Mittwoch, 30. August 2017
Niemanden lieben
Die Liebe fängt an bei einzelnen Schönen und endet bei der Idee des Schönen (die auch die Idee des Guten ist). Wer die platonische Entwicklung der Liebe hinter sich hat, liebt niemanden, und dennoch ist sein Herz von Liebe erfüllt. Die damit erreichte Transzendenz gewährt vollkommene moralische Freiheit: man ist allein der Idee des Guten verpflichtet.
Wer niemanden liebt, ist emotional frei. Er ist zu wahrer Nächstenliebe fähig - der reinen, interesselosen, unparteiischen Nächstenliebe. Wer keinen Menschen liebt, ist ein liebevollerer und moralisch besserer (weil vollkommenerer) Mensch als jemand, der an andere emotional gebunden ist.
Vorausgesetzt ist, dass die Entwicklung der Liebe von der Liebe zu einem schönen Mädchen bis zur Liebe zur Idee vollzogen wurde, ansonsten ist, wer keinen liebt, einfach nur ein Narzisst, der keinen mehr liebt als sich selbst. Ist die Voraussetzung erfüllt, gilt das Bonmot: "Die Befreiung der Liebe ist die Befreiung von der Liebe".
Freitag, 25. August 2017
Mitgefühl
Mitgefühl ist fast immer seicht. Das Übel dieser Welt dient den öffentlichkeitswirksam Mitfühlenden als Wichsvorlage. Sie suhlen sich in Mitleid wie die Schamlosen in Selbstmitleid. Mitgefühl ist eine moralische Schweinerei.
An sich ist Empathie amoralisch, nichts als Emotion. Dieselben Spiegelneurone, die einen auffordern, das Elend der Hungernden mitzufühlen, helfen dem Sadisten, die Schmerzen seines Opfers genießen zu können. Einem Sadisten kann es nicht egal sein, was sein Opfer fühlt, er will es so genau wie möglich wissen, - er muss mitfühlen, um genussvoll quälen zu können.
Die Mitgefühlsfa- und -fetischisten wollen die Fremdheit aller Menschen zueinander auflösen: wer zu allen eine Beziehung hat, fühlt mit allen mit, ist von allem betroffen. Die Mutter aller Beziehungen ist die Macht, die Beziehung zwischen einem Mächtigen und einem Machtlosen. Der Machtlose, mit dem man immer nur mitfühlt, ohne ihm jemals ernsthaft zu helfen, ist der willenlose Sklave seiner Peiniger und Helfer, der Endzustand eines Mitgefühlsopfers.
Moralisch ist nur, die Würde des Menschen zu achten, und zwar nicht bloß in Absichten, sondern auch in konkreten Handlungen. Mitgefühl ist moralische Masturbation, die als solche nur ein harmloses Vergnügen ist, es sei denn der öffentlich Mitfühlende benutzt sein Mitgefühl als Moralkeule gegen den angeblich Kaltherzigen.
Es gibt auch ein moralisches Mitleid, nicht nur ein tierisch-emotionales. Ersteres resultiert aus dem Unrechtsbewusstsein und verursacht einen wirklichen Schmerz im Betrachter, welcher die Verursacher der Übel berechtigterweise fragt: "Warum hast du diese Kinder in die Welt gesetzt, wenn du sie nicht beschützen kannst?", "Warum vögelst du wild rum, und wirfst dann Abtreibungsgegnern Kaltherzigkeit vor, - sind die etwa schuld an deiner ungewollten Schwangerschaft?". Der Mitgefühlsfaschist nimmt sein dankbares Opfer, den Junkie, den Loser, die Nutte, in Schutz, und schreit hysterisch: "Wie kannst du nur so etwas sagen, hast du denn kein Mitgefühl?!!" "Doch, hat er. Aber er kommt sich nicht dabei geil vor, und wird auch nicht davon geil, sondern leidet daran im Gegensatz zu dir", möchte man als neutraler Beobachter erwidern.
Dienstag, 22. August 2017
Affen und Romantik
Was müssen die ordinären Affen gelacht haben, als der erste Affe vom Baum stieg, um aufrecht zu gehen? Ein verrückter Affe, lachten die Affen, der sich vom Affentheater ab- , und dem Horizont zuwendet, und sich dabei ordentlich zum Affen macht. Dieser Affe hat doch einen Vogel - er läuft sogar wie ein Vogel: auf zwei Beinen durch die Savanne. Und was lacht der Kammerdiener über den Romantiker, der das tierische Treiben zurückweist, und sich (einseitig, subjektiv) dem Unendlichen zuwendet?
Seit Menschengedenken weiß doch jeder, was er im Leben zu tun hat: Geburt, Lehre, Arbeit, Sex, Tod. Und da verliebt sich einer, macht sich das Leben unnötig kompliziert, - und was bringt ihm die Liebe, etwa Geld, Ruhm, Vergnügen? - nein, nichts davon. Und doch steht der seltsame Affe aufrecht, und wartet auf den göttlichen Funken, der ihn zum Menschen machen wird. Und doch hofft der Liebende, dass sein einseitiges Streben zur Unendlichkeit durch die Unendlichkeit erwidert wird, und er Glück und Erfüllung findet.
Alles nur albernes Getue? In der Tat - sobald der Kammerdiener beginnt, den Romantiker nachzuäffen, und Geilheit mit Liebe verwechselt; sobald geistlose Gören durch Fernsehserien lernen, wie das Spiel namens "romantische Liebe" funktioniert; sobald Verstechnokraten anfangen, romantische Gedichte zu schreiben.
Montag, 14. August 2017
Sei du selbst, du Opfer!
Wir wollen, nein, müssen authentisch sein. Die Parole der Freiheit lautet: Sei du selbst! Wer in der Gesellschaft eine Rolle spielt, ist unfrei; wer ganz er selbst ist, ist frei. So sind wir immer und überall wir selbst, und zwar nur wir selbst. Wir sind nackte menschliche Individuen, wir sind nur privat, und gerade deshalb keine Personen mehr.
Der authentische Mensch ist die Summe seiner privaten Lebensverhältnisse. Seine geistige Welt (seine Gedanken, Träume, Hoffnungen) existiert genausowenig wirklich, wie seine gesellschaftliche Rolle, die ja nur eine Rolle ist. Der Jürgen ist nicht mehr Vater seines kleinen Sohnes, sondern auch für diesen in erster Linie, eigentlich, nur Jürgen. Gisela hat keine authentische Legitimation, sich politisch zu engagieren, und wird zur Geisel des Faktischen in einem Käfig aus materiellen Zusammenhängen ihres Privatlebens.
Der Mensch als nacktes, authentisches, privates Leben ist kein Subjekt mehr, sondern nur noch Objekt. Ein Subjekt ist eine Person, die handeln kann, und dadurch mehr ist, als die Summe ihrer faktischen Zusammenhänge, die sie als Objekt definieren. Um als Person öffentlich handeln zu können, muss man eine Rolle spielen, und wer eine Rolle spielt, ist unecht. Es gibt also keine Täter mehr, sondern nur noch Opfer.
Jeder, der etwas tut, ist Opfer seiner Verhältnisse, denn ein Objekt handelt zwar stets aus zurecheindem Grund, aber immer willenlos. Jeder tut, was er tun muss, und so geschieht, was geschehen muss. Wer das Bestehende in Frage stellt, gilt als verrückt, denn es darf keine Welt im Kopf geben (authentisch ist nur das Reale), mit der man die bestehende vergleichen und kritisieren könnte. Willst du immer noch nur du selbst sein?
Donnerstag, 10. August 2017
Die Alltagsirren
Gegner der Todesstrafe gelten dem Alltagsverstand als besonders gute Menschen, Abtreibungsgegner gelten als frauenfeindliche Faschisten. Der gemeine Mensch guckt schief, und hat keinen festen Blick, sondern springt stets hin und her, weshalb seine beliebigen und inkonsequenten Meinungen und Ansichten freundlichstenfalls als lächerlich zu bewerten sind, bei größerer Ehrlichkeit aber als irre und gefährlich bezeichnet werden müssen.
Wer als Argument gegen die Todesstrafe anführt, dass mit dieser nur ein weiteres menschliches Leben genommen wird, unterscheidet sich in seinem Menschenbild nicht von Stalin oder Hitler: die Menschen zählen für ihn nicht als (zurechnungs- , schuldfähige und für ihr Handeln verantwortliche) Personen, sondern als bloße Objekte, deren Wert nicht in der Würde der Persönlichkeit, sondern in ihrem bloßen physischen Leben (und dessen gesellschaftlichem Nutzen) besteht.
Dass die Todesstrafe grausam ist, ist unbestritten, doch erstens ist das Verbrechen selbst unendlich grausamer, da beim Mord ein nicht wiedergutzumachendes Unrecht hinzukommt, und zweitens ist der fürchterliche Anblick einer Hinrichtung genausowenig ein Argument gegen die Todesstrafe, wie der blutige Anblick einer Operation ein Argument gegen die lebensrettende Chirurgie.
Samstag, 5. August 2017
Masturbation ist kein Sex
Ob eine sexuelle Handlung Sex ist, hängt allein davon ab, ob der sexuell Handelnde allein ist. Sind zwei oder mehr Personen beteiligt, ist die sexuelle Handlung Sex; ist nur einer beteiligt, und benutzt er dabei Sexpuppen, Sexroboter oder virtuelle Realität, ist seine sexuelle Handlung immer Masturbation. Diese Unterscheidung hat ernste Konsequenzen: wer über die notwendige Linderung der Sexualnot hinaus masturbiert, macht sich mangelnder Disziplin schuldig, begeht jedoch keine Sünde. Die unernste Konsequenz ist: wer nie mit einer anderen Person Sex hatte, hatte nie Sex.
Beim Sex wird der kategorische Imperativ verletzt, denn in einem erfüllten Sexualakt (der die Bezeichnung weltimmanente Selbsttranszendenz alles Lebendigen verdient) behandelt man die andere Person als bloßes Mittel zur sexuellen Befriedigung. Selbst wenn man beim Sex "aufpasst", strebt man unbewusst bzw. bewusst und geleugnet den erfüllten, nicht den gebremsten Sexualakt an. Also strebt man beim Sex die Vernichtung des Sexualpartners in dessen Qualität als Person an, und den Genuss des anderen als Sexualobjekt. Bei der Masturbation kann der kategorische Imperativ unmöglich verletzt werden: man benutzt fortwährend den eigenen Körper, um Ziele im Alltag zu erreichen; der eigene Körper ist ein Werkzeug der Person (während man anderen Personen nur über deren Körper begegnen kann, und der Körper des anderen deshalb für seine Person steht), weshalb Masturbation moralisch nicht verwerflicher als Arbeit oder Sport ist.
Donnerstag, 3. August 2017
Arg ärgerlich
Jeder wünscht sich
irgendwann, ein Machtwort sprechen zu können. Manche heben ihre
Stimme, um das letzte Wort zu haben. Manche schließen ein Gespräch
mit "das ist mir zu dumm" und ähnlichen idiotischen
Phrasen ab. Manche begreifen, dass im freien Meinungsaustausch keine
Meinung den Anspruch auf ein für alle verbindliches Machtwort
erheben darf.
Jeder wünscht sich
irgendwann, ein Machtwort sprechen zu können. Das ist
erfreulicherweise sehr wohl möglich. Ich meine nicht hasserfüllte
Drohungen oder dass man den anderen bei der Stasi, der Gestapo und
den Zenobiten verpfiffen hat. Der Denunziant ist das Allerletzte.
Doch was tun, wenn man von Anfang an einen relativistischen Diskurs
wollte, und keine Aussage mit Wahrheitsanspruch akzeptieren konnte?
Entweder man akzeptiert,
dass alle Meinungen gleich gültig sind, und versucht, sich in
Zukunft gleichgültig gegenüber Meinungen anderer zu verhalten, oder
man geht mit Vernunft an die Sache heran, und schaut, ob nicht die
Sache selbst zu qualifizierten Aussagen mit Wahrheitsanspruch
berechtigt. Wenn es jedoch ein Wahr und Falsch gibt, und nicht bloß
gleichberechtigte Meinungen, kann man auch mal in der Sache Unrecht
haben. Die Eitelkeit erlaubt das nicht. Also ärgert man sich weiter
und träumt seinen politisch korrekten Gutmenschentraum:
Meinungsfreiheit für mich, Nordkorea für alle anderen.
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