Samstag, 10. März 2018

Zum Beispiel





Universitätsphilosophie ist langweilig, aber man lernt, wenn man sie ernsthaft betreibt, wenigstens so gründlich wie nirgends sonst, wie nichtig alles ist, was wir vom Schein zum Sein erheben. Dazu muss man aber dicke und schwere Bücher lesen, daraus besteht 90% des Studiums, und der Rest ist das Gequatsche in Seminaren und das Anhören von Vorlesungen. In Vorlesungen werden so gut wie immer Beispiele gebracht, um das Gesagte zu verdeutlichen. So forderte ein Dozent, der den Hedonismus widerlegen wollte, alle, die ihrem realen armseligen (das Wort hat er leider nicht gesagt) Leben, das sie derzeit führen, ein - an entsprechende technische Geräte angeschlossen - glückliches, aber simuliertes Leben vorziehen würden, sollten bitte die Hand heben. Da er vollends überzeugt war, dass keine Hand hochgehen würde, redete er sofort weiter, während in der hinteren Reihe einer die Hand hob: das war ich. Nun musste er nachfragen, warum, und alle hörten zu. Ich war aber erst im 3. Semester, und war über den vorphilosophischen Skeptizismus noch nicht hinaus, also sagte ich nur: woher weiß ich denn, dass dieses meist leidvolle und offensichtlich ziemlich sinnlose Leben nicht ebenfalls eine Simulation ist, vielleicht ein Scherz eines sadistischen Gottes?

Es wäre schön, wenn es eines Tages tatsächlich möglich wäre, solche Realitätssimulatoren zu erfinden. Dann würde der Dozent mich auffordern, mich in so ein Ding reinzulegen, und in den nächsten zehn Minuten zehn glückliche Jahre realitätssimuliert zu erleben. Dann würde er mich aufwecken und fragen: bist du jetzt glücklich? Nein, würde ich sagen. Was fehlt denn, würde er vielleicht fragen. Dass ich mich dabei der Glückseligkeit nicht würdig gefühlt habe, würde ich mit Kantkenntnissen angeben. Weitere zehn Minuten für weitere zehn Jahre der simuliert-verdienten Glückseligkeit würden mich auch nicht zufriedener machen. Aber es ist immer noch ein Glück darüber hinaus vorstellbar, würde ich sagen. Weitere zehn gefühlte Jahre würde ich sodann genießen und schweigen. Und nun, zufrieden? Nein, würde ich sagen, denn seit es diese Realitätssimulatoren gibt, kann jeder Depp dasselbe erleben, wie ich, ja selbst meine schönsten Träume könnten sich für jeden Arsch einfach mal so am Dienstagnachmittag erfüllen. Siehst du, hätte er gesagt, der Hedonismus hat Unrecht. Aber nein, hätte ich widersprochen, ein Hedonismus, der die größte Quelle der Lust, die Eitelkeit, außer Acht lässt, kann gar nicht befriedigend sein, - sobald ich aber weiß, dass meine schönsten Träume für mich persönlich reserviert sind, und zu Mädchen, Landschaften und Vergnügen, die nur für mich bestimmt sind, kein anderer jemals Zugang haben wird, ob real oder simuliert, sobald mein Leben aus einer endlosen Reihe von Versicherungen besteht, dass ich die wertvollste Person im Universum bin, und alle Lust ihre tiefe Ewigkeit bekommt, ist es mit herrlich egal, wie mein Leben technisch zustande kommt, und was die logischen und ontologischen Bedingungen für meine Existenz sind. Mit Beispielen sollte man also sehr vorsichtig sein, denn sie verführen oft zu Denkweisen, die niederzumachen sie eigentlich erdacht wurden.