Ultradekadenz
ist an sich ein wehrloser Zustand, der sich nicht selbst erhalten kann.
Dass der ultradekadente Westen einen wehrhaften, vitalen Kern hat,
deutet auf ein Antisystem nach Lew Gumiljow hin: Antisysteme sind
lebensfeindliche, negativistische psychopolitische Paradigmen, die sich
früher, als Religionen das allgemeine Bewusstsein dominierten, auch selbst als Religionen präsentierten (z. B. Manichäismus).
Das Leben dient im spätkapitalistischen Antisystem der toten Materie:
Vernichtung von Lebensräumen und Arten, Störung des Weltklimas,
Vermüllung der Umwelt. Auch der Mensch als lebendes Wesen hat nichts
davon. Alles richtet sich nach der Logik des Profits. Das Kapital ist
totes bzw. maschinenartiges Subjekt, es lebt nicht, es fühlt nicht. Aber
es vernichtet Leben, es zerstört die menschliche Psyche. Es eignet sich
parasitär Errungenschaften des menschlichen Geistes an und lässt als
Abfallprodukt eine Art Schlaraffenland entstehen, doch der Wohlstand
dient nicht dem Wohl der Menschen, sondern bringt sie zum Schweigen,
bricht ihren Widerstand, macht sie passiv und abhängig. Die Degeneration
der Gesellschaft zur totalen Ultradekadenz wird beschleunigt und global
exportiert.
Wie in Giorgio Agambens KZ-Paradigma wird das Leben nicht als Subjekt
betrachtet, sondern vom System als nacktes, verfügbares, beherrschbares
Leben behandelt. Es wird unter die Herrschaft toter Materie gebracht.
Ein globales Antisystem zerstört wie jedes Antisystem sich selbst (z. B.
antinatalistische Sekten zerstören sich selbst, indem ihre Mitglieder
aussterben), aber erst nachdem es die ganze Welt in eine Antiwelt
verwandelt hat. Selbstverständlich wehren sich alle Völker und Kulturen,
die nicht ultradekadent sind, gegen dieses KZ-Antisystem.