nach einem für alle akzeptierbaren gesellschaftlichen Umgang mit Sexualität nicht gelöst ist, wäre die vernünftigste Empfehlung ein Jahr (oder Jahrzehnt oder Jahrhundert) der Besinnung, in dem alle enthaltsam leben und über Sexualität nachdenken, bis jemandem eine Lösung einfällt.
Samstag, 24. März 2018
Virtue Signalling
Das Besondere am Gutmenschentum bzw. an der "Virtue Signalling" genannten Heuchelei ist die dominante narzisstische Komponente. Sie wollen nicht bloß päpstlicher als der Papst sein, sondern sie gehen davon aus, dass alle anderen ihnen allein für die bloße Erklärung der guten Absicht etwas schuldig sind. Die gute Absicht wird allerdings nur zum Schein verfolgt und verpflichtet zu nichts. Die narzisstischen Heuchler unserer Zeit sind solipsistisch und ignorant, predigen die Weltrettung und verbleiben selbstgefällig in ihrer Hipster-Bequemlichkeit. Das ist ein dekadentes, passiv-aggressives Pharisäertum.
Freitag, 23. März 2018
Freiheitsmaterialismus
Vorweg drei unedle Wahrheiten:
1. Organismen sind Selbsterhaltungssysteme (Evolutionsbiologie).
2. Lebewesen sind Systeme mit unterschiedlich vielen Freiheitsgraden (Daniel Dennett).
3. Psychische Krankheiten haben alle dieselbe Ursache: Überforderung durch Komplexität (Jordan Peterson).
Die Welt entsteht konstruktivistischerweise im Kopf, und so kann (3) nur die Komplexität der eigenen Freiheitsgrade (2) die Ursache für Wahnsinn sein. Das menschliche Gehirn hat unzählige Freiheitsgrade, und ist somit ein sehr störungsanfälliges System. Dieses System wird durch Überforderung zerstört und hat damit ein vitales Interesse (1) an der Verringerung von Freiheitsgraden.
Freiheitsgrade können zum Schutz vor Überkomplexität durch systemimmanente Beschränkungen begrenzt werden (angeborene Behinderungen wie Autismus) oder durch transsystemisch erziele Freiheitsblocker wie Religion und Moral. Es ist Tatsache, dass religiöser Glaube die Arbeit des Denkens im Gehirn verringert, und dass Autisten Gerechtigkeitsfanatiker sind. Während Religion die Fähigkeit zur Erschließung von zusätzlichen Freiheitsgraden blockiert, schränkt Moralität, die auf den Grundsätzen von Gerechtigkeit und Gesetzmäßigkeit beruht, die bereits vorhandenen Freiheitsgrade ein. Moralität ist erlernter Autismus; Religion ist erlernte Dummheit bzw. antrainierte Hemmung der Denkarbeit, wenn Denken ein Erschließen zusätzlicher Freiheitsgrade ist.
Das System menschlicher Organismus (und das Gehirn als zentraler Bestandteil des Systems) strebt nach Selbsterhaltung (1), und bedient sich dabei so vieler Freiheitsgrade (2), dass Überkomplexität und damit Überforderung für das System entsteht (3). Um zu überleben, muss das System die Überforderung verhindern, und bedient sich dabei einersteits der intrasystemischen Freiheitsblocker (das Unbewusste als Autopilot bei allen oder Behinderungen wie Autismus bei manchen menschlichen Gehirnen) und andererseits der intersystemischen Kontrollmechanismen wie Moralität, Religion und staatliche Ordnung. Die Letztere ist ein künstliches Hilfsmittel, das überschüssige Komplexität absorbiert, wie der Taschenrechner das Kopfrechnen entlastet.
Das Ich ist eine Schleife der Selbstbezüglichkeit. „Ich“ ist keine Entität, sondern eine Funktion des Systems Organismus/Gehirn, die in der Produktion von komplexitätsreduzierenden Loops besteht: ein geschlossener Kreis bildet eine qualitative Grenze für quantitativ potentiell unendliche Freiheitsgrade. Da der Speicherraum des Gehirns begrenzt ist, würde das Weiterdenken über die vorhandenen Kapazitäten hinaus das System zum Absturz bringen. Als Schutzmechanismus entsteht die Reflexivität, die die Ich-Illusion erzeugt. Das epiphänomenale Nebenprodukt der Ich-Schleife ist die Funktion „Wahrheit“, die Einbahnigkeit (Narrativität) des Bewusstseins. Was von „mir“ als mein Bewusstsein erlebt wird, ist die stärkste Ich-Schleife, die mein Gehirn produziert. Wenn Menschen sich „ändern“, ringt eine andere Ich-Schleife die bisher dominierende nieder, und sorgt epiphänomenologisch (im Sinne von bewusstseinsintern-phänomenologisch) für ein anderes Narrativ; so funktioniert „Persönlichkeitsentwicklung“, ein intraorganismischer evolutionsbiologischer Prozess.
Die Illusion der ersten Person wird durch Schleifen der Selbstbezüglichkeit erzeugt und durch Wiederholung und Erinnerung intensiviert. Da die Ich-Schleife Energie spart und Komplexität reduziert, sind schleifenartige Denkprozesse Attraktoren, die sich selbst erzeugen und verstärken. Wiederholung und Erinnerung finden durch Assoziation statt und nicht durch logische Kontinuität, welche eine Rationalisierung im Nachhinein im Freudschen Sinne ist. Neuronen, die nebeneinander feuern, feuern erst durch Zufall und dann, wenn die Signalbündelung eine Schwelle überschreitet, systematisch miteinander, bis schließlich assoziativ ein Gefühl der Erste-Person-Erfahrung entsteht. Das permanente Ich-Bewusstsein wird durch ständigen Reupload der Loops verstärkt und erneuert; der Erinnerungs-Loop sorgt für die zweite Ordnung der Selbstbezüglichkeit, die Reflexion der Reflexion, und hat für den Energiesparmodus „Ich“ eine immunisierende Funktion: da sich die Ich-Schleife ständig zerstreut, sorgt der Erinnerungs-Loop für eine Neuanordnung der im Ich-Modus feuernden Neuronen; „das Ich“ verändert sich fortwähend, wird aber durch den Erinnerungs-Loop in der Illusion der Kontinuität festgehalten. Der Ich-Prozess wird selbstähnlich wiederholt, und als konsistent erinnert, obwohl sich abwechselnde Neuronenhaufen in den gerade verfügbaren Hirnarealen ständig ein neues Ich-Gefühl produzieren. Als Glück wird die Auflösung der Ich-Schleife in der äußerlichen Beschäftigung erlebt: das Gehirn geht in einer Tätigkeit auf und erlebt einen „Flow“. Mangelnde Beschäftigung erzeugt im Gehirn verstärkte selbstreflexive Schleifen, da die Ich-Funktion bei Reizmangel ein Attraktor für die Neuronen ist. Wer „sich langweilt“, hat im Gehirn zu viele unterforderte Neuronen, die sich in den Energiesparmodus „Ich“ begeben, diesen aber bei bleibendem Reizmangel verstärken und übertreiben, weshlab Langeweile erstens als leidvoll erlebt wird, und zweitens als Abfallprodukt Empfindungen wie Trauer, Sehnsucht und Eisamkeit produziert.
Eine angst- und traumabedingt vergrößerte Amygdala sorgt vermutlich für verstärkte Wiederholungs- und Erinnerungs-Loops, so dass ein traumatisierter Organismus es mit der Vereinfachung der Weltwahrnehmung durch eine übersteigerte Ich-Funktion übertreibt. Dadurch entsteht die empiphänomenal als Leid bekannte Funktion der Über-Erinnerung und Über-Identifikation durch beschleunigte Wiederholung. Wird die Ich-Funktion übermäßig betätigt, verbraucht sie mehr Energie als sie spart, was zu Erschöpfungserscheinungen wie Hoffnungslosigkeit und Depresssivität führt. Da die Ich-Funktion mit der Reflixivität zweiter Ordnung eine positiv rückgekoppelte Funktion ist, verstärkt sie sich trotz destruktiver Effekte selbst, und kommt erst beim Ich zweiter Ordnung, dem Über-Ich, zur Ruhe. Stiftet das Ich erster Ordnung Identität und die Illusion von Kontinuität, so sorgt das Ich zweiter Ordnung, das Über-Ich, für ein Sinn-Gefühl. Das Ich zweiter Ordnung ist mit dem Ich erster Ordnung negativ rückgekoppelt, und so wird „Gott“ als äußere, meist repressive, Instanz erlebt. Bei besonders leistungsstarkem Denkvermögen, sprich bei höherer Intelligenz, gerät die Reflexion zweiter Ordnung selbst ins Bewusstsein, und als Betriebsunfall entsteht mathematisches und philosophisches Denken.
Freitag, 16. März 2018
Trümmerfrauen
Während Männer in malerischen Gefechten freudevoll ihr Leben lassen, bleiben in der tristen Heimat die traurigen Trümmerfrauen zurück; Männer dürfen sich an der Front wie spielende Kinder austoben, Frauen müssen zu Hause den Schutt der Kriegsverwüstungen aufräumen.
Männer wollen frei sein, Frauen leiden folglich an einem ungemütlichen Mangel an Sicherheit. Immer wenn sich Männer von Frauen emanzipieren, zerbrechen infantile Kastensysteme, und auf einmal kann jeder alles werden: ein Bauernsohn wird ein großer Wissenschaftler, eine Arbeitertochter wird erfolgreiche Unternehmerin. Ein trockener Alptraum, denn wenn jeder alles gewinnen kann, kann auch jeder alles verlieren.
Seit einiger Zeit kämpfen der bevormundende Staat, die gleich zum Wohle der Habenden geschalteten Medien und die alleinerziehenden Mütter aufopferungsvoll gegen die Freiheit, Verzeihung, für die Sicherheit, und zwar indem sie Männer und Jungen für sich selbst aufopfern. Bald werden diese testosterongesteuerten Bestien gezähmt sein, und wir werden wieder in Höhlen leben und nachhaltig wirtschaften.
Jeder Mann, der zum Mann wird, weiß: du bist, was du tust. Jede Frau weiß von Natur aus: du bist, was du hast. Da man zum Mann erst werden muss, sind die Männer das schwächere Geschlecht. Nachdem ein Mann zum Mann geworden ist, wird er noch schwächer: er fühlt sich bestimmten Werten, Normen, Idealen verpflichtet, und ordnet seine Triebe und Wünsche ihnen unter. Die Frau unterstützt ihn dabei, aber nur solange wie er vom Menschen spricht und nur sich selbst, den Mann, damit anspricht: der Mann soll sich ruhig verpflichtet fühlen, sei es durch Religion oder Vernunft, und er soll seine Geschlechtsgenossen zwingen, wenn deren selbstsüchtige Wünsche der Pflicht zuwiderlaufen. Wenn der Mann dasselbe auch von der Frau fordert, wird seine Religion für ein patriarchales Machtinstrument erklärt, und seine Vernunft als ein männlicher Logozentrismus relativiert.
Warum soll man ein Mann werden wollen? Ein Junge kann auch infantil bleiben, und auf jede sittliche oder moralische Forderung, dem Beispiel seiner Mutter und Schwester folgend, erwidern, sie sei diskriminierend, und missachte seine wahren Bedürfnisse und Wünsche. Wenn sich jeder Mann endlich um seine eigenen Bedürfnisse und Wünsche kümmert, hört der alberne kindische Krieg gegen die äußere und innere Natur auf, und wir alle dürfen als Trümmerfrauen des Nihilismus den Planeten erstmal gründlich aufräumen, was keineswegs im martialisch-metaphorischen Sinn gemeint ist, sondern im Sinne einer routinierten Putzfrau. Dass uns keiner später dafür Denkmäler bauen wird, müssen wir freilich in Kauf nehmen.
Dienstag, 13. März 2018
Der Fortschritt und die Frau
Sollte ich Vater werden wollen, so würde ich auf die Erfindung der künstlichen Gebärmutter warten, denn es ist frauenfeindlich, Frauen als Gebärmaschinen zu benutzen. Natürlich würde ich nicht heiraten, sondern alleinerziehender Vater sein, denn es ist sexistisch, einer Frau die Mutterrolle aufzubürden, nur weil sie eine Frau ist. Ich bin zwar heterosexuell, aber ich würde auch keine sexuelle Beziehung zu einer Frau eingehen, denn es ist sexistisch, Frauen als Sexualobjekte zu betrachten, - und wenn schon die künstliche Gebärmutter erfunden ist, dann sind Sexroboter längst Normalität geworden.
Montag, 12. März 2018
Ist Enthaltsamkeit eine moralische Leistung?
Es gibt Menschen, die kein Verlangen nach Sex verspüren (zumindest behaupten das manche von sich, und haben bereits eine Asexuellenbewegung ins Leben gerufen). Wenn diese Menschen auf Sex verzichten, ist der Wert ihrer Leistung exakt Null, denn sie kämpfen mit ihrem Verzicht gegen kein Verlangen an. Es gibt Menschen, die schon als Dreijährige eine Viertelstunde auf zwei Kekse warten konnten, anstatt einen Keks sofort zu essen (ein wichtiges psychologisches Experiment, das schon bei Kleinkindern Vorhersagen mit hoher Wahrscheinlichkeit über ihre zukünftige Leistungsfähigkeit erlaubt). Diese Menschen schieben ihren Sex auf, weil sie lieber später guten Sex als sofort schlechten Sex haben wollen. Im Extremfall geht das so weit, dass sie ihr ganzes irdisches Leben lang enthaltsam leben, weil sie im Jenseits eine Belohnung dafür erwarten, die natürlich jeden im Diesseits möglichen Sex in den Schatten stellt. Die Enthaltsamkeit dieser Menschen ist zwar eine Leistung, aber keine moralische, denn sie beruht auf einem Handel: heute verzichten, morgen genießen.
Vom nihilistischen Standpunkt ist es nicht zu erklären, warum manche Menschen nach absoluten moralischen Prinzipien handeln. Menschen, die nach dem Prinzip leben, andere immer als Selbstzwecke zu behandeln, und niemals als bloße Mittel zum Zweck, werden auf Sex verzichten, weil der andere beim Sex auf ein Lustobjekt reduziert wird, und somit seine Menschenwürde verliert. Ein Mensch mit einem starken sexuellen Verlangen, der aus Prinzip auf Sex verzichtet, vollbringt eine moralische Leistung, - jedoch nicht immer, denn das Prinzip selbst kann auch nicht-moralischer Natur sein. Ein Mensch, der viele Demütigungen und Enttäuschungen erfahren hat, und der sich darüber im Klaren ist, dass sein soziosexueller Status eher niedrig ist, wird, anstatt sich um niedrigrangige Sexualpartner zu bemühen, lieber gänzlich auf Sex verzichten, aber nicht aus moralischen Gründen, sondern aus verletztem Stolz. Er wird sich aus einer selbstsüchtigen Trotzreaktion heraus für etwas Besseres halten, wird aber beteuern, auf Sex aus moralischen Gründen zu verzichten. Rein technisch ist sein Verzicht eine Leistung, moralisch aber eine Heuchelei.
Eine moralische Leistung wird beim Sexverzicht erbracht, wenn ein Mensch, der in einer nihilistischen Gesellschaft lebt, - wenn seine moralischen Prinzipien überhaupt nicht gewürdigt werden, und ihm stattdessen Befriedigungsaufschub, Heuchelei oder sexuelles Nichtkönnen vorgeworfen werden, - und allein aus moralischer Pflicht, seine Mitmenschen stets als Selbstzwecke zu behandeln, und deren Würde niemals mit Füßen oder Genitalien zu treten, auf Sex verzichtet.
Samstag, 10. März 2018
Zum Beispiel
Universitätsphilosophie ist langweilig, aber man lernt, wenn man sie ernsthaft betreibt, wenigstens so gründlich wie nirgends sonst, wie nichtig alles ist, was wir vom Schein zum Sein erheben. Dazu muss man aber dicke und schwere Bücher lesen, daraus besteht 90% des Studiums, und der Rest ist das Gequatsche in Seminaren und das Anhören von Vorlesungen. In Vorlesungen werden so gut wie immer Beispiele gebracht, um das Gesagte zu verdeutlichen. So forderte ein Dozent, der den Hedonismus widerlegen wollte, alle, die ihrem realen armseligen (das Wort hat er leider nicht gesagt) Leben, das sie derzeit führen, ein - an entsprechende technische Geräte angeschlossen - glückliches, aber simuliertes Leben vorziehen würden, sollten bitte die Hand heben. Da er vollends überzeugt war, dass keine Hand hochgehen würde, redete er sofort weiter, während in der hinteren Reihe einer die Hand hob: das war ich. Nun musste er nachfragen, warum, und alle hörten zu. Ich war aber erst im 3. Semester, und war über den vorphilosophischen Skeptizismus noch nicht hinaus, also sagte ich nur: woher weiß ich denn, dass dieses meist leidvolle und offensichtlich ziemlich sinnlose Leben nicht ebenfalls eine Simulation ist, vielleicht ein Scherz eines sadistischen Gottes?
Es wäre schön, wenn es eines Tages tatsächlich möglich wäre, solche Realitätssimulatoren zu erfinden. Dann würde der Dozent mich auffordern, mich in so ein Ding reinzulegen, und in den nächsten zehn Minuten zehn glückliche Jahre realitätssimuliert zu erleben. Dann würde er mich aufwecken und fragen: bist du jetzt glücklich? Nein, würde ich sagen. Was fehlt denn, würde er vielleicht fragen. Dass ich mich dabei der Glückseligkeit nicht würdig gefühlt habe, würde ich mit Kantkenntnissen angeben. Weitere zehn Minuten für weitere zehn Jahre der simuliert-verdienten Glückseligkeit würden mich auch nicht zufriedener machen. Aber es ist immer noch ein Glück darüber hinaus vorstellbar, würde ich sagen. Weitere zehn gefühlte Jahre würde ich sodann genießen und schweigen. Und nun, zufrieden? Nein, würde ich sagen, denn seit es diese Realitätssimulatoren gibt, kann jeder Depp dasselbe erleben, wie ich, ja selbst meine schönsten Träume könnten sich für jeden Arsch einfach mal so am Dienstagnachmittag erfüllen. Siehst du, hätte er gesagt, der Hedonismus hat Unrecht. Aber nein, hätte ich widersprochen, ein Hedonismus, der die größte Quelle der Lust, die Eitelkeit, außer Acht lässt, kann gar nicht befriedigend sein, - sobald ich aber weiß, dass meine schönsten Träume für mich persönlich reserviert sind, und zu Mädchen, Landschaften und Vergnügen, die nur für mich bestimmt sind, kein anderer jemals Zugang haben wird, ob real oder simuliert, sobald mein Leben aus einer endlosen Reihe von Versicherungen besteht, dass ich die wertvollste Person im Universum bin, und alle Lust ihre tiefe Ewigkeit bekommt, ist es mit herrlich egal, wie mein Leben technisch zustande kommt, und was die logischen und ontologischen Bedingungen für meine Existenz sind. Mit Beispielen sollte man also sehr vorsichtig sein, denn sie verführen oft zu Denkweisen, die niederzumachen sie eigentlich erdacht wurden.
Sonntag, 4. März 2018
Die Welt ist schlecht - und?
Dass die(se) Welt schlecht ist, ist selbstevident. Lebensbejahung bedeutet nicht, das Schlechte zu leugnen und eine schlechte Welt als gut zu verklären. Die authentische Erfahrung des Schlechten als Schlechtes zu verleugnen, und stattdessen das Schlechte in sich selbst zu suchen, ist nicht Lebensbejahrung, sondern Selbsthass. Die Welt ist schlecht, das ist wahr. Ist dennoch eine lebensbejahende und dennoch wahrhaftige Lebenseinstellung möglich?
Ja. Jede manifeste Wirklichkeit ist ein Schlachtfeld im Krieg von Gut und Böse. Durch den Parasitismus des Bösen, durch das Herunterziehen der an sich guten Weltsubstanz seitens selbstsüchtiger Einzelwesen mit Willensfreiheit, fällt Substanz vom Guten ab, und das Schlechte entsteht. Betrachtet man das Schlechte als einen Mangel des Guten, der durch einen guten Willen behoben werden kann, bejaht man das Leben. Betrachtet man das Schlechte als unwiederkehrbar dem Bösen verfallen, verneint man das Leben.
Die Frage, ob es besser ist, dass etwas, und nicht nichts existiert, kann man für sich beantworten, indem man seine tatsächliche Einstellung gegenüber dem Schlechten erforscht. Wer das Schlechte mit dem Bösen gleichsetzt, muss das Sein (genauer: die manifeste Existenz) verneinen. Wer im Schlechten einen korrigierbaren Mangel des Guten sieht, hat eine lebensbejahende Grundeinstellung.
Der Buddhismus z. B. ist eine lebensverneindende Religion. Der Hinayana-Buddhismus verneint das Sein als solches, der Mahayana-Buddhismus verneint nur die manifeste Existenz. Der Buddhismus ist ein moralisch guter Nihilismus. Lebensbejahende Weltanschauungen, die Gut und Böse leugnen, sind trotz ihrer Lebensbejahung nihilistisch, und stehen für einen subjektiv amoralischen und objektiv unmoralischen Nihilismus.
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