1.
Gesetzt, das Naturgeschlecht des Menschen sei männlich - was der
Feminismus seit de Beauvoir im Grunde behauptet - , und die Frau
etwas Künstliches, Unnatürliches, in ihrem natürlichen Potential
Gehemmtes, Beherrschtes und Versklavtes, so müsste die
Menschheitsbefreiung in der Rückvermännlichung der Frau bestehen;
betrachtet man das Weiblichsein als eine kulturelle Errungenschaft,
stellen sich die Dinge ganz anders dar: der rohe, männliche,
natürliche Mensch ist durch den zivilisatorischen Fortschritt
überwunden worden und die Frau, das Luxuswesen der Evolution, sei
schließlich entstanden, und zwar geographisch genau dort, wo
Schopenhauer sie als Unnatürliches verhöhnte.
2.
Nehmen wir ketzerischerweise an, das Naturgeschlecht des Menschen sei
weiblich, so muss der Zivilisationsprozess als devolutive Verrohung
gedeutet werden, als sich radikalisierende und individualisierende
Gewaltspirale. Der Mann wäre somit erst nach der Vertreibung aus dem
Paradiese entstanden; Adam und Eva waren Lesben.
3.
Aus der Einstellung zum Leben - nicht bloss der Lebenseinstellung,
sondern der die Persönlichkeit bestimmenden Lebenshaltung - ,
entsteht nun das geschlechtliche Selbstzweckverständnis. So wie
Freiheit nicht Beliebigkeit ist, ist Schönheit nicht geschlechtlos.
Es gibt keine konkreter gegenständliche, unmittelbarer einsehbare
Selbstzweckhaftigkeit, als die Schönheit. Weiblichsein wäre also
als Selbstzweck bestimmt, Männlichsein als das diesen Selbstweck
Ermöglichende. Andersrum, wenn man Weiblichkeit als Mittel zum Zweck
versteht, etwa dem Austragen und Gebären der Kinder um des
Fortbestehens der Menschheit willen, so wäre der Sinn dieser
Menschheit in nichts Höherem, als in deren Fortbestehen erschöpft.
Eine solche Menschheit wäre die Atombomben nicht wert, die sie
auslöschten.