Die Erotik ist alles, was mit geschlechtlicher Liebe und Begierde zu tun hat; wohlgemerkt: mit der geschlechtlichen, nicht der zwischengeschlechtlichen. Erotik ist immer auch Homoerotik, weil der eigene Körper ein Lustobjekt ist. Der Mythos von zwei getrennten Teilen eines überseienden Ganzen, die ihre bessere Hälfte suchen, um sich wieder aus dem Sein zu transzendieren, bezieht sich nicht explizit auf Mann und Frau, aber auf die männlichen und weiblichen Potenzen.
Zeus zeugte Artemis, Apollo und Athene als Kopfgeburten, um nicht von der nächsten Göttergeneration gestürzt zu werden. Die Prophezeiung erfüllte sich jedoch, indem Ares, Hermes und Dionysos ihn stürzten: die dionysischen Religionen, an ihrer Spitze das Christentum, beerbten die antike Götterwelt, zu der die Menschen keinen lebensweltlichen Bezug mehr hatten. Das Wort und das Schwert standen dem Dionysos Jesus bei der Eroberung bei.
Hera zeugte aus Rache durch Parthenogenese Hephaistos. Anders als die solaren geistigen Kinder des Jupiter war dies ein hässliches chthonisch-titanisches Männchen, dem die Götter dann zum Trost die ultimative Dirne schlechthin, die Göttin der erotischen Liebe, zur Frau gaben. Doch Aphrodite betrog ihn mit dem Kriegsgott Ares. Hephaistos baute den Betrügern eine Falle, die sie im Bett durch unsichtbare Netze festhielt. Dann rief er die Götter. Homerisches Gelächter. Lachten die Götter über die Liebenden oder über den Gehörnten? Die Moral der Geschichte ist ja, dass man Liebe nicht erzwingen kann.
Aphrodite wird oft den Kindern des Zeus zugeordnet, stammt aber vom durch Kronos entmannten Uranos ab, und zwar nach dessen Entmannung: seine ins Meer geworfenen Geschlechtsteile befruchteten dieses, und auf die Insel Kythera kam kein Säugling, sondern eine voll entwickelte junge Frau aus dem Meer. Die erotische Liebe hat mit Mutterschaft und Brutpflege nichts zu tun, und so ist die Frau erotisch am Begehrenswertesten, die denkbar weit von diesen beiden Potenzen des Weiblichen entfernt ist.
Die Erotik ist nicht mit der
Sexualität gleichzusetzen: die tellurische, naturgebundene
Geschlechtlichkeit regiert im Reich der Notwendigkeit, die Erotik ist
dagegen luxuriös. Die erotische Liebe ist magisch, übernatürlich. Die
erotische Begierde ist gefährliche Magie, die zum Sturz ins Chthonische
führen kann – wenn die Liebe zur Form zur Lust nach Materie degeneriert.
Die durch Monogamie gebändigte
erotische Liebe bildet den Übergang vom Lunaren zum Tellurischen; die
ins Geistige übersteigerte romantische Liebe erhöht sich vom Lunaren zum
Solaren. Rein lunar ist das willkürliche verspielte Walten des Eros.