Montag, 8. August 2022

Das Chthonische II: Formlosigkeit

 

 

 

 

Je höher das Lebewesen, umso klarer die Form. Damit steigt auch der Grad der Schönheit. Säugetiere sind am Schönsten, allerlei Formloses im Tierreich löst Ekel aus. Das kontradiktorische Gegenteil des Schönen ist das Ekelhafte, nicht das Hässliche. So gibt es das eine oder andere hässliche Reptil, das durch seine bizarre Form begeistert. Der Wurm, der Darmparasit, der Schleimpilz sind nur eklig.

Die Phantasie muss beim real Existierenden nicht aufhören, und so haben die Buddhisten ihre Hungergeister und Höllenwesen und wir unseren geschätzten H. P. Lovecraft. Seine und von ihm beeinflusste Phantasiewesen treiben das Grauen der Formlosigkeit auf die Spitze: lebende tote Masse, strukturlos wächst alles von überall; Fleisch, Schleim, Tentakel. Das Ding aus einer anderen Welt (1982) vollendet das Prinzip des Formlosen, das horribelstenfalls jede Form annehmen kann.

Aus der Sicht der neuplatonischen Emanationslehre oder der dharmischen Weltanschauung befindet sich der formlose Bereich karmisch so weit unten, dass ihm das Annehmen fester Formen nicht möglich ist. Und so entstehen Monstrositäten, die sich gewaltsam in Dreck und in Totem materialisieren.

Materie ohne Form ist im ästhetischen, nicht physikalischen Sinne, degenerierte Materie, wobei das Prinzip gleich ist: beliebige Dichte und Schwere. So atmen die unterirdischen Wesenheiten den Erdmantel wie wir die Luft. Sie sind so schrecklich, dass sogar am Hintereingang der Hölle noch Wachen stehen, die die Verdammten in der Hölle vor den chthonischen Monstern schützen. Was lockt den Menschen am Chthonischen? Träger welche Karma-Zustände werden von Cthulhu heim ins Reich geholt?