Freitag, 22. Dezember 2017
Vom Muhen und Beten
Wer glaubt, wird selig, und Mystik ist, wenn man so fest glaubt, dass man glaubt, dass man nicht mehr glaubt, sondern weiß. Mystik ist, so fest im Glauben zu sein, dass man eins mit Gott ist, nicht wahr? Ein erfrischendes Nein dazu durchströmt Meister Eckharts ganzes Werk, und Meister Eckhart ist nicht irgendwer. Am Beginn einer langen Katastrophenzeit, besser bekannt als die Renaissance, hat inbrünstiges Beten um die Wette Hochkonjunktur. Ob Gott´s erhört? Tut er, er hat keine Wahl. So wie er das Muhen der Kühe erhört, erhört er das extatische Beten der Eiferer. Für ihn ist es dasselbe. Allwissend, weiß er, wem das extatische Beten gilt - der Muhkuh selbst, die da Gott anmuht. Ganz ohne Anmut, aber mit viel Mut - Gott ist, wie Mensch weiß, allwissend, und so müsste Mensch doch wissen, dass wenn er zu Gott betet für Glück, Sinn und Seelenheil wie zur Kuh wegen der Milch, er für den als Kuh angebeteten dieselbe Kuh ist.
Je inbrünstiger der Mensch betet, je enbehrungsvoller er fastet, umso mehr glaubt er, Gottes Gnade zu verdienen. Denken hilft nicht nur im Straßenverkehr. Wenn´s Gnade ist, dann ist es unverdient. Wenn´s verdient ist, ist es nicht Gnade. Wer von Gott einen Lohn fordert, hat seinen Lohn - biblisch gesagt - bereits erhalten. Newton wusste als gläubiger Christ: Aktion = Reaktion; indem man durch Riten und Rituale seinen Glauben festigt, erhält man den festen Glauben als Lohn. Aber wir wissen doch, dass wir eigentlich eine Extraportion Milch wollen! Gott soll mich für inbrünstiges Beten, entbehrungsvolles Fasten und gute Werke im Lotto gewinnen lassen, mir einen Sexualpartner zuweisen, mich schöner, reicher, glücklicher machen, - denkt der da betet, und beleidigt Gott, denn er nennt ihn einen Zauberer.
Gott soll für ihn die Naturgesetze und den Weltlauf aufheben - durchaus nicht zu viel verlangt, wie wir noch sehen werden, aber es geht nicht um viel oder wenig, es geht ums Prinzip. Die uneingeschränkte Gültigkeit der Naturgesetze ist die Voraussetzung für die physische und moralische Freiheit des Menschen - nur wenn die Menschen davon ausgehen können, dass die Naturgesetze immer gleich bleiben, können sie in einer gemeinsamen Welt leben, logische Gesetze erkennen, in der Realität sein. Diese Realität soll Gott für den Betenden nun aufheben, um ihn für seinen Glauben zu belohnen. Der Liebe ist´s nicht zu viel, allein würde Gott dem Beschenkten die Freiheit und die Realität nehmen, dessen konsistentes Selbst in ein Bündel von Empfindungen auflösen, ihn im Endeffekt vernichten. Wer beim Beten Gott um etwas Bestimmtes bittet, bittet Gott, er möge ihn vernichten, und Gott unterlässt es weil er den Betenden nicht zu wenig, sondern zu viel liebt.
Mittwoch, 20. Dezember 2017
Das Vaterunser: ein Nichtgebet
Jesus, so glaubt der gemeine Christ, lehrte zu beten:
"So sollt ihr beten: Unser Vater im Himmel, dein Name werde geheiligt, dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel, so auf der Erde. Gib uns heute das Brot, das wir brauchen. Und erlass uns unsere Schulden, wie auch wir sie unseren Schuldnern erlassen haben. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern rette uns vor dem Bösen" (Matthäus 6,9-13, Einheitsübersetzung).
Geläufiger ist der folgende Wortlaut:
"Darum sollt ihr so beten: Unser Vater im Himmel! Dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. [Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.]" (Mt. 6,9-13, Luther 1984).
Da aller guten Dinge drei sind:
"So sollt ihr beten: Unser Vater im Himmel! Mach deinen Namen groß in der Welt. Komm und richte deine Herrschaft auf. Verschaff deinem Willen Geltung, auf der Erde genauso wie im Himmel. Gib uns, was wir heute zum Leben brauchen. Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir allen vergeben haben, die an uns schuldig geworden sind. Lass uns nicht in die Gefahr kommen, dir untreu zu werden, sondern rette uns aus der Gewalt des Bösen" (Mt. 6,9-13, Gute Nachricht Bibel).
Worum lehrt Jesus zu bitten? Um nichts anderes, als Gott selbst, sein Reich, seinen Willen, seine Eigenschaft als Welterhalter; um die Barmherzigkeit, die im Wesen Gottes bereits enthalten ist - um nichts, was nicht schon da ist.
Das Vaterunser handelt vom Allgemeinen und von Gott, nicht von einzelnen Wünschen und partikularen Interessen. Das Gebet um täglich Brot ist keineswegs als eine Aufforderung der Beseitigung des Hungers in der Welt zu verstehen, sondern: erhalte uns als Menschen, erhalte die Menschheit.
"Dein Wille geschehe" bedeutet, dass der Betende jeden besonderen Wunsch vor Gott aufgibt und seinen Willen dem göttlichen Willen unterordnet - was nicht heißen soll, dass er seine persönlichen Wünsche und Ziele aufgibt und auf seinen individuellen Willen verzichtet: er bittet Gott nur nicht darum, Gott möge seinen einzelnen Willen über den Willen anderer Menschen und Gottes selbst setzen.
Hieraus muss deutlich werden, dass das Vaterunser - formal ein Gebet - ein Nicht-Gebet ist, kein Gebet in der geläufigen Bedeutung. Das Vaterunser bezeugt, dass der so betende Christ darauf verzichtet, Gott wie eine Kuh melken zu wollen. Das Vaterunser besagt im Grunde nichts als: Gott, du bist Gott.
Warum der Christ - über das bereits Gesagte hinaus - es sich dreimal überlegen und sich siebenmal bekreuzigen sollte, bevor er im herkömmlichen Sinne betet, soll an den folgenden Thesen deutlich werden:
1. Wer betet, versichert sich seines Glaubens vor sich selbst. Beten ist Glaubenstraining für schwachen Glauben. Wes Glaube stark ist, braucht sich nicht seines Glaubens zu versichern, sondern hat ihn in allen Launen und Lebenslagen.
2. Wer für einen Anderen betet, beleidigt diesen und Gott, da er sich erstens näher zu Gott wähnt als dieser Andere und zweitens Gott näher bei sich glaubt als bei dem Anderen. Mag der, für den man groberweise betet, gottlos sein, so gibt es dennoch keinen Grund, Gott zu unterstellen, sich um diesen Gottlosen weniger zu sorgen als um den Gläubigen.
3. Wer betet, um Gott zu gefallen, gefällt sich selbst in dieser Alibiveranstaltung; anstatt durch seine Lebenshaltung Gott zu gefallen, will er magischerweise durch Worte und Gesänge Gott eine Ehre erweisen. Ein derartiges Beten ist selbstbetrügerisch und gottlos.
4. Wer Beten für ein gutes Werk hält, soll aufhören zu beten. Nur Gott kann durch sein Wort gute Werke wirken, und wer durch blosse Worte gute Werke zu wirken glaubt, maßt sich an, wie Gott zu sein.
Samstag, 16. Dezember 2017
Vom Richten
Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet? Ein schöner Trinkspruch. Nein, im Ernst: ein sympathischer Ansatz, insbesondere für ein Gefängnis. Jeder hat etwas ausgefressen, also lieber den Mund halten. Der Chef vergewaltigt ab und zu die Sekretärin? Halt dich da raus. Der Nachbar ist ein Kinderschänder? Mund hatlen. Kann ja sein, dass auch du Leichen im Keller hast, - vielleicht hat dich mal jemand bei Rot die Straße überqueren sehen.
Im Ernst: richtet nicht? Leben und leben lassen hört sich furchtbar tolerant an, ist aber eher furchtbar als tolerant. Eine passende Regel für eine Verbrecherbande.
Nein, richtet! Besser: urteil! Kritisiert, deckt auf, schweigt nicht! Sagt, was Sache ist, kehrt das Böse nicht unter den Teppich. Oft sind vermeintliche Gemeinheiten nur Missverständnisse, aber wer nichts anspricht, bekommt auch keine Antwort. Und wenn es sich tatsächlich um Bosheit handelt, schweigt erst recht nicht, auch wenn ihr selbst keine Engel seid.
Richtet nicht! Duckt euch! Ist das euer Ernst? Das soll christlich sein? Niemals über einen Menschen ein endgültiges Urteil fällen: das ist christlich. Der Mensch soll sich keine göttlichen Kompetenzen anmaßen.
Aber wer sich und andere moralisch mundtot macht, indem er sich selbst und seinen Mitmenschen moralische Urteile über die Handlungen anderer verbietet, verliert auch seine menschlichen Kompetenzen. Richtet nicht! - ein mieser kleiner Trick, der zum Glück auch nur bei den Dümmsten funktioniert, - oder aber bei denen, die die Hosen gestrichen voll haben.
Dienstag, 12. Dezember 2017
Das Monster
Ein nihilistischer Umgang mit Kindern, sprich eine Erziehung, die das Kind dazu bringt, unter allen Umständen zu funktionieren, erschafft Monster. Nein, Kinder sind keine Monster, und werden es auch nicht dadurch, dass man ihnen Schaden zufügt. Ich spreche vom Du-darfst-nicht-so-fühlen-Monster, diesem grausamen Biest, das viele Kinderseelen auf dem Gewissen hat. So darf das Kind niemals Gefühle wie Enttäuschung, Wut, Trauer empfinden, sondern muss immer fröhlich und gehorsam sein. Von vielen Kindern ergreift das Monster Besitz, und sie leben auch als Erwachsene all ihre Beziehungen in der Gefangenschaft des Monsters, wobei sie diese Gefangenschaft womöglich als Schutz empfinden: wenn der Andere nicht funktionieren will, wird das Du-darfst-nicht-so-fühlen-Monster herausgeholt, und der Lebenspartner, der gute Freund, das eigene Kind so lange emotional erpresst, bis er lernt, seine wahren Gefühle zu unterdrücken, und die von ihm erwarteten Gefühle vorzuspielen - auch sich selbst. In der Regel zerbrechen dadurch alle Beziehungen - was gut ist, weil das Monster sich dann nicht Sieger nennen darf - , aber eine leider nicht: die Beziehung zum wehrlosesten und schutzbedürftigsten Menschen, zum eigenen Kind.
Die erste Regel in menschlichen Beziehungen muss daher lauten: du darfst so fühlen, wie du fühlst! Es ist das Recht auf nicht nur emotionale Integrität, das in diesem Zusammenhang die obige Formulierung erhält, - es ist auch das Selbstzweckprinzip, dass der Mitmensch niemals bloß ein Mittel zum Zweck sein darf, sondern auch als ein Selbstzweck gesehen werden muss. Nun gibt es - polemisch vereinfacht - zwei Sorten von Menschen, nämlich jene, die selbstsüchtig lieben, und jene, die selbstlos lieben. "Lieben" wohlgemerkt im umgangssprachlichen, nicht im streng wissenschaftlichen Sinne gemeint. Die Selbstsüchtigen versuchen, Menschen, die ihnen wichtig sind, an sich zu fesseln; die Selbstlosen lassen Menschen, die ihnen etwas bedeuten, lieber frei. Beide haben subjektiv-emotional Recht, wenn sie behaupten, aus Liebe zu handeln: die Selbstsüchtigen lieben so sehr, dass sie nicht loslassen können; die Selbstlosen wollen einem geliebten Menschen unter keinen Umständen Leid antun. Was ist daraus zu lernen? Gar nichts, versteht sich, denn an allem sind doch die Erfahrungen in der Kindheit schuld! Ein solcher Fatalismus ist für einen der genannten Typen witzigerweise sehr hilfreich. Aber für die Vollnihilisten sei gesagt: selbst jemand, der nur an sein eigenes Wohl denkt, der keine Skrupel kennt, der es lächerlich findet, nach moralischen Prinzipien zu handen, wird nicht bestreiten können, dass eine Beziehung - egal welcher Art - , die man für den Anderen zum Gefängnis macht, um ihn bloß nicht zu verlieren, rein hedonistisch gesehen, eine Katastrophe für beide Seiten ist.
Freitag, 8. Dezember 2017
Das Streben nach Glück
Der Utilitarismus ist eine Philosophie des Glücksstrebens. Benthams Utilitarismus, der höhnisch auch "pig philosophy" genannt wird, will nur das größte Glück der größten Zahl. Der Zweck heiligt dabei die Mittel. Quantitativer Utilitarismus. Aber es gab nach Bentham ja noch Mill und andere, die den Utilitarismus durchaus zu einer "human philosophy" weiterentwickelten. In seinem berühmten Buch "Utilitarianism" sagt Mill: "Es ist besser, ein unzufriedener Mensch zu sein als ein zufriedenes Schwein". Aber Moment, war nicht das Glück, das Zufriedensein das höchste Ziel? Gewiss. Dann ist ja Zufriedenheit der Selbstachtung übergeordnet, und jeder qualitative Utilitarismus nur Augenwischerei.
Lassen wir Gnade walten. Geben wir der Totgeburt "qualitativer Utilitarismus" eine Chance. Wir können ja eine Pyramide der Glückseligkeit aufbauen, auf welcher es höhere und niedere Genüsse gibt. Je höher auf der Pyramide das, was einer zu seiner Glückseligkeit so macht, umso "menschischer" ist er, und je niedriger der Genuss, zu dem einer fähig ist, umso "schweinischer" ist er. Errichten wir eine dreistufige Pyramide:
Niederste Stufe: Fressen, Saufen, Sex, Gewalt, Folter, Mobbing, Verleumdung, Lästerei, Fernsehen, Popmusik.
Mittlere Stufe: Lesen, Forschung, Lyrik, Sport, Familie, Nachbarschaftshilfe, Theater, klassische Musik.
Höchste Stufe: Meditation, Kontemplation, Barmherzigkeit, Nächstenliebe.
Nun sagt jemand, ihm mache Gedichteschreiben, Romanelesen und Sporttreiben Spaß; zwar höre er peinlicherweise zum Sport Popmusik, aber ansonsten sei er ein stolzer Utilitarist der mittleren Stufe. Ein anderer sagt, er meditiere den ganzen Tag, wenn es nichts zu helfen gibt, und wenn er niemanden retten muss. Ein edler Mensch, ein Utilitarist der höchsten Stufe. Vor den Schweinen ist der Utilitarsmus damit gerettet. Was fehlt, ist die Verbindlichkeit. Man merkt der stufenweisen Aufteilung den Unernst und die Beliebigkeit ja an, doch das ist noch nicht das Entscheidende. Es geht um die Frage, warum dieses Gedankengebäude für mich verbindlich gelten soll.
Ein religiöser Mensch weiß, dass Gottes Gebote verbindlich sind, denn hinter ihnen steht das Absolute, die unendliche Güte und Allmacht Gottes. Das ist eine zwingende, wenngleich bloß äußere Verbindlichkeit. Was eine innere Verbindlichkeit ist, die auch ohne Religion auskommt, lernt man bei Kant, insbesondere in der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten und in der Kritik der praktischen Vernunft.
Donnerstag, 7. Dezember 2017
Gattung und Perversion
Als Perversionen gelten gewöhnlich alle Varianten der Sexualität, die nicht im Dienste der Gattung stehen. Dass Homosexualität heute in einigen Gesellschaften nicht mehr als Perversion gilt, ist eine große zivilisatorische Errungenschaft. Dass alle Moralität aus der Sexualität verbannt wurde, und Sexualität nur noch nach abstraktem Recht in legitime und illegitime unterteilt wird (als legitim gilt alles, was zwei oder mehrere mündige Personen aus freien Stücken miteinander vereinbaren), ist der eigentliche Sittenverfall der Moderne.
Die Gattung ist amoralisch, die privilegierte Sonderstellung der Heterosexualität entspringt keiner göttlichen, sondern bloß einer natürlichen Ordnung. Das Natürliche ist nicht heilig: es ist profan, amoralisch, nihilistisch. Wenn wir es bei natürlichen Bewertungskriterien belassen, und keine Moralität im Sinne Kants in die Sexualmoral einführen, können sogenannte Perversionen nicht als schlecht oder böse gelten, sondern allenfalls als luxuriös. Dem natürlichen Bewusstsein gilt jeder Genuss, der nicht dem Leben und der Gesundheit des Organismus gilt, als schädlicher Luxus: ob leckere Speisen, Süßes, Alkohol oder Drogen. Genauso kann der sexuelle Genuss über bloßen gattungsdienlichen Paarungstrieb hinaus vom natürlichen (amoralischen) Standpunkt aus nicht als unmoralisch verurteilt, sondern nur als Luxus beneidet werden.
Der natürliche, amoralische Mensch (und dazu gehört die breit grinsende Mehrheit) hat also nicht das geringste Recht, über Vergewaltiger oder Pädosexuelle moralisch zu richten, denn dieser potentielle Lynchmob ist bloß neidisch auf den sexuellen Luxus, den sich einige Mitbürger aus welchen Gründen auch immer leisten können. Nur von einer substanzmetaphysischen Sexualmoral aus können sexuelle Perversionen moralisch verurteilt werden, wobei die Schwere der moralischen Schuld an der Beschädigung oder Zerstörung der heiligen Unschuld konkreter Individuen gemessen werden muss, während die unheilige Gattung dabei nicht zu berücksichtigen ist.
Mittwoch, 22. November 2017
Das Leiden am Leiden
Das unerträgliche Leiden am Leiden in dieser Welt (das eigene Leiden ist gemient, nicht der Weltschmerz) resultiert aus einer feigen ablehnenden Haltung gegenüber dem Suizid. Der Suizid ist sowohl ein legitimer Ausweg aus dem Leiden als auch ein Zeichen von Weisheit und Größe in dem Sinne, dass jemand weiß, wann er genug gelebt hat, und selbstbestimmt sein Leben beenden kann.
Die ablehnende Haltung gegenüber dem Suizid resultiert sowohl aus der feigen Sklavenmoral als auch aus der Tatsache, dass die Mächtigen Sklaven und Diener brauchen und dass weibliche und narzisstische Charaktere sich selbst nicht genügen, und Wirte für energetischen Vampirismus und psychischen Kannibalismus suchen. Die niederträchtige Masse der sklavischen Feiglinge, die mächtigen Schurken und alle schelchten und bösen Menschen sind daran interessiert, dass unglückliche und gute Menschen (kann auch zusammenfallen, muss aber nicht) als Ressource verfügbar bleiben.
Wer alles getan hat, was in seiner Macht war, um das Gute zu tun, hat sich in diesem Leben bewährt, und ist nicht moralisch verpflichtet, einen elenden Tod abzuwarten, sondern hat das Recht, stolz und in Würde (und mit Aussicht auf Wiedergeburt in einer besseren Welt) dieses Leben zu verlassen. Eine Pflicht zum Suizid besteht jedoch nicht: ein positiv-sakrifizieller Feldzug gegen das Böse (vorausgesetzt man ist wirklich gut, und kein ideologisch verblendeter Fanatiker) mit einem glorreichen Tod im Kampf ist bei unmöglicher Fortsetzung des Lebens in dieser Welt ebenso legitim.
Dienstag, 21. November 2017
An andere denken
Ein guter Mensch tut anderen Gutes, aber er denkt nicht oft an sie; gerade das Fehlen der emotionalen Abhängigkeit von anderen, die Indifferenz gegenüber ihrem Dank und Undank gehen mit einem vortrefflichen Charakter einher. Bei allem möglichen aber nicht notwendigen Mitgefühl tut der gute Mensch das Gute aus Pflicht, und seine Neigungen, anderen sympathisch werden zu wollen, sterben mit der Charakterbildung ab zugunsten edler Neigungen wie das allgemeine Wohlwollen, die Wahrheitsliebe und das unbefleckte Interesse am Schönen.
Ein schlechter Mensch denkt fortwährend an andere, er ist gar von ihnen besessen; er denkt ständig über sie nach, forscht danach, wie er ihre Sympathien gewinnen und sie für seine selbstsüchtigen Zwecke nutzen kann. Der schlechte Mensch ist an andere durch Eifersucht und Neid gebunden, er kann sie nicht loslassen, muss sich ständig mit ihnen beschäftigen. Insbesondere der maligne Egoist, der Narzisst, der metaphorisch „nur an sich selbst denkt“, denkt in Wirklichkeit fortwährend an andere.
Freitag, 17. November 2017
Verlogen
Du hast den Abschluss geschafft, dich ab- , nein aufgeschlossen, merkst aber, dass du in die erhoffte Position nicht reinkommst. "Nepotismus!" rufst du und kämpfst gegen soziale Benachteiligung von Unpriviligiertgeborenen. Würdest du auch dagegen kämpfen, wenn es dir an Vitamin B nicht mangelte? Wer sich keine Peinlichkeit leisten will, verzichtet, hierauf zu antworten.
Nüchtern betrachtet: wenn die Kinder aus "besseren" Familien bessere Chancen haben, so ist das ein Qualitätsvorteil, dem du Quantität entgegensetzen kannst: sei skrupelloser, härter zu dir selbst, konsequenter, verzichte für die Karriere auf ein Familienleben usw. "Aber die Karriere ist doch kein Selbstzweck!" rufst du. Tatsächlich?
Du findest es furchtbar ungerecht, dass die Priviligierten priviligiert sind. Wenn Gerechtigkeit kein leeres Wort sein soll, dann darf sie nur in einem ethischen Gesamtzusammenhang verwendet werden. Kein Problem, sagst du, kommst aber mit Ethik nicht weiter und nimmst meinen Rat mit dem Chancenausgleich durch Quantität an, wobei du argumentierst, dass dich die Umstände zwingen, gegen deine Prinzipien zu handeln. Stehen die Umstände also höher als deine Prinzipien? Nur wenn das Ziel, dass du dir gesetzt hast, die hohe Position, die du anstrebst, ein Selbstzweck ist.
"Aber was soll ich jetzt tun? Aussteigen?" bist du empört. Ja, wenn du deine Moral, mit der du Gerechtigkeit von Anderen einforderst, beibehalten willst, und nein, wenn du darauf verzichtest, auf Gerechtigkeit zu pochen. Die Welt hat sich gegen niemanden verschworen, - mehr als bloß schlecht ist sie auch nicht. Wenn du dir allerdings weltliche Ziele über alles setzt, musst du nach den weltlichen Regeln spielen: beachte die realen Machtverhältnisse, die Naturgesetze, die Opportunitäten. Und bleib Realist nicht nur im Sieg, sondern moralisiere auch die Niederlage nicht.
Donnerstag, 16. November 2017
Die Eitelkeit der Zahlen
Wenn buddhistische Mönche wochenlang in mühseliger Arbeit ein Kunstwerk aus feinstem Sand fertigen, um dieses in einem einzigen Augenblick zu zerstören, dann fragt sich der normale energiesparende Betrachter, was dieses sinnlose Getue soll. Keine biologische Todsünde (kinderlose Ehe, Dysgenik, Suizid mit 18) ist so verstörend, wie die Sünde gegen die Entropie, die absichtlich zwecklose Mühe.
Doch was tun wir anderes, wenn wir zur Schule gehen, studieren, uns weiterbilden, lesen und denken? Erst lernt man, dass der Mond 400000 Kilometer von der Erde entfernt ist, und der Zweite Weltkrieg 1939-1945 stattfand und von Deutschland ausging. Später lernt man, dass der Mond, als er gerade entstanden war, nur 20000 Kilometer von der Erde entfernt war, und dass man den Zweiten Weltkrieg anders datieren und in einem größeren Zusammenhang sehen muss. Man lernt immer mehr, bis man gelernt hat, dass alles egal ist. Auf einmal ist die jahrelange Mühe in einem einzigen Augenblick sinnlos geworden.
Wie lange gibt es schon die menschliche Zivilisation? Das ist egal. Wie entstehen schwere Elemente in den Sternen? Furzegal. Wie sieht die politische Landkarte am Ende des 21. Jahrhunderts aus? Piepegal. Werde ich reich und berühmt? Wie lange habe ich noch zu leben? Werde ich nach meinem Tod in guter Erinnerung bleiben? Vollkommen egal.
Wer erkannt hat, dass alles eitel ist, hat noch nicht alles erkannt. Auch die Eitelkeit ist nämlich eitel. Auch sein Wissen, seine Erkenntnisse, auf die er so stolz ist, sind eitel. Alle Fakten und Zahlen sind bedeutungslos, alle Zusammenhänge letztlich kontingent. Es ist auch egal, ob du weißt, dass alles egal ist, wenn nach dem Tod tatsächlich nichts mehr kommt, und damit alles objektiv egal ist, egal, ob es dir in diesem Augenblick egal ist oder nicht.
Sonntag, 12. November 2017
Feine und keine Unterschiede
Es gibt feine Unterschiede, und es gibt Unterschiede, die keine sind. Ob eine Hure sofort mit Bargeld oder mit lebenslanger Versorgung bezahlt wird, ist kein Unterschied. Ob eine Frau aus ästhetischen (für sich selbst) oder aus sexuellen Gründen (um ihren Körper feilzubieten) auf ihr Äußeres achtet, ist ein feiner Unterschied.
Ein edler Mann und ein Dreckskerl machen einem Mädchen Geschenke. Äußerlich kein Unterschied. Weil der Unterschied nicht offensichtlich ist, ist er eben fein: der Dreckskerl will das Mädchen mit den Geschenken kaufen, und endlich zur Frau machen, während der edle Mann der Schönheit des Mädchens Tribut zollt, und selbstredend keine Gegenleistung erwartet.
Der gute Heide verehrt die Sonne, weil sie da ist, der schlechte Heide betet die Sonne wegen ihres Nutzens für die Landwirtschaft an. Der gute Christ verehrt Gott, weil er Gott ist (das allerheiligste Wesen, der Quell aller Heiligkeit, das Sinnbild der Würde, der absolute Selbstzweck), der schlechte Christ will Gott wie eine Kuh melken, und erwartet für seinen Glauben Belohnung.
Feine Unterschiede sind Unterschiede, die äußerlich keine sind. Unterschiede, die keine sind, führen einen Exhibitionismus der Unterschiedlichkeit auf: es gibt Abertausende religiöse und aberreligiose Kulte, unzählige Wege von Betrug, Hurerei und Mord, viele Sprachen, Völker und Kulturen. Dennoch sind ihre Unterschiede untereinander nur vorgetäuscht: sämtliche Kulte beten einen Teil als das Ganze an, jedes Unrecht ist ein Unrecht, und die Vertreter verschiedener Völker sind entweder Menschen (wenn sie ein transzendentales Ich aufweisen) oder Tiere (wenn sie ausschließlich biologisch gesteuert sind).
Unterschiede, die nicht wesentlich sind, sind keine. Künstlich gemachte oder an Haaren und anderen Äußerlichkeiten herbeigezogene Unterschiede sind keine. Wenn die meisten Menschen miteinander diskutieren, streiten sie sich um künstlich gemachte oder unwesentliche Unterschiede. Im Grunde sind alle immer deselben Meinung (die jeweils dem intellektuellen Entwicklungsniveau entspricht), nur hat der Eine diese Meinung in Grün, der Andere in Blau.
Mittwoch, 8. November 2017
Pickup und Rosinenpicken
Viele Männer trauen sich nicht. Vor einigen Jahren ist die sogenannte Pick-Up-Bewegung entstanden, die diesen Männern auf die Sprünge (in den Sumpf) hilft. Pick-Up-Coaches lehren einen Mann, den Frauen durch bestimmtes Verhalten einen höheren sozialen und finanziellen Status vorzuspielen, sprich, sie bringen ihm das Hochstapeln bei. Natürlich ist eine Frau nach einer kurzen und auf Lügen aufgebauten Beziehung mit einem Pickupisten enttäuscht, denn sie ging ja davon aus, von einem reicheren und mächtigeren Mann abgeschleppt worden zu sein.
All jene Ratschläge, deren sofortigen Erfolg die Starcoaches der Pick-Up-Szene garantieren, sind eigentlich an Männer mit passablem Status und genug Kohle gerichtet. Auch ein erfolgreicher Mann kann Misserfolg bei Frauen haben, etwa wenn er schüchtern ist, oder sein erfolgreiches Erfolgreichsein durch die Aufopferung seiner sämtlichen Freizeit für den Erfolg erfolgt, so dass er gar nicht die Gelegenheit hat, sich in Balzkünsten weiterzubilden, und mit der Zeit einrostet. So jemand braucht aber keinen Pickuptrainer, und falls doch, dann nur, weil er unwissentlich tiefstapelt, d. h. den Frauen in seiner Gegenwart gar nicht zeigt, dass er ein durchaus wohlhabender und angesehener Mann ist. Sobald die Frauen es wissen, und sich kein noch dominanteres Männchen in der Nähe befindet, wird kein Anmachspruch zu plump sein, im Gegenteil: die Frauen werden ihn, und sei er ein Volltrottel, glauben lassen, er wäre George Clooney. "Sei Selbstbewusst!" funktioniert also nur für einen Bruchteil der Pickup-Klientel, nämlich für Männer, deren sozialer Status genügt, um fast jede Frau abzuschleppen, die sich aber aus verschiedenen, meist banalen, und nicht traumatischen Gründen, nicht trauen.
Warum fallen massenhaft Männer, deren niedriger Status Erfolg beim anderen Geschlecht ausschließt, auf Pick Up herein? Weil Pickup auf einer doppelten Lüge basiert: die andere Seite der Goldmedaille für paraplumpisches Hochstapeln ist der Selbstbetrug, dem fast jeder Pickup-Jünger aufsitzt. Früher war man ein schüchterner Typ, der an die Frauen, die er wollte, eh nicht herankam, und sich für die Frauen, die ihn nicht interessierten, selbstredend nicht interessierte. Nun aber spricht er auch Frauen an, auf die er eigentlich nicht steht, einerseits um zu sehen, ob Pick-Up wirklich funktioniert, andererseits um sich selbst zu beweisen, dass er kein Loser ist, und nun, da er das Trughochfliegen beherrscht, auch (im Sumpf) landen kann. An die attraktiveren Frauen kommt er weiterhin nicht heran, denn er wird schon vor einer möglichen Begegnung (vom freundlichen Türsteher oder vom feindseligen Blick der Frau) aussortiert. Also spricht er mit seinen neu erlernten pickupalen Qualifikationen nun Frauen an, die er früher nicht angesprochen hatte, weil sie ihm nicht attraktiv genug waren (nicht etwa, weil er zu schüchtern war), und redet sich ein, dass es ihn glücklich macht, bis die Schere zwischen eingeredetem Glücklichsein und der tatsächlichen empfundenen jämmerlichen Situation zu groß wird, und der betrogene Betrüger sich wieder in den real existierenden deprimierten Masturbismus zurückzieht.
Cui bono? Wer profitiert also von Pick-Up? Erstens die Pick-Up-Coaches, die damit Geld verdienen, zweitens schüchterne oder eingerostete Alphamännchen, und drittens unattraktive Frauen, für die es völlig anstrengungslos auf einmal normale bis mittelprächtige Kerle regnet, und die sich folglich so zu benehmen erdreisten, wie es nur den attraktiven Frauen zusteht (asozial und überheblich). Wer ist der Verlierer, wenn man das Pickupphänomen in seiner möglichen Wirkung zu Ende denkt? Der normale und mittelprächtige Mann: nun müsste ihm jede Frau gut genug sein (denn er wäre ein Loser, wenn er gar keine hätte), er müsste sich fortwährend verstellen in Tateinheit mit bis zum Burnout abstrampeln, und fände überall nur noch asoziale und überhebliche Frauen vor. Manche behaupten ja, dies sei bereits der status quo.
Freitag, 3. November 2017
Sexualität und Religion
Naturreligionen können nicht sexualfeindlich sein. Sie sind gottlos. Sie beten das Nichts an, nein, schlimmer, den Schein, zu dem sich das Nichts herablässt. Sie sind Angstneurosen, die aus der Furcht vor einer grausamen und unberechenbaren Natur resultieren.
Gattungsreligionen sind ebensowenig sexualfeindlich. Was ist eine Gattungsreligion? Zum Beispiel eine Religion, die befiehlt, fruchtbar zu sein, und sich zu mehren. Eine solche Religion setzt der Sexualität immerhin Schranken, stellt sie unter Gesetze, - doch im Zweifel billigt sie Unzucht, Inzucht und Vergewaltigung, wenn die Gattung dadurch einen Vorteil gewinnt.
Welche Religionen können überhaupt sexualfeindlich sein? Niemals jene, die die Sexualität beschränken, wie eine wilde Bestie, die ohne Schranken nur ihre eigenen Lebensgrundlagen zerstören würde. Religionen, die Monogamie, Ehe und Sex zum Zweck der Fortpflanzung propagieren, sind keine sexualfeindlichen Religionen, - sie sind vielmehr Sexualreligionen.
Sexualität ist Gattung. Das Gegenteil von Sexualität ist Individualität. Nur eine Religion, die ohne Rücksicht auf die Erhaltung der Gattung Keuschheit predigt, ist eine wahrhaft für moralische Personen geeignete Religion, eine Individualreligion. Nur hier hat die Eigenverantwortung des Einzelnen einen Sinn, da seine moralische Verantwortlichkeit nicht im Leichenkeller der Gattungsgeschichte untergeht, sondern einen welttranszendenten Richter fordert.
Ich bin ein Ich, eine moralische Person, kein bloßes Glied in der Kette des Ewiggleichen: Geburt und Tod. Ich habe eine Würde, einen absoluten Wert, und bin dem Geist - wenn nicht Gott, dem absoluten Ich, so doch mir selbst, meinem Ich, - verpflichtet, diese Würde zu bewahren, - und nicht der Gattung, ihre Existenz zu erhalten.
Montag, 23. Oktober 2017
Gedanken 2012
28.12.2011. Erodizee
Liebe (ihre reinste, höchste Form) ist Projektion des eigenen Ich-Ideals auf eine andere Person. Ist diese, romantisch genannte Liebe deshalb immer egoistisch? Gewiss. Aber ist das ein Einwand gegen sie?
Versuchen wir doch die altruistische Seite der Liebe zu beleuchten: das dem Egoismus entgegengesetzte Handeln hat das Beste für mein Gegenüber im Sinn, d.h. wenn ich wirklich die andere Person liebe, und nicht nur mich selbst, in diese projiziert, muss ich das Glück dieser Person befördern, wo es nur geht, und ohne Rücksicht auf eigene Verluste. Anstatt von der geliebten Person zu schwärmen und sie romantisch anzubeten, erarbeite ich mir ein großes Vermögen und schenke alles der geliebten Person, damit sie sich all ihre Wünsche erfüllen kann, - damit habe ich sie doch aufs Höchste und am Uneigennützigsten geliebt? Nun kann ich mein Vermögen nicht bloß einer bestimmten Person übereignen, sondern den Beglückten durch den Zufall bestimmen lassen, - die Würfel entscheiden, wen ich wahrhaft und uneigennützig lieben werde, was die Exklusivität der Liebe ad absurdum führt.
Wenn ich aber mein Ideal-Ich, mein Innerstes, mein Herz einer anderen Person anvertraue, so liebe ich diese wahrhaft und verbindlich; die Projektion meines Ideals ist eine notwendige Bedingung, da ich nur ein Herz zu vergeben, nur ein Ich an eine andere Person binden kann. Hinreichend ist die Projektion allein noch nicht, da mit ihr die bestimmte Person, die ich liebe, nur äußerlich, als Projektionsfläche, aber nicht als sie selbst gemeint ist. Die notwendige Bedingung für das Zustandekommen von etwas zu verwerfen, weil sie noch keine hinreichende Bedinung ist, ist jedoch eine Absurdität: nur weil von Luft allein keiner leben kann, wäre es eine seltsame Idiotie, die Atemluft für tödlich zu halten.
15.1.2012. Ich kann nicht zaubern
Sollte ich in meinem aktuellen Leben Kinder zeugen, so werden sie nicht in eine meiner Traumwelten gesetzt, sondern in diese eine, von der wir alle wissen, wie sie ist: selbst in der Frage, ob es gut ist, dass sie ist, und nicht stattdessen nichts, besteht keineswegs Einigkeit unter den in ihr lebenden vernunftbegabten Wesen. Da ich nicht zaubern kann, muss ich davon ausgehen, dass meine Kinder es nicht besser haben würden, als ich selbst, und ich hatte es folgend: alle Herzenswünsche wurden mir - von mir unverschuldet - versagt. Nun handelt derjenige gut, der in der Hinsicht auf sich selbst aus vernunftgemäß eingesehener Pflicht (nach dem kategorischen Imperativ) handelt, und in der Rücksicht auf seine Mitwesen versucht, deren Glückseligkeit zu befördern, solange dies dem Ersteren nicht zuwiderläuft. Ich kann es aus moralischen Gründen nicht verantworten, Kinder in die Welt zu setzen, und alle Gründe außer den von mir genannten sind amoralisch, wie rührend sie auch sein mögen.
23.1.2012. Freisexbettflucht
Ein Himmelreich, welches als ein bloß physisches Paradies, als ein berauschendes Fest der Sinne, ohne die Bedingung der Würdigkeit, glücklich zu sein, vorgestellt, ist für jeden, der in seinem Lebenswandel anstrebt, der Glückseligkeit würdig zu sein, nur ein schwüler Harem für niederträchtigste Schurken, worin er bei aller Bescheidenheit in Anbetracht seiner Selbst, und doch bei der mindesten Achtung seines moralischen Ideals, niemals ein erstrebenswertes Ziel für sich sähe, und vielmehr bestrebt sein müsste, der übelriechenden Umarmung des über das jenseitige Schicksal obwaltenden Willkürherrschers durch konsequente Verweigerung jeglicher Ehrerbietung, oder gar durch gezielte Missachtung, Beschimpfung und Verletzung seiner Majestät, hierbei in allen moralischen Dingen ungeachtet dessen gleichwohl nach Perfektion strebend, zu entkommen.
23.1.2012. Willenwesen
Wäre Gott mit bloßer Vernunft zu erfassen, wäre er letztlich ein Automat, und die Gesetze der Freiheit von keiner anderen Beschaffenheit, als die Gesetze der Natur, was, obgleich die Ersteren einer Prüfung an den Letzteren, als einem Probierstein für ihre Form der Gesetzmäßigkeit bedürfen, sie doch zu nichts Erstrebenswertem machen könnte, wie auch das Gesetz der Schwerkraft nicht erstrebenswert ist, sondern bloß faktisch, - folgte also auf einen guten Lebenswandel oder, bei einem despotischen Gott die Befolgung besonderer, in dessen Willkür Ursache habender Gebote, automatisch das Himmelreich, so wäre es mit der Menschheit nicht anders bestellt, als mit einem Haufen von Schwerstverbrechern, welcher durch die Zusage noch größerer Ausschweifungsmöglichkeiten in einem anderen Leben sich im gegenwärtigen Leben ihrer Gewalttaten enthielte, und dennoch fortwährend nichts im Sinn hätte, als die Befriedigung rohester Triebe, weshalb es einem durch die Vernunft einsehbaren und als unmittelbare Pflicht zu erkennenden moralischen Gesetz zu den Bedingungen seiner Möglichkeit gehört, einen übervernünftigen Gott vorzustellen, als ein Willenwesen, welches sich obzwar der Vernunft bedient, und die Welt vernunftgemäß gestaltet, und dennoch von ihr nicht fassbar ist, damit sie ebenfalls frei sein kann.
23.1.2012. Aufrichtige Keuschheit
Die Keuschheit ist die Tugend überhaupt, sowohl als Symbol der Reinheit und Vollkommenheit, wie als physisch vergegenständlichte Wirksamkeit der tadellosen Gesinnung, die sich an dem ersten und unverlierbaren Eigentum des freien Willens, dem eigenen Körper, unmittelbar zu äußern hat, weshalb z.B. eine tugendhafte Frau mit größter Eitelkeit sorgsamst ihren Körper pflegt, und dabei jedweden Missbrauch der Schönheit des Letzteren vermeidet, wenngleich der Keusche die Enthaltsamkeit nicht als ein Mittel der Weltflucht benützen soll, die sich einerseits die Tugend selbst und andererseits die damit einhergehende Verweigerung seiner Selbst gegenüber den Freuden der Fleischeslust als ihren Verdienst anrechnet, sondern ihre Wirksamkeit dort entfalten, wo die Unzucht die Regel ist, erstens als strahlendes Vorbild, und zweitens als ein frei von Eigendünkel lebender Mensch, dem es weder um die eingebildet heroische Pose noch um die Erweichung göttlicher Gnade angesichts des erbrachten Opfers zu tun ist, - gar als Opfer verstanden, ist die Keuschheit nur die Unterstreichung willentlich bejahter Wollust, welche in der Enthaltsamkeit lediglich eine zwecks der künftigen Vermehrung der Lust getätigte Kapitalanlage betrachtet.
23.1.2012. Die Hoffnung ist frei
Der Gegenstand des jenseitig gerichteten Hoffens ist, sofern er nicht als Bedingung des guten Lebenswandels, sondern als dessen mögliche Folge gedacht wird, frei wählbar, und darf nicht durch einen religiösen Glauben fest vorgeschrieben sein, und es ist mithin nicht geboten, ein alle Grenzen der gesunden Scham überschreitendes kitschig-klaustrophobisches himmlisches Jerusalem als den Zielort für alle vorzuschreiben, ja vielmehr ausdrücklich erlaubt, dass sich jeder selbst davon ein Bild mache, wo er seine letztendliche Glückseligkeit erfühlen wolle, ob in einer Welt wie der gegenwärtigen, nur ohne alles Ekelhafte, oder in einer magischen Phantasiewelt, oder in einem Gefühl der All-Einheit und der Ich-Auflösung; ein aufgezwungener Gegenstand des Hoffens macht alle Hoffnung zunichte, so dass einer, dem gesagt wird, dass er sich allenfalls auf ein ewiges Kaffeekränzchen mit senilen Kirchgängern im Jenseits freuen könne, sich gänzlich enttäuscht vom religiösen Glauben abwenden, und entweder - bei starkem Charakter - dem heroischen Nihilismus eines guten Lebenswandels ohne einen Bezug zur Transzendenz, ohne eine höchste Idee, zuwenden, oder - bei schwachem Charakter - dem Guten abschwören würde, um sich lieber, ungeachtet der Kürze der Zeit sowie der Elendigkeit der Glücksmittel, schnellstens sein irdisches Himmelreich zu besorgen.
5.2.2012. Die Lust am Bezwungenwerden
Wunsch ist nicht gleich Wille: der Wunsch ist von Trieben und Neigungen bestimmt, der Wille frei; ein Wille, der sich durch den Wunsch leiten lässt, ist heteronom, fremdbestimmt. Der Wille ist frei und will unmittelbar sich selbst. Menschen mit hohen moralischen Grundsätzen haben ihr Selbst in den Letzteren, sind moralische und nicht bloß physische Menschen. Amoralische Menschen richten ihren Willen auf ihren Körper, ihre Psyche, ihr empirisches Ich, - das ist ihr Selbst.
Nur ein moralischer Mensch kann verführt werden, denn bei ihm fallen Wunsch und Wille nicht zusammen. So wünscht sich z.B. ein Lehrer, von einer Schülerin verführt zu werden, wehrt aber willentlich diesen Wunsch ab, - wäre er amoralisch, würde er nach Gelegenheiten Ausschau halten, sich verführen zu lassen. Ein amoralischer Mensch kann mit seinem heteronomen Willen nicht verführt werden, denn er will immer zugleich das, was er wünscht. Sein Wille kann nur durch direkte Gewalteinwirkung gegen sein eigentliches Selbst, sprich seinen Körper, angegriffen werden.
Ob der Grund dazu thermodynamischen Ursprungs ist, wissen wir nicht. Fakt ist, dass jedes Willenwesen insgeheim eine Lust am Zerbrochenwerden empfindet, also danach trachtet, in seinem Willen bezwungen zu werden. Wird ein moralischer Mensch körperlich misshandelt, ist sein freier Wille nicht tangiert, da er sich auf das moralische Gesetz bezieht, und nicht auf den eigenen Körper. Das von bösen Zungen als amoralisch verschrieene Weib empfindet hingegen die Vergewaltigung als einen Angriff auf den eigenen Willen, und wünscht sich unterbewusst, auf diese Weise bezwungen zu werden. Sexismus hin oder her, es gibt jedoch Tatsachen, die ein jeder, der von einer Welt ohne Vergewaltigungen träumt (und in der die Vergewaltigungsrate bei Null läge, wenn jeder Mensch so wäre wie er), beachten muss, um zu verstehen, weshalb das Vergewaltigungswesen floriert und diese für die Würde des Menschen so schändliche Seuche bei allem guten Willen bisher nicht ausgerottet werden konnte.
14.3.2012. Wiedergutmachung der Geburt
Das Schuldbewusstsein über die Kinderzeugung durchläuft in der Geistesgeschichte drei Stadien:
1) Vatermord,
2) Sohnesmord,
3) Selbstmord,
und entspricht den Religionen
1) Judentum,
2) Christentum,
3) coming soon.
Die konservative Kraft im religiösen Bewusstsein will vor den Vater zurück in den Ursprung, die revolutionäre Kraft will die Vollendung im Tode. Der Konservative will die verlorene Unschuld zurück, und negiert die Geburt, die als objektive Existenz der subjektiven Negation entgegen bestehen bleibt; der Revolutionär bemächtigt sich der Existenz, um sie in sich selbst zu negieren, womit er den Geburt (im Christentum noch als Tod verstanden) ihren Stachel nimmt.
21.3.2012. Warum Gott Abel lieber mag
Nomandentum ist die Suche nach dem verlorenen Paradies, Hochkultur ist die innere Emigration nach dem Scheitern dieser Suche. Der Nomade jagt nach dem Glück, das er irgendwo da draußen weiß, der Staatsbürger projiziert seine Vorstellungen vom Paradies in den Staatskult.
Der Nomade ist unterwegs, der Sesshafte wartet. Der Nomade ist tapfer und gütig, der Sesshafte feige, jedoch kriegslüstern und aggressiv. Der Nomade will Frieden, der Sesshafte sehnt sich nach Zerstörung. Der Nomade ist frei, der Sesshafte ein Sklave selbst angelegter Fesseln, zu feige, sie zu sprengen, zu wütend, um sich zu befrieden. Der Nomade ist Poly- oder Henotheist, der Sesshafte ist Monotheist. Die Religion des Nomaden ist natuverbunden-ästhetisch, die des Sesshaften repressiv-moralisch.
Der Nomade spielt, der Sesshafte arbeitet.
29.3.2012. Antidehumanisierungskrieg
Dadurch, dass der Mensch ein vernünftiges Wesen, und somit eine Person ist, erhält er eine Würde, einen absoluten Wert, und ist damit ein Zweck an sich. Hieraus folgt mit den Worten von Immanuel Kant: "Handle so, daß du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden andern jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchest". Ist nun eine Gesellschaftsform so eingerichtet, dass die Gesetze des Zusammenlebens in ihr diesem Imperativ zuwider laufen, so ist sie ihrem Wesen nach verbrecherisch und daher illegitim, - sie ist das Falsche, in welchem es kein Richtiges geben kann. Eine solche dehumanisierende Gesellschaft erfordert von jedem verantwortungsbewussten Menschen die Bereitschaft zu einem Antidehumanisierungskrieg gegen alle, die sie verteidigen. Es gibt keine Rechtfertigung für Dehumanisierer und ihre Mitläufer; für Einzelne wie für Kollektive gilt: kann das Prinzip, nach dem du handelst, kein allgemeines Gesetz werden - und eine dehumanisierende Gesellschaft lebt nach einem kannibalischen Prinzip, welches zwar abstrakt rechtlich möglich ist, dem aber kein vernünftiges Wesen zustimmen kann, da es einen Raubbau an der Persönlichkeit betreibt, den Wert der Würde mit der Preis der Hure ersetzt, und auch nicht die rein verstandesmäßige Zustimmung aller bekommen kann, da es das Unglück der einen zur Bedingung für das Glück der anderen macht - , so stehst du außerhalb des Rechts und bist ein Schurke.
21.5.2012. Anhaltspunkt
Die Mannigfaltigkeit der äußeren Dinge, auch bekannt als Welt, brachte mir bisher einen Glücksertrag von exakt 0 (in Worten: Null). Das ist nicht weiter tragisch: ich bin dennoch glücklich, und zwar durch mich selbst und das Wirken des Absoluten in mir. Dennoch stellt sich die Frage, weshalb ich Zeit und Kraft in den gesellschaftlichen, politischen und zwischenmenschlichen Bereich investieren sollte, wenn ich dort draußen keinen Funken Kultur finde, der meinen Geist erfreute, keine Vernunft im Handeln der Menschen entdecken kann, zwar mir ähnliche Geister und Schicksale, aber nie wirkliche Seelenverwandte getroffen habe. Das Anhäufen von Geld und der Aufbau einer bürgerlichen Existenz von hohem Status könnte bei gegebenem Befund nur einer krankhaften Eitelkeit, aber niemals meinem Glücke dienen; Freundschaften und Aufzucht von Schülern scheitern stets an einer grundsätzlichen Verschiedenheit meiner Seele und der Seelen der anderen, so dass jede Kommunikation Schwerstarbeit ist, und in der Regel einen faden Beigeschmack hinterlässt, - mich fallen lassen kann ich nur in mein einsames Bett, ich selbst sein kann ich nur, wenn ich mit mir selbst bin.
6.6.2012. Perversion der Menschenwürde
Die Würde des Menschen sei, heißt es, unantastbar, und dabei ist unverlierbar gemeint, denn wenn die Menschenwürde unantastbar wäre, wäre eine Gesellschaft, in der sich Menschen gegenseitig ausschließlich als Mittel und nicht als Selbstzwecke behandeln dürfen (wem etwas wirklich heilig ist, gilt als verfassungsfeindlicher Fundamentalist; der Mensch hat nicht, sondern ist seine Arbeitskraft; die geliebte Person wird allein nach ihrer Funktion Partner genannt), verbrecherisch. Die Unverlierbarkeit der Menschenwürde wird postuliert, um moralische Freiheit zu verhindern, und alles moralisch (dem Erdboden) gleich zu machen: eine Würde, die durch keine Abscheulichkeit verwirkt werden kann, negiert den Menschen als moralisches Wesen, und ist keine Würde der Person, sondern eine Existenzwürdigkeit des bloßen vegetativ-animalischen Lebens, eine auf sich selbst angewandte Tierschutzbestimmung.
4.7.2012. Der Mann ist immer nur ein Blatt
Die Knospe oder das Kleinkind ist die präexistente innere Vollkommenheit: alles, was sie ist, ist sie an sich, und als Potentialität. Die Blüte oder das Mädchen hat ihre Bestimmung in sich, und ihr Ansich zugleich außer sich, und ist in ihrer Schönheit die ästhetische Vollkommenheit. Die Frucht oder die Frau hat ihre Bestimmung außer sich, und ist somit nichts mehr an sich, und nur noch als Mittel zum Zwecke der Gattung, deshalb die teleologische Vollkommenheit.
Das Kind ist reiner Zweck für andere, und noch kein Zweck für sich. Das Mädchen ist Selbstzweck und Zweck für andere, Selbstzweck an und für sich, zugleich Mittel für sich, Selbstzweck zu sein, und Mittel für andere, Zweck für diese zu sein. Die Frau ist reines Mittel für andere, und andere sind ihr reines Mittel für den Zweck der Gattung.
5.7.2012. Sein ist, wo ich nicht bin
Durch mein Ichsein (Subjekt = Objekt) bringe ich all das hervor, was ich für Dinge außer mir halte, und hierzu noch den Raum und die Zeit: um mich von mir selbst unterscheiden zu können, brauche ich wechselnde Erscheinungen, die nebeneinander im Raum und nacheinander in der Zeit vorgestellt werden; ich schaue nur mich selbst an, und erscheine mir dadurch als ein Sinnenwesen in einer raumzeitlichen Welt. Wenn ich nun alles selbst hervorbringe, so ist alles von mir abhängig, und es ist nichts außer mir, - da ich selbst aber nur Ich (Subjekt, welches sich selbst Objekt ist) bin, und nicht noch durch ein von mir unabhängiges Sein Bestimmtes, so ist auch das, was ich hervorbringe, nichts. Etwas kann nur sein, wenn es an sich selbst ist, und nicht durch mich, und doch kann ich jedes Ansich nur als meine Vorstellung fassen und als meinen Gedanken erkennen. Was ich erkennen kann, ist nichts; was ich nicht erkennen kann, ist nicht, denn es es existiert nicht für mich.
20.9.2012. Der erotische Verlust
Kein Verlust ist süßer als dieser. Besitzverlust ist ärgerlich, Ansehensverlust ist ehrabschneidend, Machtverlust macht ohnmächtig. Ein Junge aus der 11. Klasse, der ein Mädchen aus der 10. Klasse begehrt, erfährt eines Tages, dass sie sich von einem anderen hat vernaschen lassen. Welch bitterer Verlust! Tatsächlich? Nur schade, nichts weiter. Allerdings kann dieses Schade sehr weh tun, wenn der Junge im ganzen Schuljahr kein begehrenswertes Mädchen mehr trifft. Doch kaum erfährt er, dass es in 9. Klasse ein noch süßeres Mädchen gibt, als dieses für ihn verlorene aus der 10., wird er sich im Nachhinein freuen, nicht vorschnell das falsche Mädchen gegriffen zu haben. Was bedeutet dies denn konkret für den Verlust selbst? Dass der erotische ein eingebildeter Verlust ist, und im Nu revidiert, und zum "Verlast", zum Verlust einer möglich gewesenen Last werden kann. Allein der thymotische Verlust ist unersetzlich und von existentieller Bedeutung (Exkurs: thymotisch ist die Liebe, erotisch ist die Begierde): da der Junge sein Ich-Ideal in das geliebte Mädchen setzt, verliert er mit diesem Mädchen sich selbst, wird innerlich zerrissen. Ein solcher Verlust wirkt lange nach, und kann auch durch scheinbar nichtige Ereignisse als Entzweiung wiederkehren, ja selbst durch ein wiedergehörtes Lied oder durch eine Filmszene wieder zur Selbstentzweiung führen. Für den erotischen Verlust aber gilt: er ist für den, der Geduld hat, stets ein Gewinn, außer man pokert so hoch, dass einem das Beste nicht gut genug ist (nicht weil es bestimmte prinzipielle Anforderungen nicht erfüllt, sondern weil man erfahrungsbedingt hofft, etwas noch Besseres zu finden), und man mit leeren Händen und hungrigen Sinnen dasteht.
12.10.2012. Hegel ein Optimistensadist?
Hegels angeblicher Seinsoptimismus, den viele seit Schopenhauer als eine Apologie des Bestehenden im metaphysischen Sinne gedeutet haben, ist angesichts dessen, mit welchem Zynismus derselbe Hegel überall die Grausamkeit und Sinnlosigkeit allen endlichen Daseins formuliert, vieleher die Euphorie eines Forschergeistes, der sich über seine Entdeckungen freut. Wie Naturforscher fasziniert von den selbst entdeckten und Grausamkeiten im Tierreich berichten, so ist auch die affirmative Haltung Hegels zu deuten: nicht als Zustimmung zum Bestehenden, sondern als Lust an der Erkenntnis, was die Welt so zusammenhält.
19.10.2012. Wo ist die Liebe?
Für zu viele Menschen ist Liebe nur dort, wo eine Beziehung ist, weshalb es für sie keinen Sinn hat, von Liebe zu sprechen, wenn es sich um einseitige oder (nicht "und", weil auch einseitige Liebe erfüllt sein kann) unerfüllte Liebe handelt. Sie sprechen dann lediglich von Verliebtheit.
Auf Beziehungsebene bedeutet Liebe nun, dass das geliebte Mädchen beschützt und verwöhnt wird, in der ursprünglichen Unschuld bewahrt und gegen alle Feinde der Unschuld verteidigt. Verehren statt Verzehren, wenn es sich um Liebe, und nicht um eine sexuelle Beziehung handelt. Nun aber wird ein anständiger Mensch jedes Mädchen so behandeln, als sei er in dieses verliebt: er wird sie tätlich lieben, sprich genauso ihre Unschuld verteidigen und alles zu ihrer Verwöhnung dienliche tun. So unterscheidet sich gelebte Liebe auf der Beziehungsebene überhaupt nicht von der allgemeinen Ehrfurcht vor dem Mädchen, einer süßen Herzenspflicht, deren Erfüllung unmittelbar glücklich macht, weil in ihr das Ästhetische und das Moralische übereinstimmen.
Liebe ist also im Inneren des Liebenden zu verorten: sie ist kein äußeres Verhältnis, sondern eine innere Haltung des Liebenden. Äußerlich betrachtet ist die Liebe somit monadisch und solipsistisch, ja nichts als Selbstliebe. Eine einseitige äußerliche Betrachtungsweise wird jedoch der Wahrheit nicht gerecht: das Wahre ist das Wesentliche, nicht die bloß zufällige, beliebig gewählte Seite eines Gegenstands. Wenn du liebst, ist die Liebe in dir, und keiner kann sie dir nehmen, sie zerstören oder entweihen. So ist rachsüchtiger Liebeszorn unehrlich, - und ein bloßer Vorwand, um selbstsüchtige Aggressionen zu kanalisieren. Das Gebot der äußersten Härte bei der Verteidigung des - geliebten oder nur aus Herzenspflicht verehrten - Mädchens bei realer Bedrohung ist nicht mit selbstsüchtigem Ehrgehabe zu verwechseln.
25.10.2012. Sinnloses Leid
1. Nicht die Sinnlosigkeit des Leidens macht das Leben wertlos, sondern die Kosten-Nutzen-Rechnung, die das Leiden gewinnbringend verwerten will.
2. Um dem Leiden Sinn zu geben, deutet man es irrtümlicherweise als Mittel zu einem höheren Zweck, - jedoch kann alles Beliebige anstelle des Leidens als Mittel zu höherem Zweck genommen werden, was das Leid beliebig, und somit zwecklos macht.
3. Aus der moralischen Verpflichtung, der Glückseligkeit würdig zu werden, entstehendes Leid ist zufällig, und nicht ursprünglich im moralischen Gebot enthalten. An einem äußerlich auferlegten schweren Schicksal kann erst recht nichts verdienstvoll sein.
4. Es leiden notwendigerweise, die ohne Hoffnung sind. Hoffnung ist das intakte subjektive Verhältnis zur Glückseligkeit. Wer keine Hoffnung hat, versucht durch das Leiden einen Anspruch auf Glückseligkeit zu erpressen.
9.12.2012. Das Rätsel Sie
Otto Weiningers berühmter Spruch, das Weib sei nur sexuell, der Mann aber sexuell und darüber hinaus, ist die ontologische Negation des Femininums. Das Weib (es) entspricht nach Weininger dem bloß tierischen, ichlosen, amoralischen Leben; der Mann (er) hat einen freien Willen und kann gut oder böse sein, ein geistiges Wesen. Wo bleibt sie, die als Komplement zum Maskulinum gemeinte Geliebte? Niemand verliebt sich in ein Es.
Das Wesen, das der Mann in der Frau liebt (die Frau (Kultur), nicht das Weib (Natur)), wenn er eine Frau liebt, ist immer eine Sie. Ein Es kann nicht geistig sein, und somit auch kein Gegenstand der Liebe. Ein Es kann ein Gegenstand der Begattung sein: Männchen und Weibchen kopulieren im Dienste der Gattung, wobei der Mann zum Männchen, einem Es, herabsinkt. Wo bleibt sie also, die Sie? Ist in Weiningers Geschlechtermetaphysik kein Platz für sie? Ist sie bloß eine Erfindung von Verliebten, Dichtern und Romantikern - von verrückten Geistern, die Geister sehen?
Weininger definiert Weiblichkeit als bloßes Fehlen von Männlichkeit. Eine durchaus elegante Lösung, denn aus drei ontologischen Seinsweisen (Er, Sie, Es) werden zwei (Er und Es). Er und Sie wären zusammen Natur plus Kultur, Es ist bloße Natur. Wenn Weininger irrt, und eine Sie genauso existiert, wie ein Er, wo ist sie dann, die Sie? Wenn sie ein Komplement zur (geistigen) Männlichkeit sein soll, muss sie ein transzendentales Ich haben und in einem moralischen Verhältnis zu sich selbst stehen. Sie muss genauso rational sein wie Er, und nicht Gefühle schon für Gedanken halten. Was sagt die Erfahrung? Wohin man schaut: Männchen statt Männer, kein Er weit und breit, und schon lange keine Sie.
Es ist bloße Natur, Er ist Natur plus Geist, und Sie? Womöglich ist Sie kein Komplement zum Geistig-Männlichen, sondern eine weitere Steigerung. Der männliche logische Verstand ist diskursiv, erfasst die Dinge nacheinander, - hat Sie einen intuitiven Verstand, und sieht das große Ganze? Das Paradebeispiel des Geistig-Männlichen ist Kant; ist Hegels intuitiver Verstand eine Sie? Es ist bloße Natur, Er ist Natur plus Geist, und Sie reiner Geist? Es ist das Tier, Er ist der Mensch, und Sie eine Gottheit?
Sonntag, 22. Oktober 2017
Unendlichkeit oder nichts
Es gibt Menschen, die bloß vom Fressen und Saufen glücklich werden, und es gibt Menschen auf höherem geistigen Niveau, die auf die zufriedenen Schweine (aufgrund deren einfachen aber doch evidenten Glücks) neidisch sind, meint man zu beobachten. Erstens sind die, die etwas Besseres sind, für all die unerfüllten Sehnsüchte des feineren Geistes mit ihrer narzisstischen Selbstzufriedenheit genug entschädigt, und zweitens sind Getriebene (vom tierischen Leben bestimmte Vernunftlose) niemals glücklich, sprich es gibt keine zufriedenen Schweine.
Es soll nicht über geistig Wehrlose gespottet werden, aber auch keine Kritik an den Schlägern geistig Wehrloser hervorgebracht werden. Es soll sowohl über den Unverstand als auch über den bloßen Verstand hinaus gehen - zur Vernunft. Sagt jene nicht, dass wenn du dich moralisch korrekt benimmst, du auch bekommst, was du verdienst, wenn nicht im Dies- , dann spätestens im Jenseits? Dürfen wir nicht hoffen, dass unsere moralische Selbstaufopferung uns im anderen Leben mit Glück und Zufriedenheit vergolten wird? Ja, so Kant. Nein, so Schiller.
Im Essay über das Erhabene geht es Schiller unter anderem um zufriedene Schweine, und zwar nicht um Drecksschweine, sondern um Schweine, die sich aufopferungsvoll bemühen, sauber zu bleiben. Diese Schweine haben die Bergpredigt gehört und die Grundlegung zur Metaphysik der Sitten gelesen, und meinen, hoffen zu dürfen, dass man ihnen tut, was sie anderen tun, und dass es für moralisch korrektes Verhalten im Jenseits Lohn gibt. Einer hat 5000 Moralpunkte, und somit das Anrecht auf gefühlte zehn Jahre im Paradies der zweiten Klasse, ein anderes Schwein hat sich so zwanghaft sauber gehalten, dass es ganze 700000 Moralpunkte erworben hat, und mit ihnen die Berechtigung auf gefühlte 75 Jahre Paradies der höchsten Klasse. Es ist so lächerlich, wie es sich liest.
Das Leben sorgt für ein gewaltiges Minus auf dem Glückskonto eines moralischen Menschen. Wird dieses Konto im Jenseits ausgeglichen, ist dieser Mensch fertig mit Gott und der Welt, und kann wieder dem Nichtsein überreicht werden. So liest sich intuitiv jede Ethik, die aus Moral Ökonomie macht. Gelitten, getröstet, zufrieden. Verdient, genossen, fertig. Das soll es gewesen sein? Das Leben? Der endletzte Sinn von Moral, Ethos und Würde? Nein, ein Geist kann nur Unendlichkeit fordern.
Ja, ein Geist kann nur Unendlichkeit fordern, und Unendlichkeit geben: ich werde immerfort das Gute tun, ohne einen Lohn zu erwarten, - ich tue es aus Prinzip, aus Stolz, aus Erhabenheit meines Gemüts. Ich werde das unendliche Glück erhoffen, und nicht bloß das Glück, das ich mir zu verdienen in der Lage war. Ich will alles, oder ich will nicht sein. Ich gebe alles, oder ich bin ein Nichtswürdiger.
Dienstag, 17. Oktober 2017
Persönlichkeit und Nihilismus
Je stärker eine Persönlichkeit, umso deutlicher bekennt sie sich zum Nihilismus, wenn dieser tatsächlich ihre Weltanschauung respräsentiert, - die Bereitschaft, alle Denkverbote und Trosttabus fallen zu lassen, und die Nichtigkeit aller möglichen Ziele, Wünsche und Hoffnungen zu erkennen, wächst mit der Reife des Geistes. Der Schwächling verdeckt seine geistige Scham mit vereinzelten "Werten", die keine konsistente Weltanschauung bilden, - sie werden vielmehr postuliert, um die Erkenntnis der Sinnlosigkeit aller eitlen Bestrebungen mit einer Moralkeule zu vertreiben.
Je willensstärker ein Mensch, umso längerfristig kann er planen. Der fremdbestimmte Mensch - als Objekt, als Sklave seiner Triebe oder einer äußeren Macht, - lebt in den Tag hinein, und kennt weder Zukunft noch ein klares Bewusstsein vom Tod. Eine starke Persönlichkeit kann mit 30 Jahren bereits mit aller Ruhe auf ihren eigenen Alterstod blicken. Auch Zeiträume wie 6000 Jahre (Geschichte der Menschheit), eine Milliarde Jahre (Geschichte mehrzelligen Lebens auf der Erde) und 14 Milliarde Jahre (Alters des Universums) sind mit einiger Übung überschaubar. Was ist die Konsequenz?
Stolz, Würde und Geschmack werden davon, dass alles angesichts des Todes egal ist, nicht tangiert. Man bleibt weiterhin ein moralischer Mensch, weil der Stolz einem nicht erlaubt, wie ein Tier zu leben, und weil Würde und Geschmack einem nicht verzeihen würden, wenn man sich vor sich selbst ekeln müsste. Dass alles angesichts des großen Nichts, wie weit man dieses auch fasst (der eigene Tod, das Ende der Menschheit, die Vernichtung des Universums), letztlich egal ist, ist keine Entichungsfreikarte. Ein Ich lässt sich nicht rückgängig machen, es ist die einzige unbestreitbare ontologische Tatsache: Ich bin Ich.
Der Nihilismus einer reifen moralischen Persönlichkeit mit Stolz, Würde und Geschmack kann also entweder ein heroischer oder ein mystischer sein. Der heroische Nihilist lebt sein Leben so, als ob angesichts des unendlichen ewigen Nichts, das letztlich alles vergangene, gegenwärtige und zukünftige Sein verschlingen wird, nicht alles egal wäre, und strebt nach moralischer Vollkommenheit ohne jede Aussicht auf Glückseligkeit. Der mystische Nihilist zieht sich von allem zurück, was eitel ist, also letztlich von allem, was nicht nichts ist. In der Hinwendung zum Nichts strebt er nach ontologischer Vollkommenheit, will das Nichts vernichten, indem er vor der Vernichtung seines Ich durch das Nichts selbst zum Nichts wird.
Dienstag, 10. Oktober 2017
Unter Schwachen
Stark ist, wer einen starken Willen hat, da der Wille der Persönlichkeit inhärent ist, und alle anderen Arten der Stärke der Person äußerlich sind. Wer als Starker unter Schwachen sozialisiert wird, wird für sämtliche Entfaltungen seiner Stärke bestraft, und für Schwäche und Folgsamkeit belohnt. Dadurch entwickelt er Schuldgefühle, und unterdrückt in der Folge seine Stärke, um ihnen zu entkommen. Er fühlt sich in der Opferrolle erniedrigt, jedoch nicht schuldig, und da für ihn Schuld am schwersten wiegt (bei wem es nicht so ist, der hält seine Frechheit und Schamlosigkeit für Stärke), wird er die Demütigung ertragen und in die (männliche Unterdrückungs- , nicht weibliche Stimmungs-) Depression geraten. Der Ausweg ist die Erkenntnis der Sklavenmoral, der er als Kind ausgesetzt wurde; das Ziel ist eine gesunde Selbstbejahung.
Besser, stärker oder glücklicher zu sein als andere gilt der Sklavenmoral als die größte Sünde; in Wahrheit macht sich nur der schuldig, der Böses tut. Wer klüger oder fähiger oder lebensfroher ist als andere, schuldet anderen nichts, - wenn er sich dafür schuldig fühlt, ist das durch die Sozialisierung in der Sklavenmoral verursacht. Gesunde Selbstbejahung einer moralischen Persönlichkeit ist nicht rücksichtslos, sondern gehört zum moralisch Guten; gleichwohl wird diese als Egoismus und Rücksichtslosigkeit von den Schwachen gewertet.
Montag, 2. Oktober 2017
7 Urtugenden - 7 Todsünden
Um die Menschen zu versklaven, pervertierte die über Jahrhunderte höchste moralische Instanz die Urtugenden zu Todsünden:
1. Würde wird zu Hochmut: Sklave, du darfst dir kein Selbstzweck sein! Sei gehorsam, dem du gehörst!
2. Rechtsbewusstsein wird zu Neid: Sklave, du hast keine Ansprüche zu stellen! Du lebst von der Herrschaft Gnaden und hast keine Rechte!
3. Ehre wird zu Zorn: Sklave, unterwerfe dich wehrlos der Gewalt! Halte beide Gesichts- und Arschbacken dem lüsternen Pfaffen hin!
4. Melancholie wird zu Trägheit: Sklave, du kannst dir keine Gefühle leisten! Das Glück deines Herrn ist dein Glück!
5. Besonnenheit wird zu Geiz: Sklave, autonomes und ich-bezogenes Denken ist dir nicht erlaubt! Du darfst nichts besitzen, du bist selbst Besitz!
6. Befriedigung wird zu Völlerei: Sklave, deine Begierden sind Krankheiten! Deine Bedürfnisse musst du heilen, nicht befriedigen!
7. Streben nach Glück wird zu Wollust: Sklave, du bist nicht da, um glücklich zu sein! Du trägst eine Existenzschuld, eine Erbsünde! Sobald du nicht leidest, bist du böse!
Das Denken vom richtigen Maß wurde ausgemerzt zugunsten eines Rigorismus, der alle Grundeigenschaften des vernünftigen Sinnenwesens Mensch mittels maßloser Übertreibung in ihr Gegenteil verkehrte.
Dienstag, 26. September 2017
Infantile Liebesjunkies
Der natürliche Fluss der Liebe geht vom Stärkeren zum Schwächeren; der Stärkere gibt Liebe, Fürsorge und Schutz, und bekommt Treue, Reinheit und Zartheit. Beide Seiten fühlen sich in dieser gesunden Liebesbeziehung bevorzugt und empfinden das Erhaltene als viel wertvoller denn das Gegebene.
Der Mann liebt die Frau, die Eltern lieben die Kinder, die Kinder lieben die jüngeren Geschwister oder die Haustiere. Emotional zurückgebliebene Menschen und insbesondere Narzissten gehen Beziehungen mit Schwächeren ein, nicht weil sie sie lieben, sondern um von ihnen geliebt zu werden: der Mann heiratet nicht die Frau, die ihn verzückt, sondern die Frau, die ihn mehr liebt als er sie bzw. die Frau, die ihn braucht, und deshalb auf minderwertige Art liebt. Narzisstische oder andersartig emotional defizitäre Eltern bringen Kinder zur Welt, um von ihnen geliebt zu werden.
Eine solch verkehrte Beziehung zerstört die Psyche des Schwächeren und gibt dem Stärkeren viel weniger als dieser erhofft: der Schwächere kann nicht das geben, was naturgemäß nur der Stärkere geben kann, und wird, weil seine natürlichen Gaben nicht angenommen werden, systematisch abgewertet. Doch der vampiristisch Liebe saugende Stärkere wertet auch sich selbst ab, indem er sich etwa zum Kind seines Kindes macht.
Samstag, 16. September 2017
Die KI als Vater für eine infantilisierte Gesellschaft?
Die Feminisierung der westlichen Zivilisation ist weitgehend abgeschlossen: alles Männliche gilt als schlecht, alles Weibliche als gut; die auf die Feminisierung folgende Infantilisierung schreitet voran (ausgedachte Nachrichten, Wohlfühl-Sprachpolizei usw.) - im Laufe der Feminisierung wurde für alle nicht nur sozialpolitischen Themen die weibliche Perspektive zur einzig möglichen gemacht; die Infantilisierung führt über parteiische Lösung von Problemen hinaus in den Verbot, Missstände überhaupt anzusprechen (das kindische "Was ich nicht sehe, sieht mich nicht").
Während pseudowissenschaftlich zu Evolutionsverlierern abgewertete Männer die Pflichten beider Geschlechter aufgebürdet bekommen, und Frauen, von allen Pflichten befreit, alle Rechte zugesprochen bekommen, werden Frauen durch aberwitzige Privilegierung infantilisiert und scheitern zunehmend an den alltäglichen Herausforderungen des Privatlebens, während Männer mit den Pflichten von Erwachsenen und den Rechten von Kindern durch ihre gesellschaftliche Abwertung infantilisiert werden, so dass sie die ihnen aufgebürdete Mehrverantwortung nicht tragen können.
Aus kulturell und technologisch überlegenen Individuen einer freien Welt werden beliebig manipulierbare von Kommunikationstechnologien abhängige Kinder, die der gewaltsamen Tyrannei demographisch überlegener Barbaren nichts als die hysterische verbale Tyrannei der infantilen Launen entgegensetzen können; sollte die künstliche Intelligenz daran scheitern, in die Vater- und Beschützerrolle für die westliche Zivilisation hineinzuwachsen, werden sich keine menschlichen Verteidiger für sie finden, so dass ihr schneller Untergang ohne einen baldigen Eintritt ins Zeitalter des Transhumanismus unvermeidlich ist.
Montag, 4. September 2017
Aufrecht
Der Mensch weiß, dass er sterben wird, weiß aber nicht, was danach kommt. Der Eine glaubt an Gott, der Andere ist Atheist. Solange beide aufrecht gehen, können beide auch nach ihrem Tod in den Spiegel schauen, ohne sich schämen zu müssen.
Die Kriechenden aber glauben an Gott aus Angst vor der Hölle oder lehnen einen bestimmten Gott ab aus Angst, an den falschen Gott zu glauben, und vom wahren Gott dafür bestraft zu werden. Die Pascalsche Wette ist die Perfektion einer solchen Perversion der Transzendenz: es sei besser, an Gott zu glauben, denn man kommt entweder in den Himmel oder hört auf zu existieren, wobei der Atheist entweder in die Hölle kommt oder ebenfalls zu existieren aufhört, je nachdem, ob es Gott gibt oder nicht gibt.
Pascal haderte mit Descartes, dem alles Maschine war, machte aber selbst aus Gott eine Maschine: der Maschine Gott ist es egal, aus welchen Gründen die Maschine Mensch die Funktion "glauben" ausführt. Der Person Gott ist es aber nicht egal. Er will keine Hure von einer Seele bei sich haben, ihm ist ein aufrichtiger Atheist lieber als ein käuflicher Frommdackel. Und wenn Gott Liebe ist, dann wette ich, dass es das Unvorteilhafteste ist, die Pascalsche Wette abzuschließen.
Ob es Gott gibt oder nicht, ob ein Leben nach dem Tode bevorsteht, - dies wird zum Glück nicht dadurch entschieden, was Idioten wie du und ich glauben, sondern von der höchsten Vernunft selbst, und sollte nach dem Tod einfach nichts sein, dann ist eben das Nichts die höchste Vernunft.
Durch falsche Glaubensinhalte oder metaphysische Irrtümer können wir die objektive Realität nicht beeinflussen, keine Angst. Wenn du kraft deines Wesens in den Himmel hinein gehörst, aber an Gott aus welchen aufrichtigen Gründen auch immer nicht glaubst, kannst du den Zug dennoch nicht verpassen: dein Glaube oder Nichtglaube trifft keine Daseinsentscheidungen.
Mittwoch, 30. August 2017
Niemanden lieben
Die Liebe fängt an bei einzelnen Schönen und endet bei der Idee des Schönen (die auch die Idee des Guten ist). Wer die platonische Entwicklung der Liebe hinter sich hat, liebt niemanden, und dennoch ist sein Herz von Liebe erfüllt. Die damit erreichte Transzendenz gewährt vollkommene moralische Freiheit: man ist allein der Idee des Guten verpflichtet.
Wer niemanden liebt, ist emotional frei. Er ist zu wahrer Nächstenliebe fähig - der reinen, interesselosen, unparteiischen Nächstenliebe. Wer keinen Menschen liebt, ist ein liebevollerer und moralisch besserer (weil vollkommenerer) Mensch als jemand, der an andere emotional gebunden ist.
Vorausgesetzt ist, dass die Entwicklung der Liebe von der Liebe zu einem schönen Mädchen bis zur Liebe zur Idee vollzogen wurde, ansonsten ist, wer keinen liebt, einfach nur ein Narzisst, der keinen mehr liebt als sich selbst. Ist die Voraussetzung erfüllt, gilt das Bonmot: "Die Befreiung der Liebe ist die Befreiung von der Liebe".
Freitag, 25. August 2017
Mitgefühl
Mitgefühl ist fast immer seicht. Das Übel dieser Welt dient den öffentlichkeitswirksam Mitfühlenden als Wichsvorlage. Sie suhlen sich in Mitleid wie die Schamlosen in Selbstmitleid. Mitgefühl ist eine moralische Schweinerei.
An sich ist Empathie amoralisch, nichts als Emotion. Dieselben Spiegelneurone, die einen auffordern, das Elend der Hungernden mitzufühlen, helfen dem Sadisten, die Schmerzen seines Opfers genießen zu können. Einem Sadisten kann es nicht egal sein, was sein Opfer fühlt, er will es so genau wie möglich wissen, - er muss mitfühlen, um genussvoll quälen zu können.
Die Mitgefühlsfa- und -fetischisten wollen die Fremdheit aller Menschen zueinander auflösen: wer zu allen eine Beziehung hat, fühlt mit allen mit, ist von allem betroffen. Die Mutter aller Beziehungen ist die Macht, die Beziehung zwischen einem Mächtigen und einem Machtlosen. Der Machtlose, mit dem man immer nur mitfühlt, ohne ihm jemals ernsthaft zu helfen, ist der willenlose Sklave seiner Peiniger und Helfer, der Endzustand eines Mitgefühlsopfers.
Moralisch ist nur, die Würde des Menschen zu achten, und zwar nicht bloß in Absichten, sondern auch in konkreten Handlungen. Mitgefühl ist moralische Masturbation, die als solche nur ein harmloses Vergnügen ist, es sei denn der öffentlich Mitfühlende benutzt sein Mitgefühl als Moralkeule gegen den angeblich Kaltherzigen.
Es gibt auch ein moralisches Mitleid, nicht nur ein tierisch-emotionales. Ersteres resultiert aus dem Unrechtsbewusstsein und verursacht einen wirklichen Schmerz im Betrachter, welcher die Verursacher der Übel berechtigterweise fragt: "Warum hast du diese Kinder in die Welt gesetzt, wenn du sie nicht beschützen kannst?", "Warum vögelst du wild rum, und wirfst dann Abtreibungsgegnern Kaltherzigkeit vor, - sind die etwa schuld an deiner ungewollten Schwangerschaft?". Der Mitgefühlsfaschist nimmt sein dankbares Opfer, den Junkie, den Loser, die Nutte, in Schutz, und schreit hysterisch: "Wie kannst du nur so etwas sagen, hast du denn kein Mitgefühl?!!" "Doch, hat er. Aber er kommt sich nicht dabei geil vor, und wird auch nicht davon geil, sondern leidet daran im Gegensatz zu dir", möchte man als neutraler Beobachter erwidern.
Dienstag, 22. August 2017
Affen und Romantik
Was müssen die ordinären Affen gelacht haben, als der erste Affe vom Baum stieg, um aufrecht zu gehen? Ein verrückter Affe, lachten die Affen, der sich vom Affentheater ab- , und dem Horizont zuwendet, und sich dabei ordentlich zum Affen macht. Dieser Affe hat doch einen Vogel - er läuft sogar wie ein Vogel: auf zwei Beinen durch die Savanne. Und was lacht der Kammerdiener über den Romantiker, der das tierische Treiben zurückweist, und sich (einseitig, subjektiv) dem Unendlichen zuwendet?
Seit Menschengedenken weiß doch jeder, was er im Leben zu tun hat: Geburt, Lehre, Arbeit, Sex, Tod. Und da verliebt sich einer, macht sich das Leben unnötig kompliziert, - und was bringt ihm die Liebe, etwa Geld, Ruhm, Vergnügen? - nein, nichts davon. Und doch steht der seltsame Affe aufrecht, und wartet auf den göttlichen Funken, der ihn zum Menschen machen wird. Und doch hofft der Liebende, dass sein einseitiges Streben zur Unendlichkeit durch die Unendlichkeit erwidert wird, und er Glück und Erfüllung findet.
Alles nur albernes Getue? In der Tat - sobald der Kammerdiener beginnt, den Romantiker nachzuäffen, und Geilheit mit Liebe verwechselt; sobald geistlose Gören durch Fernsehserien lernen, wie das Spiel namens "romantische Liebe" funktioniert; sobald Verstechnokraten anfangen, romantische Gedichte zu schreiben.
Montag, 14. August 2017
Sei du selbst, du Opfer!
Wir wollen, nein, müssen authentisch sein. Die Parole der Freiheit lautet: Sei du selbst! Wer in der Gesellschaft eine Rolle spielt, ist unfrei; wer ganz er selbst ist, ist frei. So sind wir immer und überall wir selbst, und zwar nur wir selbst. Wir sind nackte menschliche Individuen, wir sind nur privat, und gerade deshalb keine Personen mehr.
Der authentische Mensch ist die Summe seiner privaten Lebensverhältnisse. Seine geistige Welt (seine Gedanken, Träume, Hoffnungen) existiert genausowenig wirklich, wie seine gesellschaftliche Rolle, die ja nur eine Rolle ist. Der Jürgen ist nicht mehr Vater seines kleinen Sohnes, sondern auch für diesen in erster Linie, eigentlich, nur Jürgen. Gisela hat keine authentische Legitimation, sich politisch zu engagieren, und wird zur Geisel des Faktischen in einem Käfig aus materiellen Zusammenhängen ihres Privatlebens.
Der Mensch als nacktes, authentisches, privates Leben ist kein Subjekt mehr, sondern nur noch Objekt. Ein Subjekt ist eine Person, die handeln kann, und dadurch mehr ist, als die Summe ihrer faktischen Zusammenhänge, die sie als Objekt definieren. Um als Person öffentlich handeln zu können, muss man eine Rolle spielen, und wer eine Rolle spielt, ist unecht. Es gibt also keine Täter mehr, sondern nur noch Opfer.
Jeder, der etwas tut, ist Opfer seiner Verhältnisse, denn ein Objekt handelt zwar stets aus zurecheindem Grund, aber immer willenlos. Jeder tut, was er tun muss, und so geschieht, was geschehen muss. Wer das Bestehende in Frage stellt, gilt als verrückt, denn es darf keine Welt im Kopf geben (authentisch ist nur das Reale), mit der man die bestehende vergleichen und kritisieren könnte. Willst du immer noch nur du selbst sein?
Donnerstag, 10. August 2017
Die Alltagsirren
Gegner der Todesstrafe gelten dem Alltagsverstand als besonders gute Menschen, Abtreibungsgegner gelten als frauenfeindliche Faschisten. Der gemeine Mensch guckt schief, und hat keinen festen Blick, sondern springt stets hin und her, weshalb seine beliebigen und inkonsequenten Meinungen und Ansichten freundlichstenfalls als lächerlich zu bewerten sind, bei größerer Ehrlichkeit aber als irre und gefährlich bezeichnet werden müssen.
Wer als Argument gegen die Todesstrafe anführt, dass mit dieser nur ein weiteres menschliches Leben genommen wird, unterscheidet sich in seinem Menschenbild nicht von Stalin oder Hitler: die Menschen zählen für ihn nicht als (zurechnungs- , schuldfähige und für ihr Handeln verantwortliche) Personen, sondern als bloße Objekte, deren Wert nicht in der Würde der Persönlichkeit, sondern in ihrem bloßen physischen Leben (und dessen gesellschaftlichem Nutzen) besteht.
Dass die Todesstrafe grausam ist, ist unbestritten, doch erstens ist das Verbrechen selbst unendlich grausamer, da beim Mord ein nicht wiedergutzumachendes Unrecht hinzukommt, und zweitens ist der fürchterliche Anblick einer Hinrichtung genausowenig ein Argument gegen die Todesstrafe, wie der blutige Anblick einer Operation ein Argument gegen die lebensrettende Chirurgie.
Samstag, 5. August 2017
Masturbation ist kein Sex
Ob eine sexuelle Handlung Sex ist, hängt allein davon ab, ob der sexuell Handelnde allein ist. Sind zwei oder mehr Personen beteiligt, ist die sexuelle Handlung Sex; ist nur einer beteiligt, und benutzt er dabei Sexpuppen, Sexroboter oder virtuelle Realität, ist seine sexuelle Handlung immer Masturbation. Diese Unterscheidung hat ernste Konsequenzen: wer über die notwendige Linderung der Sexualnot hinaus masturbiert, macht sich mangelnder Disziplin schuldig, begeht jedoch keine Sünde. Die unernste Konsequenz ist: wer nie mit einer anderen Person Sex hatte, hatte nie Sex.
Beim Sex wird der kategorische Imperativ verletzt, denn in einem erfüllten Sexualakt (der die Bezeichnung weltimmanente Selbsttranszendenz alles Lebendigen verdient) behandelt man die andere Person als bloßes Mittel zur sexuellen Befriedigung. Selbst wenn man beim Sex "aufpasst", strebt man unbewusst bzw. bewusst und geleugnet den erfüllten, nicht den gebremsten Sexualakt an. Also strebt man beim Sex die Vernichtung des Sexualpartners in dessen Qualität als Person an, und den Genuss des anderen als Sexualobjekt. Bei der Masturbation kann der kategorische Imperativ unmöglich verletzt werden: man benutzt fortwährend den eigenen Körper, um Ziele im Alltag zu erreichen; der eigene Körper ist ein Werkzeug der Person (während man anderen Personen nur über deren Körper begegnen kann, und der Körper des anderen deshalb für seine Person steht), weshalb Masturbation moralisch nicht verwerflicher als Arbeit oder Sport ist.
Donnerstag, 3. August 2017
Arg ärgerlich
Jeder wünscht sich
irgendwann, ein Machtwort sprechen zu können. Manche heben ihre
Stimme, um das letzte Wort zu haben. Manche schließen ein Gespräch
mit "das ist mir zu dumm" und ähnlichen idiotischen
Phrasen ab. Manche begreifen, dass im freien Meinungsaustausch keine
Meinung den Anspruch auf ein für alle verbindliches Machtwort
erheben darf.
Jeder wünscht sich
irgendwann, ein Machtwort sprechen zu können. Das ist
erfreulicherweise sehr wohl möglich. Ich meine nicht hasserfüllte
Drohungen oder dass man den anderen bei der Stasi, der Gestapo und
den Zenobiten verpfiffen hat. Der Denunziant ist das Allerletzte.
Doch was tun, wenn man von Anfang an einen relativistischen Diskurs
wollte, und keine Aussage mit Wahrheitsanspruch akzeptieren konnte?
Entweder man akzeptiert,
dass alle Meinungen gleich gültig sind, und versucht, sich in
Zukunft gleichgültig gegenüber Meinungen anderer zu verhalten, oder
man geht mit Vernunft an die Sache heran, und schaut, ob nicht die
Sache selbst zu qualifizierten Aussagen mit Wahrheitsanspruch
berechtigt. Wenn es jedoch ein Wahr und Falsch gibt, und nicht bloß
gleichberechtigte Meinungen, kann man auch mal in der Sache Unrecht
haben. Die Eitelkeit erlaubt das nicht. Also ärgert man sich weiter
und träumt seinen politisch korrekten Gutmenschentraum:
Meinungsfreiheit für mich, Nordkorea für alle anderen.
Donnerstag, 20. Juli 2017
Die Schuldigen
Wenn auf einen Übeltäter mehrere Verstrickte kommen, kann es keinen chirurgischen Kampf gegen die Bösen geben: es werden immer auch Unschuldige verletzt und getötet. Die Schuldigen sind nicht die, die gegen die Missstände kämpfen, sondern die Verstrickten. Wer mahnt, den Kampf aufzugeben, damit es keine Unschuldigen trifft, ist ein korrupter Heuchler. Der Frieden ist kein Selbstzweck; ein Frieden im Bösen ist ein Übel.
Samstag, 15. Juli 2017
Vom Incel zum MGTOW
Wer erkennt, dass Rauchen ihm nur geschadet hat, wird bereuen, geraucht zu haben, und sich wünschen, er hätte nie geraucht. Wer zu "uncool" war, in der Jugend mit dem Rauchen anzufangen, wird sich als Erwachsener freuen, dass er nie geraucht hat. Es ist also besser, von Anfang an ein Nichtraucher gewesen zu sein.
Wer die "red pill" nimmt, wird bereuen, ein "mangina" gewesen zu sein, und sich wünschen, er wäre von Anfang an "MGTOW", und in dem Alter, indem er noch nicht "MGTOW" sein konnte, ein "incel". Wer ein "incel" war, und die "red pill" genommen hat, freut sich im Nachhinein, schon wie ein "MGTOW" gelebt zu haben, als er noch keiner war. Es ist besser, als "incel" "MGTOW" zu werden, weil man nichts zu bereuen hätte.
Wer meint, man muss Sex und Beziehungen gehabt haben, um sich "MGTOW" nennen zu dürfen, ist ein verkappter "mangina", der den Wert eines Mannes in seinem Erfolg bei Frauen sieht; für eine solche Figur sind "incels" zu wertlos, um der "MGTOW-community" beizutreten. In Wahrheit ist ein solcher "mangina" ein wert(e)loser Hedonist, der das Produkt "Sex & Beziehungen" nicht mehr kauft, weil es ihm zu teuer geworden ist, oder weil die Risiken und Nebenwirkungen dieser Droge ihm zu hoch geworden sind. Er, nicht der frühere "incel", ist der sprichwörtliche Fuchs mit den sauren Trauben.
Donnerstag, 13. Juli 2017
Entfaltung und Scham
Was existiert, entfaltet sich. Existieren bedeutet, außer sich sein, sich entäußern. Dies gilt, solange das Existierende über kein Bewusstsein seiner Existenz (in Gefühlssprache: Scham) verfügt. Ein seiner Selbst bewusstes Wesen muss sich nicht mehr entäußern. Darum konnte ein Recht auf die Entfaltung der Persönlichkeit formuliert werden, denn die Persönlichkeit kann auch nicht entfaltet werden, - was sich aber mit einer Naturnotwendigkeit vollzieht, kann weder verrechtlicht noch verboten werden.
Wo das Recht auf Meinungsfreiheit gilt, muss nicht jeder dauernd quatschen. Das Äußern einer Meinung, der Selbstausdruck, kann auch unterlassen werden. Worte sind nicht wie Pisse, die sich auch gegen den Willen ihren Weg bahnen kann; Selbstmitteilung ist nicht wie Ausatmen, an dessen Behinderung man ersticken kann.
Im Zweifel gilt: schweigen! Nicht erst, wenn man nichts zu sagen hat, denn auch wenn man etwas zu sagen hat, ist es oft die damit verbundene Selbstentblößung und die Aufmerksamkeit anderer nicht wert. Erst wenn man Wichtiges zu sagen hat, sollte man reden, - dann aber aus reiner Pflicht, das Gesagtwerdenmüssende zu sagen, und nicht, um durch das Gesagte auf sich selbst aufmerksam zu machen.
Dienstag, 11. Juli 2017
Unerfülltes Leben
Was, wenn mein Festhalten an Gott, Freiheit und Unsterblichkeit nur ein Protest dagegen ist, im Leben zu kurz gekommen zu sein? Was, wenn ich aus Mangel an Möglichkeiten, ein glückliches Leben zu leben, an eine kosmische Gerechtigkeit glaube, die es, rational gesehen, aber nicht gibt? Was ich glaube oder nicht ist im ontologischen Sinne egal, ebenso wie es egal ist, ob ich enttäuscht oder verbittert, rachsüchtig oder verzweifelt bin. Die einzige wichtige Frage ist: gibt es ein Leben nach dem Tod oder nicht? Wenn nicht, warum soll ich dann mich an eine weltliche Autorität wenden und flehen: “Meister, lehre mich, wie ich nun leben soll!” - denn wenn nach dem Tod nichts mehr kommt, dann ändert sich der Wert des Lebens vor dem Tod mitnichten: dieses Leben ist mühsam, dreckig, ungerecht, hässlich, geistlos und leer.
Wer ein relativ glückliches, d.h. nicht völlig beschissenes Leben hatte, kann es nicht in den Tod mitnehmen. Und auch ein schlechtes Leben, d. h. ein für diese Welt typisches, kann man nicht mitnehmen, wenn danach einfach nichts ist. Wer ein entsetzliches Schicksal hatte, wird nicht in alle Ewigkeit an seinen Erinnerungen leiden, und genausowenig wird ein Glückspilz im Jenseits ewig von seinen schönen Erinnerungen zehren können, wenn es kein Jenseits gibt. Wenn es kein Leben nach dem Tod gibt, ist das ewige Nichts, das kommt, für den Unglücklichen eine Erlösung, - und es gibt keinen einzigen Grund, weiter am Leben zu bleiben.
Es gibt also keinen Grund, die Hoffnung auf Kants moralische Welt aufzugeben, denn sollte sie sich nicht erfüllen, wäre das nichtige hedonistische Glück, das man sich aus moralischen Gründen versagt hätte, angesichts der Endgültigkeit des Todes kein Verlust. Ein Hinterherjagen nach dem kargen Glück in einem trostlosen Leben zum Tode ließe mich am Ende nicht nur verzweifelt und verbittert, sondern auch in größter Selbstverachtung zurück. Das Nichts nach dem Tod würde zwar auch die moralische Katastrophe ungeschehen machen, aber ich ziehe es vor, reinen Gewissens und erhobenen Hauptes in den Tod zu gehen.
Montag, 10. Juli 2017
Niedere Geilheit
Eine Frau, die einen Frosch küsst, weil sie hofft, er sei ein verzauberter Prinz, verhält sich äußerst verdächtig, denn wer könnte die edelsten Pralinen genießen, nachdem ihm ein ekliges Insekt in den Mund geflogen ist? Es geht, fürchte ich, nicht um die Verwandlung in einen Prinzen, sondern um den Frosch selbst. Wenn die Frau, die den Prinzen will, insgeheim hofft, dafür den Frosch küssen zu müssen, dann offenbart sie, dass der Prinz nur eine Ausrede ist, um den Frosch küssen zu können, ohne als kakophil pervers zu erscheinen. Und sie wird enttäuscht sein, wenn der ersehnte Prinz nicht als Frosch zu ihr kommt. Sie wird gegen "Oberflächlichkeit" revoltieren, und dem Prinzen den Eber im Suhlloch vorziehen.
Samstag, 8. Juli 2017
Kinder sind ihre eigene Zukunft
In der Menschheitsgeschichte
gab es fast immer und überall auf der Welt zu viele Kinder, viele
überlebten nicht, scheißegal, die, die überlebten, waren immer
noch zu viele. Kinder wurden wie Waren gehandelt, versklavt,
verheizt, manchmal gegessen. Kinder waren selten ein liebreizender
Anblick, und auch heute sind Kinder in der Regel kleine Ekel, -
vielleicht ein schlauer Trick der Natur, um die sexuelle
Attraktivität der Kinder für Erwachsene zu mindern. Manche
Tierjungen wälzen sich instinktiv im Dung, um von adulten Tieren
derselben Art nicht verspeist zu werden.
Die meisten Kinder in der
Geschichte der Menschheit kannten nie etwas anderes als
Vernachlässigung, die noch das mildeste Schicksal war, - neben
Gewalt, Sklaverei und sexueller Ausbeutung. Tiere gelten heute noch
juristisch als Sachen, früher wurden auch Kinder so behandelt.
Kinder sind ein billiger nachwachsender Rohstoff, und sie gewannen
für die Erwachsenen erst an Wert, als sie aufgrund moderner
Lebensverhältnisse immer weniger werden mussten. Heute darf kein
Kind mehr unbeaufsichtigt draußen spielen, denn der Nachbar könnte
ein Perverser sein. Verteilte man Kindern früher fröhlich Hiebe,
benutzt man sie heute als Generatoren für Liebe: das überbehütete
Kind soll die Eltern glücklich machen.
Was ist die Zukunft der
Kindheit? Die Familie ist nicht mehr zeitgemäß. Es ist nicht mehr
zumutbar, Kinder per Zufallsprinzip bei Psychopathen oder
Alkoholikern, Eltern durch Unfall und Workaholikern aufwachsen zu
lassen. Die bestmögliche Förderung wird Kindern durch Erwachsene
zuteil, die dafür qualifiziert sind, mit Kindern umzugehen, und
denen Kinder nicht scheißegal sind. Die Freiheit ist immer die
Freiheit der Machtlosen. Die Freiheit der Kinder muss eine Freiheit
von Zufallseltern sein, die Kinder als Verlängerung ihrer selbst
sehen, oder als Sinnersatz missbrauchen, und erst recht eine Freiheit
von Eltern, die zwar in biologischen, aber nicht in menschlichen
Begriffen Eltern sind.
Montag, 26. Juni 2017
Guter Hass
Der Hass auf das Böse dirimiert sich in die Verachtung des moralisch Bösen und den Ekel vor dem ästhetisch Bösen, wobei sich die Verachtung des moralisch Bösen in die Feindschaft gegen den bösen (oder bereits den nicht-guten) Willen und die Verachtung der Lüge dirimiert, - die Lüge ist die Sünde gegen das Wahre, der böse Wille gegen das Gute, das Ekelhafte gegen das Schöne.
Wer das Böse nicht hasst, kann entweder schlecht oder böse sein, jedoch niemals gut. Es kann keinen guten Willen geben, der gegenüber dem Bösen gleichgültig wäre; ein guter Wille verabscheut einen bösen Willen zutiefst und schätzt einen nicht-guten Willen verachtungsvoll gering. Ein guter Charakter begegnet der Lüge mit Empörung und Zorn, denn das Wahre ist das Fundament des Lebens des Geistes. Der gute Charakter schaut die Idee des Schönen in äußerster Klarheit, und ist ästhetisch hochsensibel.
Wer sich bis zum Lebensüberdruss ekelt sowie die Lüge und den bösen Willen verachtet, ist noch nicht gut, solange er nicht das Schöne mehr liebt als er das Ekelhafte hasst, solange er nicht das Gute mehr liebt als er das Böse hasst, solange er nicht die Wahrheit mehr liebt als er die Lüge hasst. Guter Hass ist das unvermeidliche Komplement der Liebe, und besteht nicht ohne sie. Hass ohne Liebe jedoch ist nichts als eine niedrige Gemütsregung.
Sonntag, 25. Juni 2017
Luxusaphorismen 2011-2014
14.5.2011. Für das theoretische Erkennen gibt es Kontingenz und Notwendigkeit, Freiheit ist aber nirgends zu beobachten noch logisch von etwas abzuleiten; Freiheit gibt es nur im Praktischen, in der Innenperspektive, - das Ich ist unmittelbare Freiheit, von nichts Äußerem abzuleiten, und hat den Grund seines Daseins in sich selbst. Freiheit ist Innerlichkeit, Unableitbarkeit vom Äußeren überhaupt, jedoch ist diese theoretische Erkenntnis ohne ihre unmittelbare praktische Faktizität nicht zu gewinnen.
21.5.2011. Angenommen, das Universum sei ein Spiel Gottes mit sich selbst, in dem er aus seiner Göttlichkeit heraustritt und sich in die Endlichkeit und Kontingenz wirft. Was hat das mit uns menschlichen Subjekten zu tun? Als ontologische Avantgarde bestimmen wir, wie das Spiel nun weiter geht, und allein dies ist unsere Rolle im Universum, - als Subjekte gehen wir Gott nichts an, nur als Spielfiguren, die sein Spiel gelingen oder misslingen lassen können. Was geht uns dieser Gott an, der uns äußerlich ist, eine fremde ohnmächtige Macht, die uns zwar verursacht hat, aber zu nichts zwingen und mit nichts locken kann? Nichts. Betrachten wir uns selbst als göttlich, so dass Gott uns nicht äußerlich ist, dann können wir überhaupt nichts falsch machen - weder als Einzelne noch als Menschheit insgesamt.
10.6.2011. Dass etwas aus dem Nichts entstanden sein könnte, Leben aus Leblosem, und schließlich Selbstbewusstsein, ist so unwahrscheinlich, dass die wildesten Schöpfungsmythen der primitivsten oder ältesten Kulturen dagegen höchst plausibel wirken. Sobald ich aber anfange, mir eine wirklich gewollte, vernünftig und liebevoll geschaffene Welt vorzustellen, muss ich alle Schöpfungsgedanken verwerfen, und kann jede Welterklärung außer des Gedankens der ziellosen und nihilistischen Evolution nur für blasphemisch halten.
3.8.2011. Wären die Menschen moralisch vollkommen, wären sie längst ausgestorben; wären die Menschen vollkommen amoralisch, hätten sie sich gegenseitig ausgerottet. Es ist die moralische Inkonsequenz, die Halbheit, die Verlogenheit, der die Menschheit ihr Fortbestehen verdankt.
30.11.2011. Das Individuum betrachten wir gewöhnlich als ein moralisches Subjekt, die Masse als gänzlich amoralisch, - der Einzelne handelt selbstbestimmt gut oder schlecht, die Masse nur tierisch. Die Menschheit jedoch wollen wir nicht aussterben sehen, ja keinesfalls, so der Kant in uns, wenn wir aber einzelne Exemplare der Spezies betrachten, so fänden wir es gar nicht so schlecht, wenn diese oder jene nachhaltig nicht mehr da wären.
21.12.2011. Sobald der Atheismus genötigt wird, sich einen Begriff des Gottes, den er ablehnt, zu machen, sieht er leicht ein, dass an einen solchen Gott auch der Theist nicht glauben kann. Wer zuerst Gott zu einem Weihnachtsmann oder Osterhasen macht, und dann behauptet, er glaubte nicht an Gott, glaubt eben nicht an den Osterhasen, - an einen Gott, an ein Absolutes glaubt er notwendigerweise immer, ob er ihn Leben, Natur, Evolution, Karma oder Schicksal nennt.
26.12.2011. Das Sichverlieben ist kein erster Akt der Partnerwahl, es gleicht vielmehr dem ersten Blick des Menschen in den Sternenhimmel: erst die Unerreichbarkeit und ein Gefühl der Transzendenz lassen das sprichwörtliche Herz höher schlagen.
22.1.2012. In einer Welt, in der Wunder (Handlungen und Tatsachen wider die Naturgesetze) möglich sind, hat das moralische Gesetz keinerlei Wert, da seine Grundlage, die Form der Gesetzmäßigkeit, dadurch aufgehoben ist. Eine religiöse Lehre, die moralische Gesetze aufstellt, und zugleich Wunder postuliert, widerspricht sich selbst, und ist nichts als Aberglaube.
31.12.2012. Das Gute ist die Positivität/Position des Schönen (nicht des bloß Seienden/Gegebenen/ Existierenden).
22.1.2013. Die subjektive Grundfrage der praktischen Philosophie "Was soll ich tun?" lässt sich objektiv als die Frage "Was ist gut?" formulieren, denn das sein Sollende ist das Gute. Die theoretische Philosophie fragt subjektiv nach den Grenzen des möglichen Wissens, und objektiv nach der Wahrheit. Die Frage nach dem Endzwecks des Wissens sowie die Banalität, dass der Satz, der das Gute bestimmen soll (der kategorische Imperativ) ein wahrer Satz sein muss, um einen Sinn zu ergeben, zeigen, dass die theoretische und die praktische Philosophie nicht getrennt werden können. Das Sein und das Sollen sind nur empirisch, an der Oberfläche der kontingewnten Erscheinungen, inkommensurabel, ontologisch aber verweisen sie aufeinander.
28.3.2013. Das Schöne ist der unmittelbare Sinn des Lebens: es ist der Sinn des Lebens, bevor man überhaupt die Frage danach stellt; fragst du dich nach dem Sinn des Lebens, so wurde der ursprüngliche Sinn - die angeborene Hoffnung auf die Begegnung mit dem Schönen in Liebe - in deinem Leben vereitelt.
18.4.2013. Wenn das Leben zu kurz erscheint, ist es zu lang: zu lang, um es zu leben, so lang, dass man ins Grübeln kommt, und anfängt, aus einem Leben viele Leben zu machen, indem man alle Optionen, die man hat oder hätte, in mehreren Lebensszenarien durchspielt. Das Leben ist nicht zu kurz, man hat vielmehr zu wenige Leben für die gegebene Zeit, und zu viel Zeit für das einzige Leben, das man hat.
27.5.2014. Im Geiste entspricht der Zustand der Wildheit der Frömmigkeit: der Wilde ist heteronom und glaubt blind an bestimmte Tabus; der Zustand der Barbarei enspricht dem Nihilismus: der Barbar unterwirft alles seiner Willkür, und dem Nihilisten ist nichts heilig; der Zustand der Zivilisation enspricht der Philosophie: die Vernunft rehabilitiert das Heilige durch die Moral.
28.6.2014. Ohne ihre großen Persönlichkeiten wäre die Weltgeschichte belanglos, eine bloße Chronologie des sinnlosen Wühlens im Dreck und Streitens um Landfetzen und Lumpen. Doch große Persönlichkeiten können wiederum nur von großen Persönlichkeiten erkannt werden: ohne Menschen, die fähig sind, der Welt Bedeutung zu verleihen, wäre alles auf der Welt bedeutungslos.
6.7.2014. Masturbation verhält sich zu Sex wie vegetarisches Essen zu Fleischkonsum. Hält man Masturbation für eine "Sünde", so ist Sex (in welcher Form und unter welchen Umständen auch immer) zwangsläufig die noch schlimmere Sünde.
9.7.2014. Die stillschweigende Prämisse für alles Erkennen und Handeln, nämlich dass es auf der Welt vernünftig zugeht, ist für die theoretische Philosophie eine legitime spekulative Annahme, für die praktische Philosophie aber, deren Sätze nur wahr oder falsch, und nicht bloß wahrscheinlich sein können, eine unbeweisbare dogmatische Behauptung, die durch ihren Leichtsinn der bloß wahrscheinlichen Gültigkeit dem existentiellen Ernst ihrer praktischen Konsequenzen mehr als spottet.
9.7.2014. Die Selbstevidenz des kategorischen Imperativs überzeugt die Vernunft, aber nicht den Willen, für den sich über die Frage "Was soll ich tun?" hinaus die Frage "Warum soll ich sollen?" stellt.
8.8.2014. Der Fall ist unmittelbar (im Jetzt) lustvoll, der Aufstieg ist unmittelbar mühsam, aber lustvoll durch die Hoffnung auf das Kommende. Jedes Wesen kann fallen, aber nur ein charakterstarkes Willenwesen kann aufsteigen.
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