Freitag, 16. Februar 2018

Menschlichmögliche Liebe





Der Mensch ist ein aberwitziges Zwischenwesen zwischen einem Tier und einem Gott: er ist gänzlich durch Materie bedingt, doch findet seine wahre Identität nur im Geist, er ist sterblich, doch sein Wesen (transzendentales Ich) lässt sich nur unsterblich denken. Der Mensch lässt sich weder völlig auf Materie reduzieren, und somit seiner Würde berauben und moralisch entlasten, noch kann er darauf bauen, dass die welttranszendenten Gesetze der Vernunft (wie etwa die ewige Glückseligkeit mit der Bedingung der Würdigkeit, ihrer teilhaftig zu werden: das höchste Gut in Kants Moralphilosophie)  mit Sicherheit objektiv gültig sind.

Die Liebe des Menschen unterscheidet sich frei nach Weininger in eine männliche Form (romantische Liebe) und eine weibliche Form (Sex), so wie "lieben" einerseits Verehrung bedeuten kann, und andererseits so wie "Ich liebe Lammfleisch!" verstanden werden kann. Wie gesagt, der Mensch ist ein Zwischenwesen. Um diesem Schweben über dem Abgrund zwischen zwei unversöhnlichen Extremen gerecht zu werden, errichtet er mannigfach Luftschlösser, die aus seiner materiellen Bedingtheit und geistigen Freiheit zusammengesetzt sind. Das gemütlichste bisher gebaute Luftschloss ist die Kleinfamilie, das höchste, und an den Turmbau zu Babel erinnernde, ist der Staat.

Auch die Liebe kann sich ein Luftschlösschen bauen, warum nicht mit hängenden Gärten drumrum und dem Gezwitscher der Nachfahren der Dinosaurier auf der einen und dem Gesang unserer willenlosen Geschwister im Geiste auf der anderen Seite des Hiatus. Eine genuin menschliche Form der Liebesbeziehung kann weder romantisch (idealisierend, transzendent) noch sexuell (tierisch, zerstörerisch) sein. Sie kann weder der einen noch der anderen Seite angehören, und doch muss sie unverzichtbare Elemente beider Seiten vereinigen. Von der materiellen Seite erfordert sie eine durch körperliche Schönheit ermöglichte Zärtlichkeit, von der geistigen Seite ein fortwährendes Interesse an der konkreten Person, das nur durch eine Schönheit der Seele hervorgerufen werden kann.

Der andere Mensch ist weder Fickfutter noch Projektionsfläche für das eigene Ich-Ideal, - er ist genauso Mensch wie man selbst, und darf unperfekt sein. Eine verlockend humane Vorstellung, die auf einer sehr instabilen Hängebrücke balanciert, denn die mehresten Beziehungen kippen leicht auf die tierische Seite, und einige, die über einen gewissen Zeitraum ohne Unzucht auskommen, steuern, um die Fleischeslust weiterhin fernzuhalten, auf die keusche und idealisierende romantische Liebe zu.