Freitag, 14. Januar 2022

Back to Atheism VII: Ti rules

 

 

 

Als Te-user bin ich kein großer Denker. Dass ich dennoch Philosoph bin, und nicht zu knapp, hängt mit dem starken Willen zusammen: der klassischen Liebe zur Weisheit, sprich dem Willen zum Wissen/zur Wahrheit gesellen sich aber noch der Wille zur Macht (Nietzsche) und der Wille zum Wert (Weininger) hinzu. Durch extravertiertes Denken (Te) bin ich eigentlich ein Erklärbär, ein extensiver Konstrukteur, kein intensiver Forscher. Man gibt gern generös Schwächen zu, die einem selbst nicht wehtun; die den Charakter bestimmenden Schwächen versteckt man. Das tut weh: ich bin kein Ti-user, introvertiertes Denken (Ti) gehört nicht zu meinen Stärken.

Die großen paradigmatischen Leistungen von Ti sind Kants Philosophie und Einsteins Physik. Introvertierte intuitive Ti-user (insbesondere INTPs) sind die größten Denker, extravertierte intuitive Ti-user (vor allem ENTPs) die größten Erfinder. Die Relativitätstheorie ist so durchdacht, dass sie intuitiv überhaupt nicht zu verstehen ist, und nur wenige selbst durch reines, vom Vor-Urteil geschiedenes Denken, sie begreifen können. Es gibt nichts in der empirischen oder systematischen Erfahrung, das ein Vor-Verstehen (eine Intuition) der Relativitätstheorie ermöglicht. Intuition und extravertiertes Denken stehen vor verschlossenen Türen. Mathematik und theoretische Physik sind das Reich des introvertierten Denkens.

Kants Widerlegungen der Gottesbeweise sind paradigmatisch für Ti, der kosmologische und ontologische Gottesbeweis sind paradigmatisch für Te. Gott ist der Größte. Der existierende Gott ist größer als der bloß Gedachte, also muss Gott existieren. Wirklich? Existenz ist eine andere Kategorie als Größe, Güte, Allwissenheit oder Allmacht. Das schönste Einhorn ist nicht schöner, wenn es existiert, als wenn es bloß vorgestellt wird. Eine Milliarde Dollar, die man haben will, ist nicht weniger Geld, als eine Milliarde, die jemand tatsächlich hat.

Viele Menschen mit Ti-Schwäche sind für Kreationismus anfällig und unterschätzen die wissenschaftliche Methode. Weil sie die Evolutionstheorie nicht verstehen können, glauben sie diese mit geringsten Einwänden widerlegt. Wissenschaft ist denkintensiv, (theistische) Religion ist ein geistiges Energiesparprogramm.

Eine Immunisierungsstrategie gegen die logische Widerlegung der theistischen Gottesvorstellung ist die Betonung des Glaubens: Gott kannst du eh nicht denken, außerdem ist sein Verstand deinem überlegen. Du kannst entweder glauben und Jesus als deinen Erlöser annehmen oder nicht glauben und dich damit freiwillig für die ewige Verdammnis entscheiden. Das ist ein Spiel mit der Furcht, emotionale Erpressung. Doch genau dahin soll es ja gehen: wer emotional getriggert wird, kann nicht mehr klar denken.