Sonntag, 31. März 2013

Alt





Schon Platon wusste, was Kant sagte, dass Nietzsche dachte, oder so ähnlich: will man ein unvermeidliches Übel ertragen, muss man sich einreden, es sei kein Übel. Als ein Mensch, der nie auf die Titten guckt, wurde ich recht oft vom Erscheinungsbild einer geschlechtlich nicht eindeutig angezogenen Person getäuscht - war das nun ein zwölfjähriger Junge oder eine Frau Ende 20? Während mancher einstündiger Zugfahrt kippte meine Einschätzung, ob die Person dort drüben eine Frau oder ein Junge war, mehrmals um. Als Mann bin ich da neidisch, es ist aber kein böser Neid. Ich missgönne nichts, vielmehr gönne ich das Gleiche mir selbst. 

Mit Ende 20 ist der Mann ein kleiner Opa. Wenn auch topfit und unsenil. So alt, wie ein Mann mit 30 aussieht, kann er - verglichen mit der Frau - mit 50 nur noch jünger werden. George du weißt wer. Ja, ein hübscher Greis, mir gefällt er auch, wenn auch nicht so sehr wie die Filmschurken über 65, wie sie alle heißen.Wieso gefallen sie mir? Wegen der Illusion, die sie aufrechterhalten, im Alter nicht nur gesund und selbstbestimmt leben zu können, sondern sich auch leisten zu können, ein Schurke zu sein. Die bemitleidenswerten Büchlein darüber, wie schön das Alter sei, wirken oft das Gegenteil, indem sie durch das Vertuschen und Verklären der Altersgebrechen diese noch mehr ins Bewusstsein rufen. Der König der ewig Jungen, der Greis in "The Rock", zeigt, wie es gemacht werden muss, wenn es die Angst vor dem Alter den noch Jungen zu nehmen gilt. 

Es gibt keine Argumente für die Schönheit des Alters. Ewige Jugend muss nicht ewiges Leben bedeuten, man kann auch 80 Jahre jugendlich aussehen, und dann, wie gewohnt, sterben. Sähen Alte jugendlicher aus, wäre der banale Ablauf der Fortpflanzugsprozesse keineswegs so gestört, wie man annehmen könnte. Es lebten junge Alte mit Schulkameraden ihrer Enkel sexy zusammen, und es wäre normal. Bei unvergänglicher Schönheit wären auch die inneren Werte schön, und nicht nur Kompensationen der äußeren Hässlichkeit - wobei dieselbe nicht so sehr im Alter problematisch wird, sondern in einem Alter, in dem Schönheit möglich ist. Ich habe keine Lust, alt zu werden. Für meinen Geschmack sehe ich - wie 20 - jetzt schon zu alt aus. Hiermit erkläre ich meine Altersdiskriminierung gegen mich selbst. Die Anderen respektiere ich wie im Alter, so im jungen Alter. Redet euch den ästhetischen Verfall schön. Gesundheit wünsche ich euch von Herzen.

Samstag, 30. März 2013

Die Gesellschaft der Guten




Primitive Technik, hochüberlegene Technologie; unglaubliche Architektur, lächerliche Bauwerke. Übermenschliche Fähigkeiten, kindliche Formen der Sittlichkeit. So zeichnen wir gern die - menschlichen der guten alten Legenden oder der Zukunft, oder aber die außerirdischen - durch und durch guten Zivilisationen. "Avatar" wiederholt nur, was ohnehin geläufig ist. Es handelt sich um extrem homogene und furchterregend harmonische Gesellschaften, die die de facto totalitäre Regierungsform, unter der sie leben, als milde Herrschaft der Weisheit und Genügsamkeit empfinden. Und wir, die eigentlichen Menschen, sind die bösen Egoisten. Wir sind maßlos, ungehorsam, selbstsüchtig, wirtschaften nicht nachhaltig, stellen alles in Frage. Wir verachten Scheinheiligkeit und sehnen uns nach der Moral der Fünfjährigen zurück; wir kämpfen für Freiheit, wollen sie aber am Liebsten sofort gegen Sicherheit eintauschen. Das Alienvolk in "Avatar" zeigt keine mögliche andere Zivilisation, sondern unser wahres menschlich-unmenschliches Gesicht.

Donnerstag, 28. März 2013

Liebesleid





Warum leidet ein Liebender? Zunächst handeln wir die primitivere Persönlichkeit ab, damit sie uns in höheren Sphären des Liebens nicht mehr belästigt. Ein Sub-Ich, eine unreife Person fühlt eine innere Leere, die auch wirklich vorhanden ist, weil ein transzendentales Ich (noch) fehlt. Die innere Leere gilt es zu füllen, und dafür wird ein Liebesobjekt auserkoren. Dieses muss nicht bloß als Projektionsfläche für das transzendentale Ich fungieren, sondern das fehlende transzendentale Ich ganz ersetzen. Hier offenbart sich der wahre Sinn der im Liebeswahn getroffenen Aussagen wie "Ohne dich kann ich nicht leben!" oder "Nur mit dir hat mein Leben einen Sinn!" - der Verliebte ist hier völlig vom Liebesobjekt abhängig. Im täglichen Lebensvollzug kommen aufgrund der totalen Abhängigkeit Selbstzweifel und Minderwertigkeitsgefühle auf, die in paranoider Eifersucht und panischen Verlustängsten kulminieren.

Wenden uns nun der reifen Persönlichkeit zu, einem stolzen Träger eines transzendentalen Ich. Dieser braucht ein Liebesobjekt lediglich, um sein transzendentales Ich darauf zu projizieren. Ist für den unreifen Liebenden die Beziehung mit dem Liebesobjekt das Maßgebliche, so ist für den reifen Liebenden die Reinheit des Liebesobjekts das Wesentliche. Reife Liebe ist auch in Einsamkeit zur Erfüllung fähig, solange das Liebesobjekt nicht entweiht wird. Im täglichen Lebensvollzug droht die Gefahr, dass die Geliebte geschändet wird oder sich als ordinäre Nutte herausstellt. Dies ist ein großer Schmerz für den Liebenden, aber kein Weltuntergang, denn sein transzendentales Ich wird von der Zerstörung des Liebesobjekts nicht tangiert. Das empirische Ich, das Ichgefühl, kann sich jedoch für längere Zeit vom transzendentalen Ich getrennt empfinden, was den eigentlichen Liebeskummer auf der Stufe der reifen Persönlichkeit ausmacht.

Dienstag, 26. März 2013

Das Nichts, das ich nicht meine




Am Anfang des 18. Jahrhunderts begründete Newton die Physik endgültig als Wissenschaft, was für die Philosophie derlei verheerende Folgen hatte, werlei sogar Hegels Logik einen schwer mechanischen Eindruck macht, und wer kein Wolf ist, ist ein Werwolf. Die Newtonlastigkeit der Natur- und Nichtnurphilosophie des größten metaphysischen Geizhalses der Denkannalen ist nochmal ein anderes Thema.

18. Jahrhundert: Newton stellt ein geschlossenes wissenschaftliches Weltbild auf, welches auf der Mechanik basiert. Die mechanistischen Materialisten halten die Welt für entzaubert, und verbannen Gott - als eine unnötige Hypothese - aus dem deterministischen Weltautomaten. Die konservativen  Engstirne rufen: So einen perfekten Mechanismus wie unser Universum kann nur ein intelligenter Schöpfer gemacht haben, - das deistische Gleichnis vom Uhrmacher.

19. Jahrhundert: Chemie und Biologie werden zu Wissenschaften. Die neue Erkenntnis: nur Leben erzeugt Leben, und Leben ist wiederum ein Zusammenspiel chemischer Prozesse. Die Sache ist klar: du bist, was du isst. Aber setzt das Leben, das so gut funtktioniert, das perfekt austarierte Fressen und Gefressenwerden nicht einen intelligenten Schöpfer voraus?

20. Jahrhundert: Hirnforschung und Informationstechnologie erklären die gottlose Welt. Aber Information, so Bibelphysiker wie der Braunschweiger Werner Gitt, kann nicht durch Zufall entstanden sein, sondern braucht einen Informanten!

So wird es immerfort sein: der letzte Schrei der Wissenschaft wird die wahrste Wahrheit über die Welt entdecken und Gott von Neuem überflüssig machen, und es werden phantasielose Mahner die neue Materie so komplex finden, dass sie in ihr nicht die Widerlegung, sondern den Beweis des Daseins Gottes sehen werden. Doch das Unendliche ist zu groß für jedes noch so komplexe Modell.  Gott ist kein Uhrmacher, kein Chemiker, kein Programmierer, Gott ist und bleibt das große Nichts der Wissenschaft, das mit jeder neuen Entdeckung aus dem Licht weiter in die Finsternis zurücktritt. Jede neue Erkenntnis dessen, wie sich die Dinge im Endlichen verhalten, widerlegt das Unendliche mitnichten, und beweist es ebensowenig.

Montag, 25. März 2013

Kants Alptraum





Kants Kopernikanische Wende in der Philosophie (nicht die Gegenstände bestimmen die Vorstellungen, sondern die Vorstellungen bestimmen die Gegenstände) als wissenschaftliches Paradigma: die Methode bestimmt ihren Gegenstand. So evident Finalursachen in der Natur sind, so unmöglich kann es sie geben, da sie in der naturwissenschaftlichen Methode zum Unwissbaren gehören (und somit metaphyisch bzw. transzendent sind). Auf die Spitze getrieben: Was ich nicht sehe, sieht mich nicht; was mein Gerät nicht messen kann, existiert nicht; was meine Theorie nicht erlaubt, ist unmöglich.

Frieg und Krieden





Der postmoderne Mensch kämpft nur, wenn der Gegner keinen Widerstand leistet. Wo sind die fanatischen Kämpfer für die Homo-Ehe, wenn es um die grundlegenden Selbstbestimmungsrechte der Frauen in Somalia, Saudi-Arabien oder Neukölln geht? Während kulturgeschichtliche Luxusfreiheiten gegen historisch überholte und ohnmächtige Institutionen verteidigt werden, bleiben Verletzungen der Grundrechte geduldet. Das Geheimnis dieser Tapferkeit: Der Papst verbrennt niemanden mehr, während man im anderen Fall Messer gemacht wird oder vom Kran hängt.

Geist und Materie





Die Frage, wie der Geist in die Materie komme, ist unsinnig, und zwar nicht trotz, sondern wegen des enormen Erfolgs der "materialistischen" Naturwissenschaft in den letzten 400 Jahren. Die Naturwissenschaften verdanken ihren Erfolg der cartesianischen Vergeistigung, Mathematisierung der Materie. Descartes hat als erster den Idealismus konkretisiert, indem er aus der Idealität des Endlichen Konsequenzen zog, und es unter geistige Gesetze brachte.

Sonntag, 24. März 2013

Erziehung = Misshandlung?




Wer diese verwahrlosten Kinder im Fernsehen oder auf der Straße sieht, fordert zuweilen einen "Führerschein" für Eltern, einen durch Qualifikation erworbenen Erziehungsschein für Menschen, die Eltern werden wollen. Das ist eine sinnvolle Forderung, die jedoch für einen selbst meist ein Wäre-nicht-schlecht-wenn bleibt, und keine Relevanz für das eigene Leben hat: wie viele haben es schon im Alltag mit verwahrlosten Kindern oder kriminellen Jugendlichen zu tun?

Jeder kennt aber Menschen aus seiner unmittelbaren Lebenswelt, die in einer schwierigen Situation auf rational unbegreifliche Handlungsmuster zurückgreifen, mit übertriebenen Ängsten auf Herausforderungen reagieren, kurz: sich seltsam verhalten. Man kann oft das physisch oder emotional misshandelte Kind in ihnen sehen, das ungeliebte und deshalb von Verlustängsten und irrwitzigen Wutanfällen heimgesuchte Kind. Wenn eine zivilisatorisch angemessene Sozialistation  völlig fehlt, reagiert ein Mensch wie jedes gewöhnliche Tier: mit Aggression, Flucht oder Erstarrung. Wenn die durch das Elternhaus vermittelte Menschlichkeit nur dürftig war, dann werden die archaischen Handlungsmuster bereits bei mäßiger Belastung aktiviert.

Wer hinter die Maskerade der Fassadisten, der Anscheinwahrher blicken kann, erkennt in den fast durchgehend mit irgendeinem Rausch- oder Betäubungsmittel zugedröhnten Mitbürgern die misshandelten Kinder von einst. Es gibt so viele Menschen mit erworbener sozialer Imkompetenz, dass eine von subtilen oder offenen Misshandlungen geprägte Kindheit die Regel zu sein scheint, und nicht die Ausnahme. Im Verhalten vieler junger Menschen ist derart klar die hässliche Handschrift ihrer Eltern zu erkennen, dass man, ohne diese Eltern je gesehen zu haben, sie fast bildlich vor sich sieht, wenn das traurige Ergebnis ihrer jahrelangen Mühen vor einem steht.

Samstag, 23. März 2013

Schuften




Wer schuftet, ist ein Schuft. Ein Scherz, gewiss, wo das harte Schuften doch so vielen als Existenzrechtfertigung gilt? Nein, denn man frage jeden Beliebigen: was tust du? Ist es etwas Gutes, etwas Sinnvolles? Er wird sagen: ich weiß nicht, aber ich schufte so hart, dass ich mir nichts vorwerfen lassen muss.

Es ist bequemer, ein Kind nicht zu entführen, zu ermorden, und die Leiche unauffällig zu entsorgen, als dies zu tun. Es ist leichter, keine Kinder zu zeugen, als eine Familie zu gründen, und mit Müh und Not und Kindesmisshandlung über die Runden zu kommen. Doch zu viele Menschen neigen dazu, sich maßlos zu übernehmen. Man schätzt seine Geduld und seine Kräfte zu optimistisch ein, wenn man denn überhaupt denkt, bevor man handelt.

Wer hart arbeiten muss, sollte sich dafür schämen, als damit zu prahlen, und auf Anerkennung zu pochen. Das harte Schuften ist meist ein Indiz dafür, dass ein Mensch sich übernommen hat, seine Kräfte falsch eingeschätzt hat, was nicht nur sein Leben ruiniert, sondern auch für viele Mitmenschen unerfreuliche Konsequenzen hat, insbesondere für gedankenlos gezeugte Kinder: "Das wird schon!" Nein, wird es nicht.

Wer jeden Tag entspannt lächeln kann und zwanglos gute Laune verbreitet, der kann auf sich stolz sein. Wer keine Lebensaufgabe braucht, an der er scheitert, wobei so jemand sein Drama natürlich fast nie ohne existentiell beteiligte Zuschauer (in der Regel Kinder) der Welt vorzuspielen mag, - wer es nicht nötig hat, aus Selbstsucht seine eigene Hölle mit unschuldigen Insassen zu errichten, der verdient Respekt.

Freitag, 22. März 2013

Technokratischer Demographismus





Man kann nicht eine höhere Reproduktionsquote zum Imperativ ausrufen, ohne sich auf derselben amoralischen Ebene mit der nationalsozialistischen Rassenhygiene zu befinden: hier wie dort gilt der Mensch nur als technisch gestaltbare Masse, und nicht als ein moralisches Subjekt.

Diskussion und Pranger



Wie zivilisiert ein Mensch ist, ist an der Höhe der Hemmschwelle zu erkennen, welche Ärger und Empörung bei ihm überwinden müssen, damit er aufhört, mit einem zu reden, und beginnt, über einen zu reden.

Erfahrung und Existenz der Seele





Wer denkt, dass es keine Seele gibt, hat noch nie einen Menschen geliebt; wer denkt, dass der Mensch eine Seele hat, hat noch nie einen Menschen kennengelernt.

Unlösbare Fragen





Manche Fragen halten wir für unlösbar, weil wir die gedankliche und hoffnungstechnische Freiheitsberaubung, die bereits existierende und korrekte Antworten auf diese Fragen uns zumuten würden, nicht vertragen können.

Donnerstag, 21. März 2013

Himmel und Hölle ästhetisch




Alles kann in seiner Unangemessenheit zu seinem Begriff aufgezeigt, und somit als nichtig erkannt werden: Wahrheit kann durch erkenntnistheoretischen Skeptizismus bestritten werden, das Gute dadurch, dass das Dasein Gottes niemals theoretisch erkannt, sondern nur praktisch postuliert werden kann (Gott als das notwendige allmächtige und vollkommene Wesen, das garantiert, dass diejenigen, die der Glückseligkeit würdig sind, ihrer auch teilhaftig werden), - und selbst die Liebe muss jeden Anspruch auf Vollkommenheit aufgeben, weil sie nur einseitig sein kann (banales hormongesteuertes Pärchen-Getue ist hier nicht angesprochen, sondern die Liebe in ihrer höchsten, reinsten Form, - selbst diese ist nicht das Sinnbild des Paradieses, und tierische Triebe und Gelüste, selbstredend, schon gar nicht).

Gibt es denn nichts Vollkommenes, gibt es nichts, das selbst durch den konsequentesten Nihilismus unhintergehbar wäre? Doch, so etwas gibt es. Das Schöne ist als Ideal unabweisbar, und als Idee erkennbar. Der Ekel ist so penetrant, dass er kaum ein pathologisches Gefühl sein kann, und vielmehr ein alles Sein durchdringender Vorbote der Hölle sein muss. Dass es Schönes, und dass es Ekelhaftes gibt, ist bei größten geschmacklichen Verschiedenheiten der Betrachter nicht zu leugnen. So kann auch nur das Schöne als das vollkommene Symbol des Guten auftreten, und der Ekel entsprechend als das Sinnbild der Unwürdigkeit. An der Evidenz des Ästhetischen stößt der Nihilismus an seine Grenzen, denn der Einwand, Schönes sei nur für Menschen schön, und Ekelhaftes nur für Menschen ekelhaft, fordert für eine objektive Betrachtung die Vernichtung des Betrachters, und ist daher haltlos.

Mittwoch, 20. März 2013

Schönheits- und Begehrungsideal





Ausgerechnet der wissenschaftlich daherkommende Teil des Redens über Schönheit, die Schönheitsforschung, macht den Anfängerfehler, nicht zwischen dem Schönheits- und dem Begehrungsideal zu unterscheiden. Das Aussehen einer attraktiven Frau sagt dem männlichen Unterbewusstsein: "Ich bin gesund und fruchtbar", das Aussehen einer schönen, sprich zierlich-zarten, zerbrechlichen Frau sagt hingegen: "Ich bin Luxus". 

Schönheit ist um ihrer Selbst willen da, - kein Trick der Natur, um die Menschen zur Paarung zu bewegen, sondern eine kulturelle Errungenschaft des menschlichen Geistes. Durch die Schönheit spricht der Geist, die Freiheit, weshalb die Schöne von kulturell auf einer bestimmten Höhe befindlichen menschlichen Individuen zu allen Zeiten unendlich mehr geschätzt wurde und wird, als die bloß Attraktive.

Montag, 18. März 2013

Der Selbstwiderspruch des subjektiven Geistes






1. In der Wissenschaft sucht das Ich sich eines objektiven Seins außerhalb seiner Selbst zu versichern, doch kann dieses Sein nur als gesetzmäßig Verfasstes erkennen, mit der Folge, dass je mehr - an logischen Bestimmungen - es in die äußeren Dinge hineinlegt, umso realer sie ihm werden. Folglich findet das Ich in der Wissenschaft nur sich selbst: abstrakt in der Form der Gesetzmäßigkeit und konkret in der Individualität jedes von der Mannigfaltigkeit durch eigenes Tun getrennten Gegenstands.

2. In der Kunst will sich das Ich vergegenständlicht wissen, und macht sich selbst zum objektiven Gegenstand seines subjektiven Geistes. Doch sobald zum Gegenstand geworden, ist das Kunstwerk verselbstständigt, und nicht mehr einzelnes, sondern allgemeines Ich, dem subjektiven Geist entrissen und in den objektiven Geist übergegangen.

3. In der Ethik und Religion ist dem Ich ein anderes Ich der Gegenstand: in der Ethik ein einzelnes, in der Religion ein allgemeines Ich. Im äußerlichen Verhältnis zum einzelnen Ich erscheint dieses abstrakt und negativ: der Andere ist nicht ich selbst, aber ein Ich wie ich selbst, somit ein abstrakter Gegenstand moralischen Handelns. Das allgemeine, absolute Ich ist abstrakte Transzendenz, die konkret im transzendentalen Ich gefasst wird, welches wiederum nur die abstrakte Form der Gesetzmäßigkeit darstellt; das einzelne Ich realisiert sich als Ich, indem es dem transzendentalen Ich gemäß wird, also die Form der Gesetzmäßigkeit in seinem äußerlichen Handeln vollzieht.

4. In der Wissenschaft sucht das Ich äußere Realität, und findet sich selbst; in der Kunst realisiert es sich selbst äußerlich, und erkennt, dass jede subjektive Äußerung nur ein Allgemeines ausdrückt; in der Ethik findet es sich selbst in sich selbst, indem es sich als Sichselbstgleiches äußert.

Freitag, 15. März 2013

Unerfüllbare Wünsche




Wäre nicht eine große Menge unnötigen Leids erspart, wenn wir erfüllbare Wünsche hätten? Sicherlich, denn das Bewusstsein dessen, dass die eigenen Wünsche (zumindest in diesem Leben) unerfüllbar sind, ist, milde gesagt, eine Qual. Doch wären erfüllbare Wünsche noch Wünsche, besser: würden wir uns etwas wünschen (können), wenn wir zuerst die Erfüllbarkeit überprüfen müssten? Beschnittenes Hoffen, Wünschen mit gesenktem Blick, - ein Widerspruch in sich.

Es gibt Wünsche, die unerfüllbar sind, aber auch nicht aufgegeben werden können. Warum halten wir an unerfüllbaren Wünschen fest? Weil ohne sie unser Leben unerträglich wäre. Das gewöhnliche Maß an erlebtem Leid ist bereits so vernichtend hoch, dass es sich nur unter dem Vorbehalt ertragen lässt, es wäre die Voraussetzung für ein unvorstellbar großes Glück. Sobald wir die unrealistischen Wünsche und Hoffnungen aufgeben, werden wir uns unverzüglich fragen: wozu noch weiter leben? Dass eine große Mehrheit den Großteil ihres Lebens unbewusst, auf Autopilot verbringt, tut nichts zur Sache, denn ein Leben unter Betäubungsmitteln flieht die Realität, welche es leidlich zu ertragen vorgibt.

Donnerstag, 14. März 2013

Aufglückung zweier Kurzschlüsse





Haben macht nicht glücklich: Geld, Essen, Spielzeug, Frauen, Kinder, - all dies ist dir äußerlich, und kann dein Glück nicht befördern, solange du innerlich unglücklich bist. Macht Sein glücklich? Held, Heiliger, Ehemann, Familienvater, Spitzensportler, Helfer, - alles äußerliche Titel, die Erfüllung versprechen, aber das Versprechen nicht halten. Zusammenfassend kann man feststellen: alles, was dir äußerlich ist, kann dich nicht glücklich machen.

Gehen wir nach Innen. Du trägst seit deiner Kindheit ein Trauma mit dir, hast ein schlechtes Selbstbild, wenig Selbstvertrauen usw., weshalb du innerlich nicht glücklich werden kannst. Rückst du dein Selbstverhältnis zurecht, so dass deine Seele heilt, und du endlich fähig bist, Glück zu empfinden, - wo soll es her kommen? Allein die Fähigkeit und Bereitschaft, Glück zu empfinden, macht noch nicht glücklich, denn ohne das von Außen gegebene Material zum Glücklichsein bliebe die Glücksempfindung leer.

Innerliche Unfähigkeit, glücklich zu sein, kann durch keine äußerliche Befriedigung geheilt werden; Geld, Frauen, Autos, Hobbies, eine Lebensaufgabe, Wertschätzung und Wichtigsein sind nur Betäubungsmittel, die den inneren Schmerz stillen, aber die Wunde nicht heilen. Die bloße Fähigkeit, Glück zu empfinden, ist nicht gleichbedeutend mit dem Glücklichsein, genauso wie die Würdigkeit, glückselig zu sein, nicht bereits Glückseligkeit bedeutet.


 "Ich bin glücklich", und "Ich bin (wieder) fähig, Glück zu empfinden", sind zwei verschiedene Zustände. Wer den zweiten Zustand für den ersten hält, wird sich wundern, warum er sich einerseits glücklich schätzt, aber einerseits sein Glück konkret nicht empfindet, denn sein Glücklichsein ist leer und abstrakt.

Mittwoch, 13. März 2013

Grundlegung zur Metaphysik der Triebe





1) Der Selbsterhaltungstrieb hat zu seinem Grunde die unmittelbare Selbstbejahung, den Willen, der sich selbst will. Er dirimiert sich in die Selbstproduktion (Lebensdrang, selbstische Aktivität) und die Selbstvernichtung (Todestrieb). Selbstproduktion und Selbstvernichtung werden im Reproduktionstrieb versöhnt.

2) Der Reproduktionstrieb bestimmt den Willen, über sich selbst hinaus zu gehen, und zwar zu den Dingen (Weltbildung) und zu den sich selbst gleichen Wesen (Gattungstrieb), auf jeweils doppelte Weise: die Weltbildung umfasst den Drang nach Wissen, Schaffen und Sinnzusammenhang (1) sowie den Drang nach Finalität, dem Ende aller Zeit, dem Weltuntergang (2); der Gattungstrieb beinhaltet die Suche und Absolutsetzung des andersgeschlechtlichen Wesens (3) sowie seine Vernichtung im Geschlechtsakt (4). Welt als Ding und Nicht-Ich als Du werden in den Nachkommen zusammengefasst.

3) Der Beschützerinstinkt ist der zu seiner Reife gekommene Trieb, der die Selbstbejahung mit der Weltbejahung in den Nachkommen vereint. Er teilt sich gleichsam auf in den immanentarischen Trieb, welcher die Selbstvernichtung in der Gattung als höchste Lust darbringt, indem er die Aufopferung des Individuums für die genetisch eigenen Nachkommen befördert, und den transzendentarischen Trieb, der die höchste Freiheit des Individuums in dem Schutze genetisch fremder Nachkommen zur Geltung kommen lässt, wobei diese Nachkommen nicht als Nachkommen, sondern als individuelle Wesen angesehen werden, und sich in ihnen nicht die Gene, sondern das Ich mittels einer Setzung des Ich-Ideals in diese (=durch das Verlieben) zum absoluten Leben kommt.

Dienstag, 12. März 2013

Hierarchographie der Geschlechtlichkeit





Eine schematische Darstellung der geistigen Evolution der menschlichen Geschlechtsidentitäten vom Tier zur Gottheit:

Stufe 0: Das Männchen und das Weibchen im Tierreich.

Stufe 1: Der Mann und sein Harem in der altertümlichen Polygamie.

Stufe 2: Der Mann und das Weib in der abendländischen Monogamie.

Stufe 3: Der Dreckskerl und die Nutte in der aufgeklärt-abgeklärten Moderne.

Stufe 4: Der Schwule und die Lesbe in der Postmoderne: sexuelle Selbstreflexivität.

Stufe 5: Der/die Transsexuelle, der sexuell androgyne Mensch.

Stufe 6: Der/die Transhumane, der asexuell androgyne Mensch.


Es gibt zu jeder Zeit Vertreter jeder Entwicklungsstufe, aber den Zeitgeist eines Zeitalters prägt die jeweils dominierende Stufe.

Montag, 11. März 2013

Das unendliche Leben






Ob man Hegel falsch versteht, wenn man die Menschheit als Gattung für das wahre Leben des Begriffs des Menschen, für das unendliche Leben hält, oder vielmehr - leider - diese perfide Ansicht mit ihm teilt, ist sekundär. Einstein wollte nichts von der Unschärfe wissen, das schmälert seinen Beitrag zur Physik nicht im Geringsten.

Im objektiven Idealismus wird der auf sich selbst bestehende Einzelne als der Böse ausgemacht, was insofern zutrifft, als dass ein Einzelnes, das sich absolut setzt, in der Tat den Begriff des Bösen erfüllt. Doch auch die Gattung, die menschenfressende Gebärmutter, erfüllt den Begriff des Bösen mit allerlei Monströsitäten, wenn sie sich absolut setzt, und den Einzelnen absolut negiert. Wenn zwei Individuen subjektiv-moralisch im Recht sind, und sich aus dieser nicht relativierbaren inneren Notwendigkeit aufeinander stürzen, und gegenseitig negieren, bis zur physischen Vernichtung, während die Unmoralischen und Amoralischen sich feige vor der moralischen Pflicht verkriechen, und erfolgreich fortpflanzen, dann ist dies keine List der Vernunft, sondern eine List des vernunftlosen Lebens. Das Gute wird ad absurdum geführt, damit das Leben fortbestehen kann. Die Weitergabe des Lebens, des Leidens am Widerspruch, der allem endlichen Leben anhaftet, ist - in Hegels Ausdrucksweise - die schlechte Unendlichkeit, ein vernunftloses Immerweiter.

Die Gattung hat nur dann einen moralischen Wert, wenn der Einzelne in ihr zu seinem absoluten Recht kommt, und nicht in die Welt geworfen, um das Gute betrogen, in seinem Leiden gemolken und wieder verschlungen wird. Eine Menschheit als Gattung, die Moralität und Sittlichkeit der bloßen Existenz unterordnet, kann kein Gegenstand moralischen und sittlichen Handelns sein, d. h. im Angesicht einer Menschheit, die selbst das Böse wäre, hätte ein Selbstmordkandidat auf die Frage, ob er denn wollen könnte, dass jeder es ihm gleich täte, und es die Menschheit bald nicht mehr gäbe, nur antworten können: "Das hoffe ich doch!"