Freitag, 17. November 2017
Verlogen
Du hast den Abschluss geschafft, dich ab- , nein aufgeschlossen, merkst aber, dass du in die erhoffte Position nicht reinkommst. "Nepotismus!" rufst du und kämpfst gegen soziale Benachteiligung von Unpriviligiertgeborenen. Würdest du auch dagegen kämpfen, wenn es dir an Vitamin B nicht mangelte? Wer sich keine Peinlichkeit leisten will, verzichtet, hierauf zu antworten.
Nüchtern betrachtet: wenn die Kinder aus "besseren" Familien bessere Chancen haben, so ist das ein Qualitätsvorteil, dem du Quantität entgegensetzen kannst: sei skrupelloser, härter zu dir selbst, konsequenter, verzichte für die Karriere auf ein Familienleben usw. "Aber die Karriere ist doch kein Selbstzweck!" rufst du. Tatsächlich?
Du findest es furchtbar ungerecht, dass die Priviligierten priviligiert sind. Wenn Gerechtigkeit kein leeres Wort sein soll, dann darf sie nur in einem ethischen Gesamtzusammenhang verwendet werden. Kein Problem, sagst du, kommst aber mit Ethik nicht weiter und nimmst meinen Rat mit dem Chancenausgleich durch Quantität an, wobei du argumentierst, dass dich die Umstände zwingen, gegen deine Prinzipien zu handeln. Stehen die Umstände also höher als deine Prinzipien? Nur wenn das Ziel, dass du dir gesetzt hast, die hohe Position, die du anstrebst, ein Selbstzweck ist.
"Aber was soll ich jetzt tun? Aussteigen?" bist du empört. Ja, wenn du deine Moral, mit der du Gerechtigkeit von Anderen einforderst, beibehalten willst, und nein, wenn du darauf verzichtest, auf Gerechtigkeit zu pochen. Die Welt hat sich gegen niemanden verschworen, - mehr als bloß schlecht ist sie auch nicht. Wenn du dir allerdings weltliche Ziele über alles setzt, musst du nach den weltlichen Regeln spielen: beachte die realen Machtverhältnisse, die Naturgesetze, die Opportunitäten. Und bleib Realist nicht nur im Sieg, sondern moralisiere auch die Niederlage nicht.