Mittwoch, 2. August 2023

Rechte Narrative I: Das Boot

 

 

 

 

Deutschland ist ein Boot. Dieses Boot ist voll. Wenn wir noch mehr Einwanderer hereinlassen, wird das Boot kentern, und wir werden alle sterben.


Dieses Narrativ werde ich von rechts kritisieren. Um keine Begriffsmissverständnisse aufkommen zu lassen, werde ich nicht mehr von einer radikal rechten Perspektive sprechen, sondern meine vormoderne Perspektive als einen Blick von oben bezeichnen (Adelsperspektive).

Zunächst einmal ist "Deutschland" kein statischer Zustand, zu dessen unveränderter Bewahrung deutsche Bürger verpflichtet sind: was Deutschland ist, hat sich in der Geschichte immer wieder verändert, und wird sich in Zukunft weiter veränden, auch wenn sich der "Volkskörper" dagegen wehrt. Und schließlich muss auch Deutschland bzw. das Abendland, wie jede andere Kultur, eines Tages sterben. Ein Aufruf zur Autoannihilation ist das freilich nicht.

Das "gesunde Volksempfinden" meint, Deutschland sei für Deutsche, Baschkortostan für Baschkiren, Udmurtien für Udmurten usw. Doch Deutschland ist realpolitisch gesehen längst ein abhängiger Teil der Europäischen Union, die nur als solche, und nicht in die Nationalstaaten zersplittert, die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts bestehen kann. Baschkortostan und Udmurtien sind Teile der Russischen Föderation, die diesen Völkern Autonomie gewährt hat, und sie nicht etwa ausgelöscht, wie China die Dschungaren (derzeit begeht es einen Quasi-Völkermord an den Uiguren). Sollte die RF infolge des laufenden Kollapskriegs zerbrechen, wäre das für die weniger zahlreichen Völker keine Befreiung, sondern ein Weg ins Chaos, es sei denn, die Gründung einer Union der turksprachigen Völker wäre möglich.

Der von Anspruchsdenken und automatischen Privilegien für Autochthone geleitete Michel meint, jeder zum Volkskörper gehörende Bürger hätte das Recht auf lebenslange Versorgung. Die Wertschöpfung, die dafür notwenig ist, wird aber längst von international vernetzten Unternehmen geleistet, und würde bei einer Isolation Deutschlands zusammenbrechen. Will sich Deutschland vom Weltmarkt nicht isolieren, kann es sich auch von den Flüchtlingsströmen nicht abschotten, da der Weltmarkt zu den Fluchtursachen beiträgt.

Eine Einwanderung in die Sozialsysteme kann diese durchaus bis zum Kollaps erschöpfen. Dann müssen eben die Sozialleistungen für alle gekürzt werden oder ganz abgeschafft. Die Großfamilien werden die Versorgung der Alten übernehmen müssen, was bis auf wenige historische Ausnahmen immer der Fall war. Wird sich die Sozialstruktur Deutschlands verändern, müssen alle das beste daraus machen, und das ist keine zynische Feststellung, denn eine dynamische Gesellschaft bietet für alle mehr Chancen als eine statische.

Deutschland wird nicht dadurch gerettet, dass wir es einfrieren oder in eine Mumie verwandeln. Die deutsche Gesellschaft muss das Fitnesstraining bestehen, das sie für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts stärkt.