Freitag, 2. Februar 2018

Gewalt in der Familie





Wer seine Kinder schlägt, passt bei aller Strenge des Urteils in das Weltbild des Ottonormal-beobachters hinein, wer aber seine Eltern schlägt, sprengt die Grenzen des Gewöhnlichen. Dabei sind es Erwachsene, die nicht selten eine einer körperlichen Züchtigung würdige Verhaltensweise an den Tag legen, während Kinder für ihren Leichtsinn oder ihre Verfehlungen aus Unwissenheit nicht wirklich für schuldig befunden werden können. Doch wer seine Eltern schlägt, stellt gleichsam seine eigene Existenz in Frage, denn der Ottonormalfeigling bleibt im Grunde für immer auf sinngebende Bezugspersonen angewiesen, und ist selbst nicht in der Lage, seinem Leben Sinn und Struktur zu geben.

Es gibt durchaus 50-Jährige, deren Eltern zwar tot sind, die aber nichtsdestotrotz bei Lichte besehen dafür leben, ihre Eltern stolz zu machen, worauf die Lebensleistung vieler Menschen im Endeffekt hinaus läuft. Man macht lieber einen grausamen Vater stolz, als sich von ihm loszusagen; man achtet darauf, die Gefühle einer missbrauchenden Mutter nicht zu verletzten, anstatt sie auf den Müllhaufen der Biographie zu werfen. Doch ungeachtet dieser Extremfälle wird auch jede normale Familie über die Pubertät der Kinder hinaus nur aus der Angst der Kinder vor dem Leben, vor dem Sinn, vor der Selbstverantwortlichkeit zusammen gehalten, so dass sich jene am glücklichsten schätzen, die die Fehler ihrer Eltern am exaktesten wiederholen.