Montag, 4. Juni 2018
Woran ich nicht glaube
Ich glaube an einen Gott, der mir den Seelenfrieden bringt, der meinen ruhelosen Geist zur Ruhe bettet und wie ein allumfassendes Nichts am Friedhof über meinem verwesenden Körper wacht. Ich glaube an einen Mann, der sich vor 2000 Jahren dafür aufopferte, dass ich heute ein schlechtes Gewissen habe und sinnlose Gebote und Verbote befolge. Ich glaube an einen Übervater, der mir einen freien Willen gegeben hat, um sich daran zu ergötzen, dass dieser Wille gegen das von ihm bestimmte Schicksal nichts vermag, und bin froh, ein Gefäß für seinen göttlichen Urin zu sein. Und da glaube ich noch, Christ zu sein.
Den Seelenfrieden bringt mir der Wellnessbuddhismus, die Ruhe kommt mit dem Alter von selbst. Es gibt, wie ein Österreicher sagte, der 10 Jahre jünger starb, als dieser opferlustige Mann, nur Pflichten gegen sich selbst. Moralisch verhalte ich mich ausschließlich um meiner Selbst willen, um mich selbst nicht verachten zu müssen. In der Schule habe ich mich für Naturwissenschaften interessiert - Schicksal ist für mich nur die Gesamtheit aller Naturgesetze, die wir kennen oder nicht kennen, genauer, das was nach ihrem Wirken hinten rauskommt, ein vorläufiges Resultat, wie eingetreten, so vom Strom der Geschichte oder vom Spülwasser weggsepült. Ich diene keinem Zweck, erfülle keine Aufgabe. Ich bin da, und mehr wurde mir nicht auf den Weg gegeben.
Weshalb soll ich an einen Gott glauben, der mir etwas geben will, was ich bereits habe, an einen Gott, dessen Dasein keine Konsequenzen hat, der nur eine Metapher für die ohne diese Ausschmückung kalt und düster erscheinende Maschine Universum ist? Ein solcher Gott ist nichts, ein Nichts, das Nichts, - nichts, woran man glauben muss, denn man sieht seine Nichtigkeit unmittelbar ein, man weiß um seine Nichtigkeit. Da glaube ich doch besser gleich an das Nichts, oder aber an nichts, und bin ehrlicherweise Nihilist.
Aber ich glaube nicht an nichts. Ich glaube nicht daran, dass meine Bedürfnisse Krankheiten sind, dass meine Wünsche Anmaßungen sind, und dass mein Ich nach meinem Tod aufhört zu existieren. Ich glaube an etwas, das den Naturgesetzen widerspricht, aber nicht als Widernatürliches, das in Form von Zauberei die Welt lächerlich und die Realität zunichte machen würde, sondern als Übernatürliches, das unser Universum, diesen kleinen Affenkäfig, als einen speziellen Fall, eine begrentze Teilwirklichkeit, in sich einschließt. Wieso wir da drin sitzen, weiß ich nicht, und wüsste ich es, müsste ich es nicht einen Glauben nennen.