Freitag, 18. Juni 2021

10. Das Land Bergkamps und Kluiverts

 

 

 

Die Geschichte der Niederlande beginnt im Barock. Als im hochmittelalterlichen Flandern hochentwickelte Städte Gent und Brügge florierten, und Mechelen Kirchenglocken an das orthodoxe Russland lieferte, das ihren Klang liebte, waren Nord- und Südholland burgundische Provinz.  Der Hass zwischen den beiden Teilen Hollands ist heute legendär, der Rest sind die vereinigten Niederlande. Ajax oder Feyenoord? PSV.

Rembrandt ist toll, aber die Niederlande stehen in jüngster Weltgeschichte vor allem für Künstler wie Cruyff und van Basten, Cocu, Robben und van der Sar. Ich kenne kein individualistischeres, positiv-egoistischeres Volk. Lebensfrohe Ichlinge, ichbezogene Ichiasten, leistungsgeile und sexuell sehr freizügige Ichoholiker, die Niederländer leben halt einfach das Leben. Sie sind das einzige genuin lunare germanische Volk: der Lunarismus in Britannien kommt von den Kelten, in lockereren Teilen Deutschlands von den Franzosen.

Superstars der besten europäischen Clubs als Einzelspieler, nur Europameister 1988 als Nationalmannschaft. Was allein der weniger bekannte Spieler Seedorf alles gewonnen hat! Empirismus und Materialismus sind für den Holländer eine Selbstverständlichkeit, er ist extravertiert und schafft es trotzdem, distanziert, distinkt und diskret zu wirken. Unter den introvertierten Finno-Ugriern gibt es die Finnen, deren legendärer Skispringer Janne Ahonen nach einem abermaligen Sieg den noch legendäreren Satz heraushaute: "Finnen lächeln nicht". Sie sind die Krieger unter den uralischen Völkern; im Vergleich zu Lauri Törni ist selbst James Bond eine Memme. Die Finnen sind solar, die Niederländer sind schattig, die Niedlichsten der Germanen.

Sonntag, 13. Juni 2021

Liebe und Sex: Weiningers Differenzierung

 

 

 

"Ich mag Miezen" bedeutet nicht "Ich stehe auf junge Frauen", aber es hängt damit zusammen. Wenn ich eine Mieze liebe, will ich keinen Sex mit ihr, sondern liebe sie; dennoch wird sie gerade durch die Liebe zum Objekt der Begierde. Warum?

Nach Otto Weininger verhält sich Liebe zur Sexualität wie Hoffnung zur Furcht. Die Furcht ist die Schattenseite der Hoffnung, ihre Negation: wenn ich hoffe, dass A passiert, fürchte ich zwangsläufig, dass A nicht passiert.

Wenn ich im obersten Stockwerk eines Wolkenkratzers wohne, kann ich tiefer und tödlicher aus dem Fenster fallen als vom Balkon eines zweistöckigen Hauses. Je höher die Höhe, umso tiefer kann der Fall sein.

Je schöner das Mädchen, umso wertvoller die Unschuld, und größer die Angst vor deren Verlust. Nur die Realisierungsmöglichkeit macht den Wert real. Wenn ich nicht 200 Stockwerke tief fallen kann, wohne ich nicht wirklich im obersten Stockwerk eines Wolkenkratzers. Wenn die Mieze nicht in einem Rausch sexueller Entropie vernascht werden kann, ist ihre Schönheit nicht real.

Sexuelle Begierde ist wie die Furcht, jemand anders könnte deine 1000 Euro teure Flasche Whisky stehlen und austrinken. Wer die Furcht nicht aushält, trinkt den Whisky selber aus, bevor es jemand anders tut. Die Mieze selbst erlebt den Sexakt als Rausch der Entropie: Selbstrealisierung durch Selbstkonsum/Selbstgenuss; durch sexuelle Selbstzerstörung wird maximale Selbstwirksamkeit erlebt.

Natürlich handelt es sich bei der Betrachtung um reine idealisierende Liebe und ihren sexuellen Schatten. Es handelt sich nicht um Alltagssex, der eher gemeinsamer Masturbation gleicht.

Sex und Gewalt: Porno und Horror

 

 

 

Der Mensch ist zu unbeschreiblicher Destruktivität fähig. Die Ambivalenz des Menschen äußert sich insbesondere in Dichotomien Freundschaft/Feindschaft und Liebe/Sex. Während die erste Dichotomie durch politische Bildung, Erinnerungskultur, Gewalt- und Horrorfilme psychologisch verarbeitet wird, wird bei Liebe und Sex so getan, als gäbe es keinen Gegensatz, sondern als seien Schwarz und Weiß dieselbe Farbe, und damit findet auch keine psychologische Verarbeitung des destruktiven Sexualtriebes statt, es sei denn, er spielt die zweite Rolle bei einer Gewalttat.

In der Serie "The Walking Dead" (die in letzter Zeit eine fast zusammenhanglose Aneinanderreihung von Folgen sehr unterschiedlicher Qualität ist) wird die Dichotomie Freundschaft/Feindschaft in Staffel 10 Folge 19 exzellent verarbeitet: gezwungen, russisches Roulette zu spielen, mit der Wahl, sich selbst oder einem Freund in den Kopf zu schießen, riskieren zwei Protagonisten immer wieder das eigene Leben. Der Feind aber wird bei der ersten Gelegenheit kaltblütig ermordet, und zwar just in dem Moment, in dem er, durch altruistisches Verhalten der beiden Gefangenen wieder an das Gute im Menschen glaubend, sich entschließt, die Feindschaft zu beenden.

Die Neigung zu extremer Gewalt verarbeitet die gegenwärtige Kultur in Dokumentationen über Massaker und Genozide, kanalisiert Rache- und Selbstjustizphantasien in unzähligen Filmen und Serien, thematisiert in anspruchsvollen Filmen die Sinnlosigkeit der Gewalt. Ungehemmtes Ausleben der Sexualität wird hingegen nicht als Anschlag auf Liebe/Liebesfähigkeit thematisiert, sondern zum Ideal erhoben. In der Popkultur werden Liebe und Sex synonym verwendet, weshalb unvermeidlich die höhere, feinere, zartere Liebe der gröberen Sexualität nach dem Gesetz der Entropie zum Opfer fällt. Unzählige Pornos geilen ihre Zuschauer nur auf, selbst die perversesten und abartigsten pornographischen Filme erfüllen nicht die Funktion der Katharsis wie etwa Horrorfilme, sondern ermutigen auch im realen Leben zu Grenzüberschreitungen.

Donnerstag, 10. Juni 2021

9. Allemagne : Croatie 0:3

 

 

 

Arminius macht ein Praktikum in Illyrien. Die Barbarei, mit der die Römer das freiheitsliebende Volk der Illyrer abschlachten, läst ihn in der Nacht an Deutschland denken. Er lockt römische Legionen nach Germanien unter dem Vorwand, es würde eine Stadt Bielefeld existieren, und stellt ihnen eine Falle. Germanien bleibt unerobert. Illyrien wird römische Provinz.

Luka Modric wirkt neben all den Milchbubis der WM 2018 wie ein mittelalterlicher Ritter. Der Spieler des Turniers wird um den verdienten Weltmeistertitel gebracht, doch nicht der Weltmeister, sondern wieder Kroatien wird zur WM-Legende, wie schon 1998. Das paradigmatische 0:3 prägt Deutschland noch über den WM-Gewinn 2014 hinaus, und bleibt doch ein Symbol. Kein deutscher Herrscher hat es geschafft, wahrer römischer Kaiser zu werden. Die Ottos und Friedrich Barbarossa waren nah dran. Aber das Volk, das das tausendjährige Reich des Mittelalters als ein römisches begründet hat, das waren die eigentlichen Vorfahren der heutigen Kroaten.

Aurelian, Diokletian und Konstantin waren die drei legendären Kaiser, die die Welt des Mittelalters nach der Krise des 3. Jahrhunderts, mit der die Antike endete, urspringen ließen. Rom ging nicht unter, sondern blieb bestehen, als griechisches Imperium im Osten und als fränkisches im Westen. Ohne die drei Kaiser wäre das Imperium Romanum einfach niedergemäht worden, aber durch sie gab es einen fließenden Übergang, der von Historikern bis heute nicht bemerkt wurde, weil er gerade wie Kontinuität aussah, sodass manche 476, noch manchere die Zeit Justinians und die manchsten die arabisch-islamische Expansion als Zeitenwende zwischen Antike und Mittelalter ansehen.

Die Krise des 3. Jahrhunderts ist der Beginn, das 13. Jahrhundert ist das Ende des Mittelalters, insofern es als Geschichtsepoche Sinn machen soll. Und das solare illyrische Element, das sich mit dem lunaren südslawischen Element mischte, und im späten 6. Jahrhundert das heute wiedererkennbare Volk der Kroaten entstehen ließ, bildet der Ursprung der gesamten abendländischen Geschichtsepoche.

Im Spätmittelalter, ab dem 10. Jahrhundert, bezogen die Kroaten das Solare von den Ungarn, und verabschiedeten sich nach dem Ende des Mittelalters zusammen in die Halbzeitpause. Worauf warten sie? Der ausführlichste Artikel zur Serie "The Walking Dead" bei Wikipedia ist auf Kroatisch. Sie bereiten sich auf die Zukunft vor. Sie sind ein Sigma-Volk. Das Großmacht-Gehabe von Deutschen, Franzosen, Türken, Spaniern usw. tangiert sie nur peripher. Wer drei legendäre Kaiser stellte, der braucht sich nicht um Könige zu scheren.

Mittwoch, 9. Juni 2021

Nicht nicht nicht kommunizieren

 

 

 

Watzlawicks Postulat "Man kann nicht nicht kommunizieren" ist kein deskriptiver, sondern ein normativer (extranormativer) Satz. Nichtkommunikation ist emotionale Privatsphäre. Viele Missverständnisse entstehen gerade dadurch, dass eine nichtkommunikative (sachlich notwendige oder willkürliche, aber private) Tat als kommunikative Handlung gedeutet wird. 

Der selbsternannte Empfänger bezieht das Resultat des Kopfschmerzes, der Müdigkeit oder der Konzentration auf den eigenen Gedankenfluss des unfreiwilligen Senders auf sich und fühlt sich unfreundlich angeguckt, respektlos angegähnt oder ignoriert.

Mittwoch, 2. Juni 2021

VVV 5: ISFP

 

 

 

Wenn ISFPs zu Trendsettern werden, ist Authentisch das neue Cool. Authentisch bedeutet nicht einfach, dass man rülpst, da muss schon mehr dahinter stecken, und zwar optimalerweise Fi hero und Se parent. Das machte den King of Pop so unique.

Nun aber wollen Gören wie Billie Eilish sein, weil sie so authentisch ist. Sie ist so sie selbst, dass die Teenie-Girls nicht sie selbst, sondern wie sie sein wollen. Was ist das dann, selbster als sie selbst? Das ist das Laster eines ISFP, die Eitelkeit.

Das hässliche Entlein nämlich, das im Gesang zum Schwan wird, kann es sich aufgrund seiner Tugend, des unermüdlichen Fleißes bezüglich dessen, in Bezug auf was es eben derzeit so einzigartig ist, Authentizität leisten. Nicht das Rülpsen hat Billie Eilish berühmt gemacht, und Michael Jackson wurde nicht zum Weltstar, weil er sich andauernd in den Schritt fasste.