Der
Mensch ist zu unbeschreiblicher Destruktivität fähig. Die Ambivalenz
des Menschen äußert sich insbesondere in Dichotomien
Freundschaft/Feindschaft und Liebe/Sex. Während die erste Dichotomie
durch politische Bildung, Erinnerungskultur, Gewalt- und Horrorfilme
psychologisch verarbeitet wird, wird bei Liebe und Sex so getan, als
gäbe es keinen Gegensatz, sondern als seien Schwarz und Weiß dieselbe
Farbe, und damit findet auch keine psychologische Verarbeitung des
destruktiven Sexualtriebes statt, es sei denn, er spielt die zweite
Rolle bei einer Gewalttat.
In der Serie "The Walking Dead" (die in letzter Zeit eine fast
zusammenhanglose Aneinanderreihung von Folgen sehr unterschiedlicher
Qualität ist) wird die Dichotomie Freundschaft/Feindschaft in Staffel 10
Folge 19 exzellent verarbeitet: gezwungen, russisches Roulette zu
spielen, mit der Wahl, sich selbst oder einem Freund in den Kopf zu
schießen, riskieren zwei Protagonisten immer wieder das eigene Leben.
Der Feind aber wird bei der ersten Gelegenheit kaltblütig ermordet, und
zwar just in dem Moment, in dem er, durch altruistisches Verhalten der
beiden Gefangenen wieder an das Gute im Menschen glaubend, sich
entschließt, die Feindschaft zu beenden.
Die Neigung zu extremer Gewalt verarbeitet die gegenwärtige Kultur in
Dokumentationen über Massaker und Genozide, kanalisiert Rache- und
Selbstjustizphantasien in unzähligen Filmen und Serien, thematisiert in
anspruchsvollen Filmen die Sinnlosigkeit der Gewalt. Ungehemmtes
Ausleben der Sexualität wird hingegen nicht als Anschlag auf
Liebe/Liebesfähigkeit thematisiert, sondern zum Ideal erhoben. In der
Popkultur werden Liebe und Sex synonym verwendet, weshalb unvermeidlich
die höhere, feinere, zartere Liebe der gröberen Sexualität nach dem
Gesetz der Entropie zum Opfer fällt. Unzählige Pornos geilen ihre
Zuschauer nur auf, selbst die perversesten und abartigsten
pornographischen Filme erfüllen nicht die Funktion der Katharsis wie
etwa Horrorfilme, sondern ermutigen auch im realen Leben zu
Grenzüberschreitungen.