Warum soll der Wohlgeratene überhaupt
ein Gewissen haben, wenn es das Leben nur schwerer macht, und außerdem
missbrauchsanfällig ist? Weil das Gewissen auch das Organ ist, mit dem
das eigene Karma intuitiv gespürt wird. Ohne Gewissen fehlt das Gefühl
für das Weltganze. Das Karma kann aber auch intellektuell errechnet
werden, nur ist es ziemlich unangenehm bis nahezu unerträglich, im
kosmischen Sinne nicht intuitiv zu wissen, woran man ist.
Gewissenlos unter Missratenen zu leben bedeutet, sich des kategorischen Imperativs ihnen gegenüber zu enthalten, sie manipulativ, wie bloße Mittel zum Zweck zu behandeln. Doch wird der durch den Willen zur Macht getriebene Machiavellist nicht sofort morden und vergewaltigen, wenn er sein Gewissen abwirft? "Ohne Gewissen, da wird doch jeder machen, wozu er Lust hat. Kinder missbrauchen!" Warum, antworten wir, o Missratener, denkst du zuallererst daran? Weil es wohl deine Machtphantasie ist! Welche Lust hat ein geistig gesunder weltlich erfolgreicher Lebemann daran, ein Kind leiden zu lassen? Würde er sich nicht lieber um die echte Zuneigung einer Frau bemühen, die ihm körperlich und geistig gewachsen ist, um sie werben und konkurrieren, s/meinetwegen auch mit unfairen Mitteln?
Doch der Missratene nutzt jedes Machtungleichgewicht aus, um sich an Schwächeren abzureagieren. Ein missratener Vater, der heimlich seine Tochter vergewaltigt, denkt gar nicht so heimlich, seine Frau sei daran schuld: weil sie sich ihm seit Jahren sexuell verweigert, weil sie zu dick geworden ist, – ein Grund lässt sich immer finden. Der Missratene schließt von sich auf andere, und kommt so zu seinen menschenverachtenden Schlüssen.
Der Wohlgeratene weiß, dass jeder Mensch anders ist, und stellt sich der Gefahr des fortwährenden Missverständnisses, und auch der Tatsache, dass er die Mitmenschen nie wirklich kennen kann, dass jeder Mensch für den anderen unberechenbar und unkontrollierbar ist. Erst in diesem Zusammenhang hat sein Wille zur Macht überhaupt einen Sinn. Wenn aber – real oder mithilfe einer Lebenslüge – deine Welt in Ordnung ist, und bereits von guten Mächten regiert wird, wozu das kraftraubende Streben nach Macht, wenn doch der Genuss des Lebens am naheliegendsten ist?