Montag, 26. Februar 2018

Infantilisierung von Behinderten





Wenn jemand benachteiligt oder behindert ist, werden ihm automatisch der Opferstatus und ein guter (oder zumindest friedfertiger) Charakter zugeschrieben. Man sagt über einen, der vom Glück verlassen ist: er will doch nur ein ganz klein wenig Glück. Welch ein Schwachsinn. Der hässliche Junge, den alle hänseln, ist wie die anderen in das schönste Mädchen der Klasse verknallt; der lernbehinderte Schüler will nicht bloß eine Dreiminus schaffen, und ein normales Behindertenleben führen, sondern hat höchstwahrscheinlich ähnlich große Träume von Erfolg im Leben wie seine normalen Mitschüler. Die hässliche Frau, die keinen Mann findet, will nicht irgendeinen Mann, sondern den Mann, den sie sich wünscht.

Die Internalisierung äußerer oder zumindest dem Charakter einer Person äußerlicher Umstände führt zum widersprüchlichen Verhalten anderer dieser Person gegenüber. Auf der einen Seite wird Benachteiligten und Behinderten völlig unbegründet Bescheidenheit zugeschrieben - und mit einer soliden Menge weiterer positiver Charaktereigenschaften nach ihnen geworfen - , auf der anderen Seite werden sozial schwacher Status oder Behinderung zum Anlass genommen, gegenüber diesen Menschen ungeniert Grenzen zu überschreiten, die gegenüber anderen Menschen völlig selbstverständlich eingehalten werden. Diskriminierung und Infantilisierung werden als normale Umgangsform gesehen, und wenn sie mal ausbleiben, soll der Benachteiligte oder Behinderte bitteschön dankbar sein. Da ist es durchaus von Vorteil zu wissen, dass man ihn dafür, wie jeden anderen, den man so behandelt, bitteschön am Arsch lecken kann.