Montag, 26. Juni 2017

Guter Hass





Der Hass auf das Böse dirimiert sich in die Verachtung des moralisch Bösen und den Ekel vor dem ästhetisch Bösen, wobei sich die Verachtung des moralisch Bösen in die Feindschaft gegen den bösen (oder bereits den nicht-guten) Willen und die Verachtung der Lüge dirimiert, - die Lüge ist die Sünde gegen das Wahre, der böse Wille gegen das Gute, das Ekelhafte gegen das Schöne.

Wer das Böse nicht hasst, kann entweder schlecht oder böse sein, jedoch niemals gut. Es kann keinen guten Willen geben, der gegenüber dem Bösen gleichgültig wäre; ein guter Wille verabscheut einen bösen Willen zutiefst und schätzt einen nicht-guten Willen verachtungsvoll gering. Ein guter Charakter begegnet der Lüge mit Empörung und Zorn, denn das Wahre ist das Fundament des Lebens des Geistes. Der gute Charakter schaut die Idee des Schönen in äußerster Klarheit, und ist ästhetisch hochsensibel.

Wer sich bis zum Lebensüberdruss ekelt sowie die Lüge und den bösen Willen verachtet, ist noch nicht gut, solange er nicht das Schöne mehr liebt als er das Ekelhafte hasst, solange er nicht das Gute mehr liebt als er das Böse hasst, solange er nicht die Wahrheit mehr liebt als er die Lüge hasst. Guter Hass ist das unvermeidliche Komplement der Liebe, und besteht nicht ohne sie. Hass ohne Liebe jedoch ist nichts als eine niedrige Gemütsregung.