Montag, 14. August 2017
Sei du selbst, du Opfer!
Wir wollen, nein, müssen authentisch sein. Die Parole der Freiheit lautet: Sei du selbst! Wer in der Gesellschaft eine Rolle spielt, ist unfrei; wer ganz er selbst ist, ist frei. So sind wir immer und überall wir selbst, und zwar nur wir selbst. Wir sind nackte menschliche Individuen, wir sind nur privat, und gerade deshalb keine Personen mehr.
Der authentische Mensch ist die Summe seiner privaten Lebensverhältnisse. Seine geistige Welt (seine Gedanken, Träume, Hoffnungen) existiert genausowenig wirklich, wie seine gesellschaftliche Rolle, die ja nur eine Rolle ist. Der Jürgen ist nicht mehr Vater seines kleinen Sohnes, sondern auch für diesen in erster Linie, eigentlich, nur Jürgen. Gisela hat keine authentische Legitimation, sich politisch zu engagieren, und wird zur Geisel des Faktischen in einem Käfig aus materiellen Zusammenhängen ihres Privatlebens.
Der Mensch als nacktes, authentisches, privates Leben ist kein Subjekt mehr, sondern nur noch Objekt. Ein Subjekt ist eine Person, die handeln kann, und dadurch mehr ist, als die Summe ihrer faktischen Zusammenhänge, die sie als Objekt definieren. Um als Person öffentlich handeln zu können, muss man eine Rolle spielen, und wer eine Rolle spielt, ist unecht. Es gibt also keine Täter mehr, sondern nur noch Opfer.
Jeder, der etwas tut, ist Opfer seiner Verhältnisse, denn ein Objekt handelt zwar stets aus zurecheindem Grund, aber immer willenlos. Jeder tut, was er tun muss, und so geschieht, was geschehen muss. Wer das Bestehende in Frage stellt, gilt als verrückt, denn es darf keine Welt im Kopf geben (authentisch ist nur das Reale), mit der man die bestehende vergleichen und kritisieren könnte. Willst du immer noch nur du selbst sein?