Das Bedürfnis nach Transzendenz ist natürlich; Selbsttranszendenz ist die Spitze der Bedürfnispyramide. Die Sinnlichkeit steht für Immanenz, das Fühlen für Hier und Jetzt, das Denken für interesseloses Wohlbetrachten. Die extravertierte Intuition (Ne) ist ein nach allen Seiten offenes Mindset, die introvertierte Intuition (Ni) ist der Wille zur Transzendenz.
Ni ist die geheimnisvollste der kognitiven Funktionen, deshalb ist der Geist eines INTJ oder INFJ das Gegenteil von einem offenen Buch. Das Wirken der introvertierten Intuition in der Kulturgeschichte zeigt sich in den Idealen des Wahren, Schönen und Guten, die von Willensmenschen aufgestellt und von Künstlern personifiziert dargestellt werden. Polytheismus, Mystik, schamanische und dharmische Vorstellungen vom Universum resultieren aus dem mit dem Willen potenzierten Bedürfnis nach Transzendenz.
Der Wille fokussiert die vitale Energie auf bestimmte Ziele, die immer außerhalb des Selbst liegen. Sie können sich äußerlich oder innerlich außer Reichweite des Egos befinden. Ob Welteroberung oder Selbstverwirklichung, alle Willensakte werden durch Ni vollbracht.
Die Psyche ist kein Automat aus unterschiedlich angeordneten kognitiven Funktionen, der Mensch ist keine Maschine. Das Ich, das alle kognitiven Akte begleitet, ist kein "ich denke", es ist ein "ich will", ein Selbstinteresse, ein Fokus der interessierten, nicht bloß beobachtenden Aufmerksamkeit. Das transzendentale Ich zum bloßen Beobachter zu degradieren, ist ein in den dharmischen Religionen, der Stoa und der Philosophie Schopenhauers gewählter Weg, der nur angefangen, aber nicht gegangen werden kann, weil er durch die Ausschaltung des Willens auch den Willen zerstört, ihn zu vollenden.
Das Nirwana ist nur als Asymptote denkbar. Wer dort ankommt, ist nicht mehr. Aber wozu die jahrelangen Übungen in Leerheits-Achtsamkeit und Lebensverachtung? Es geht auch einfacher mit dem Empiriker Epikur: wenn wir sind, ist der Tod nicht; wenn der Tod ist, sind wir nicht. Wenn das Nichts das Ziel ist, liegt nichts näher als der Suizid.
Das Ich, das auf dem Weg zur Vollkommenheit nicht weggekürzt werden kann, ist der innere Gott. Er ist der Schöpfer und Erhalter des Bewusstseins, er ist in jedem Bewusstsein für ebendieses allmächtig, gut und allwissend. Und da er der Träger des Willens zur Selbsttranszendenz ist, ist er auch Liebe. Deshalb ist die Mystik der theistischen Religionen wertvolles Kulturgut und keine politische Herrschaftsideologie.
Gott ist im Innern des Bewusstseins und ein Gegenstand der Mystik. Gerade die sinnliche Welt, der Kosmos, wird nicht göttlich regiert, sondern ist ein Spielplatz des Chaos und der Kontingenz. Das empirische Ich ist nun ein Teil dieser kontingenten empirischen Welt, kann aber nur durch seinen inneren Gott seiner Selbst bewusst werden. Der innere Gott ist außerhalb von Raum, Zeit und Kausalität. Er ist der mathematische Attraktor und das philosophische Ideal des Ich. Ich bin bedeutet: Gott ist, aber nicht der Gott der Theisten, sondern der Gott der Mystiker.