Sonntag, 13. Juni 2021

Sex und Gewalt: Porno und Horror

 

 

 

Der Mensch ist zu unbeschreiblicher Destruktivität fähig. Die Ambivalenz des Menschen äußert sich insbesondere in Dichotomien Freundschaft/Feindschaft und Liebe/Sex. Während die erste Dichotomie durch politische Bildung, Erinnerungskultur, Gewalt- und Horrorfilme psychologisch verarbeitet wird, wird bei Liebe und Sex so getan, als gäbe es keinen Gegensatz, sondern als seien Schwarz und Weiß dieselbe Farbe, und damit findet auch keine psychologische Verarbeitung des destruktiven Sexualtriebes statt, es sei denn, er spielt die zweite Rolle bei einer Gewalttat.

In der Serie "The Walking Dead" (die in letzter Zeit eine fast zusammenhanglose Aneinanderreihung von Folgen sehr unterschiedlicher Qualität ist) wird die Dichotomie Freundschaft/Feindschaft in Staffel 10 Folge 19 exzellent verarbeitet: gezwungen, russisches Roulette zu spielen, mit der Wahl, sich selbst oder einem Freund in den Kopf zu schießen, riskieren zwei Protagonisten immer wieder das eigene Leben. Der Feind aber wird bei der ersten Gelegenheit kaltblütig ermordet, und zwar just in dem Moment, in dem er, durch altruistisches Verhalten der beiden Gefangenen wieder an das Gute im Menschen glaubend, sich entschließt, die Feindschaft zu beenden.

Die Neigung zu extremer Gewalt verarbeitet die gegenwärtige Kultur in Dokumentationen über Massaker und Genozide, kanalisiert Rache- und Selbstjustizphantasien in unzähligen Filmen und Serien, thematisiert in anspruchsvollen Filmen die Sinnlosigkeit der Gewalt. Ungehemmtes Ausleben der Sexualität wird hingegen nicht als Anschlag auf Liebe/Liebesfähigkeit thematisiert, sondern zum Ideal erhoben. In der Popkultur werden Liebe und Sex synonym verwendet, weshalb unvermeidlich die höhere, feinere, zartere Liebe der gröberen Sexualität nach dem Gesetz der Entropie zum Opfer fällt. Unzählige Pornos geilen ihre Zuschauer nur auf, selbst die perversesten und abartigsten pornographischen Filme erfüllen nicht die Funktion der Katharsis wie etwa Horrorfilme, sondern ermutigen auch im realen Leben zu Grenzüberschreitungen.