Montag, 11. März 2013
Das unendliche Leben
Ob man Hegel falsch versteht, wenn man die Menschheit als Gattung für das wahre Leben des Begriffs des Menschen, für das unendliche Leben hält, oder vielmehr - leider - diese perfide Ansicht mit ihm teilt, ist sekundär. Einstein wollte nichts von der Unschärfe wissen, das schmälert seinen Beitrag zur Physik nicht im Geringsten.
Im objektiven Idealismus wird der auf sich selbst bestehende Einzelne als der Böse ausgemacht, was insofern zutrifft, als dass ein Einzelnes, das sich absolut setzt, in der Tat den Begriff des Bösen erfüllt. Doch auch die Gattung, die menschenfressende Gebärmutter, erfüllt den Begriff des Bösen mit allerlei Monströsitäten, wenn sie sich absolut setzt, und den Einzelnen absolut negiert. Wenn zwei Individuen subjektiv-moralisch im Recht sind, und sich aus dieser nicht relativierbaren inneren Notwendigkeit aufeinander stürzen, und gegenseitig negieren, bis zur physischen Vernichtung, während die Unmoralischen und Amoralischen sich feige vor der moralischen Pflicht verkriechen, und erfolgreich fortpflanzen, dann ist dies keine List der Vernunft, sondern eine List des vernunftlosen Lebens. Das Gute wird ad absurdum geführt, damit das Leben fortbestehen kann. Die Weitergabe des Lebens, des Leidens am Widerspruch, der allem endlichen Leben anhaftet, ist - in Hegels Ausdrucksweise - die schlechte Unendlichkeit, ein vernunftloses Immerweiter.
Die Gattung hat nur dann einen moralischen Wert, wenn der Einzelne in ihr zu seinem absoluten Recht kommt, und nicht in die Welt geworfen, um das Gute betrogen, in seinem Leiden gemolken und wieder verschlungen wird. Eine Menschheit als Gattung, die Moralität und Sittlichkeit der bloßen Existenz unterordnet, kann kein Gegenstand moralischen und sittlichen Handelns sein, d. h. im Angesicht einer Menschheit, die selbst das Böse wäre, hätte ein Selbstmordkandidat auf die Frage, ob er denn wollen könnte, dass jeder es ihm gleich täte, und es die Menschheit bald nicht mehr gäbe, nur antworten können: "Das hoffe ich doch!"