Freitag, 21. Dezember 2018

Arschkarte





Dass hohe Intelligenz oft in Verbindung mit großer Empathie vorkommt, ist für den Intelligenten selbst die Arschkarte - er neigt zum Mitleid mit Leuten, denen es besser geht, als ihm selbst, lässt sich leicht ausnutzen und fühlt sich hinterher immer noch schuldig, weil er nicht überall sein und nicht allen helfen konnte - , für seine Mitmenschen aber ein großer Segen, denn ohne seine Empathie würde er seine Intelligenz dafür einsetzen, um sie auszunutzen, und ihnen zu schaden. Diese haben wiederum die Arschkarte gezogen, wenn sie einen intelligenten und sensiblen Menschen durch ihre Unersättlichkeit so weit getrieben haben, dass sich seine Empathie in Hass und Verachtung verwandelt.

Mittwoch, 19. Dezember 2018

Dekadenz und Dissidenz





Während in einer unfreien Gesellschaft exzentrisches Verhalten, obwohl - oder gerade weil - verboten, für interessant befunden, und öfter insgeheim bewundert, als verdammt wird, trifft der nicht ganz Normale in einer freien Gesellschaft, in der so gut wie alles erlaubt ist, oft auf Unverständnis und sogar auf Hass; jede Abweichung von der Norm weiß den freien Bürger zu schockieren, als handelte es sich bei einem nicht ganz Normalen um ein Monster, und als würde der freie Bürger denken, die Freiheit sei dafür da, damit Sachen erlaubt sind, aber doch nicht dafür, dass man sie auch wirklich macht.

Mittwoch, 12. Dezember 2018

Die Familie ist ein kinderfeindliches Konstrukt





Seit Jahrzehnten werden Tierrechte diskutiert. Einen Hund zu kupieren, ist verboten, und gilt als Tierquälerei. Tiere können sich nicht verteidigen, und haben dennoch eine Lobby. Kinder nicht. Rechtlich gelten Tiere als Eigentum, Kinder als Personen. Was den gesetzlichen Schutz betrifft, scheint es umgekehrt zu sein. Woran liegt das? An der Familie, der Keimzelle der Kindesmisshandlung. Der gesetzliche Schutz der Familie ist den Rechten des Kindes immer noch übergeordnet. Jungen müssen sich beschneiden lassen, damit ihren Eltern das Recht auf Religionsfreiheit gewährleistet wird. Wenn eine Religion das Kind als Besitz der Eltern ansieht, muss das Recht – weil die Familie über das Kind geht – den Eltern die Körperverletzung erlauben. Wollen Eltern einem Kleinkind Ohrlöcher stechen lassen – kein Problem.

Oder doch? Wacht unsere verlogene Gesellschaft endlich aus dem Teufelskreis der misshandelten Misshandler auf? Zuerst wird der Kindesmissbrauch in Kirchen und Internaten aufgedeckt, – die Öffentlichkeit ist beschäftigt, die Familie kann ihre Entlarvung weiter hinauszögern. Was in einer Familie geschieht, geht nur die Familie an. Noch. Hoffentlich nicht mehr lange. Das Gesetz muss die Schwächsten vor Machtmissbrauch und Gewalt schützen, auch wenn das Verbrechen in Gewand von Tradition und Sittlichkeit daherkommt.

Samstag, 8. Dezember 2018

Die Vizegenies





Die Halbbildung bevorzugt es, Sachverhalte so kompliziert wie möglich darzustellen, um sich gegenüber der Einfalt abzuheben, und der Letzteren alle Möglichkeiten zu nehmen, den Sachverhalt zu verstehen. Der Halbgebildete versteht das Wesen eines Sachverhalts so wenig wie der Einfältige, aber dies auf einem höheren Niveau.

Der Kluge weiß komplexe Sachverhalte in ihrem Wesen zu erfassen und in einfachen Worten auszudrücken, womit er dem Halb- und dem Ungebildeten zeigt, dass sie beide auf derselben Stufe (des Nicht-Verstehens) stehen. Nun glaubt der Einfältige, den Sinn der eifachen Worte verstanden zu haben, und bricht das Wesen des Sachverhalts auf sein eigenes intellektuelles Niveau herunter, während der Halbgebildete vor Wut schäumt, weil seine jahrelange Investition in Rhetorik und Vokabeln keine Statusverbesserung gebracht hat.

Donnerstag, 29. November 2018

Deutsche und englische Welterfahrung





Ein Flugzeug aus Aluminium trifft auf dicht beieinanderstehende massive Stahlträger eines Hochhauses mit lächerlichen 200 Metern pro Sekunde und geht durch diese hindurch wie ein Messer durch Wackelpudding. Für den empiristischen Engländer ist der Fall klar: was ich gesehen habe, habe ich gesehen, und wenn die Gesetze der Physik das nicht erlauben, dann müssen sie neu geschrieben werden. Der Deutsche ist Rationalist: was die Gesetze der Physik nicht erlauben, kann nicht sein, also sind die Videoaufnahmen unecht oder ich habe falsch hingeguckt. Die Gesetze der Physik werden jedoch ständig revidiert, stimmen niemals endgültig. 

Da der Rationalist nie zu einer endgültigen Wahrheit gelangen kann, ist er dogmatisch und paranoid, klammert sich an das bestehende Weltbild und kämpft gegen alle Fakten, die diesem widersprechen. Der Empirist ist schizophren - er muss einerseits davon ausgehen, dass die Natur in der Form der Gesetzmäßigkeit auftritt, um Wissenschaft, Technik und Wettervorhersagen zu ermöglichen, andererseits muss er mit Beobachtungen, die den Naturgesetzen widersprechen, leben. So wie der Paranoiker den totalen Krieg will, inszeniert der Schizo selbst Terroranschläge, um in einen Krieg gegen den Terror zu ziehen.   

Dienstag, 27. November 2018

Die schlechtesten Filme





Der Gute ertappt endlich den Bösen auf frischer Tat, stellt ihn, hat ihn. Alles geht: er kann ihn töten, ihm verzeihen, ihm das Leben schenken, ihn entwischen lassen, ihn bekehren, oder sich ihm opfern, damit er - eins, acht, sieben, - etwas lernt. Was aber nicht geht, und ich wiederhole, ein absolutes no go ist: wenn der Böse im Finale eines Films durch eine eigene Dummheit stirbt, wo er doch die ganze Geschichte lang so superschlau war, oder durch eine Ungeschicklichkeit, wo er doch stets so flink war, und der Gerechtigkeit entwischte. Solche Filme sind widerlicher als jede provokante Obszönität: wenn dem Guten der Konflikt am Ende erspart wird, wenn er den Bösen, den er schnappt, nichts selbst töten oder aber laufen lassen muss, wenn die Geschichte die Heldenhände in Unschuld wäscht, und der Böse alles Böse selbst zu verantworten und mit eigener Hand herbeizuführen hat, auch die harte Gerechtigkeit, wenn sie ihn treffen muss.

Sonntag, 25. November 2018

Kindschaft und Sklaverei





Der Säugling ist Tier, der Erwachsene ist Gott; das Kleinkind ist Sklave, der Erwachsene ist Sklavenhalter; das Kind ist Leibeigener, der Erwachsene ist Feudalherr; der Heranwachsende ist Besitzloser, der Erwachsene ist Eigentümer - ein normaler, durch den jeweiligen Entwicklungsstand des Kindes bedingter Vorgang (der Säugling muss fortwährend am Leben gehalten werden; das Kleinkind bringt sich in Lebensgefahr, wenn es nicht physisch gezwungen (durch physische Kraftanwendung von Handlungen abgehalten) wird; das Kind braucht klare Regeln und feste Autoritäten; der Heranwachsende kann noch keine Erwerbsarbeit leisten, und muss dies noch lernen). 

Normal ist aber auch, dass nach dem Ablauf der jeweiligen Phase die Letztere auch emotional in beiden sich aufeinander als Kind und Bezugsperson beziehenden Köpfen überwunden wird, - an einem bestimmten Punkt der geistigen Entwicklung des Kindes (meist am Beginn der Emanzipation seiner Persönlichkeit) kommen die Erwachsenen nicht mehr mit oder verfallen emotional in einen Regress, welcher die an sich selbst unproblematische Pubertät des Kindes erst zu einer kritischen Zeit für beide Parteien macht.

Dienstag, 13. November 2018

Ichlose Iche





Wer zurecht Ich zu sich sagt, käme nie auf die Idee, ein Kind in die Welt zu setzen: er ist selbst zu sehr Einzelwesen, um sich in der Gattung zu verlieren, und hat zu viel Respekt vor dem Ich des werden könnenden Menschen. Wer kein Ich hat, ist dennoch ein äußerlich Einzelner, wie etwa ein Affe oder ein Baum, und kann alles vom Bauchweh bis Beleidigtsein empfinden, - was er nicht kann, ist, sich selbst zu denken, und den Anderen als ein Ich zu denken. So jemand setzt gedankenlos Kinder in die Welt, wobei hier vielmehr nicht er selbst handelt, sondern die Gattung durch ihn handelt, indem sie ihn durch unzählige Manipulationsmöglichkeiten durch Triebe, genetische Veranlagungen und Hormone als Vehikel zu ihrer Fortpflanzung benutzt.

Freitag, 26. Oktober 2018

Weltekel





Erst wenn der Ekel vor der Welt zur Pose wird, beginnt man, an ihm zu leiden; wer sich wahrhaft vor der Welt ekelt, ekelt sich bald nicht, und hat für ihre Nichtigkeit nur teilnahmslose Verachtung übrig. Das Getrenntsein von der Welt in seinem Geiste wird ihm gar zum Genuß, der daraus entspringt, dass die Welt, wie sie sich auch dreht und quält, diese Trennung nicht überwinden kann - sie bleibt ihm ein Nichts.

Wer mit der Welt jedoch innig verbunden ist, und sie im Grunde seines Wesens bejaht, leidet an ihr, die kontingenterweise zu seinen Lebzeiten so und nicht anders ist, - zu ohnmächtig, sie nach seinem Gutdünken zu ändern, kapselt er eine küstliche Identität von sich und der Welt ab, und sieht, immer wenn er mit Verachtung auf die Welt herabsieht, auch auf sein wahres Selbst herab; diese Zerrissenheit wird in der Regel nicht durch den steilen Weg zur geistigen Souveränität überwunden, sondern durch das Sich-Selbst-Ändern, durch eine regressive Läuterung, eine Rückkehr in den lauwarmen feucht-schwülen Schoß der hassgeliebten Welt. 

Sonntag, 7. Oktober 2018

Links und Rechts





1. Dieter geht es schlecht: er ist depressiv und hat keinen Job. "Rechte" Begründung: Dieter strengt sich nicht an. Er tut nichts für sein Glück. "Linke" Begründung: die Gesellschaft ist schuld. Sie hat Dieter in eine Situation gebracht, in der er sich nicht entfalten kann und depressiv wird.

2. Die "Rechte" Begründung ist naiv, die "Linke" Begründung sieht eher wie eine Entschuldigung aus, eine Verschiebung der Pflicht vom Individuum auf die Gesellschaft. Eine Synthese aus zwei unbefriedigenden Aussagen kann nicht befriedigend sein, die Lösung muss woanders liegen.

3. Die "Linke" tendiert dazu, die Gesellschaftsverhältnisse in Frage zu stellen und das Individuum in Schutz zu nehmen, die konservative Position will die bestehenden Verhältnisse rechtfertigen und sucht die Schuld beim Individuum.

4. Die koservative Position, ins Extrem getrieben, kritisiert am Individuum nichts Anderes, als das es ein Individuum ist. Die Individualität des Einzelnen steht dem Glück Aller im Wege. Alle sind aber ebenso Einzelne. Jede Bestrebung, ohne Rücksicht auf den Einzelnen das Glück Aller zu fördern, endet für alle in einer Katastrophe.

5. Die "linke" Position, zu Ende gedacht, sieht das Individuum als blosses Opfer der ungerechten Verhältnisse. Der Einzelne kann sich selbst nicht helfen, sein freier Wille wird somit negiert, er ist nur noch eine Marionette der äußeren Verhältnisse. Das Innere ist somit vernichtet und es gibt nur noch die ungerechten Verhältnisse - da aber kein Inneres mehr existiert, ist es nicht sinnvoll, von Individuen als solchen zu sprechen. Das positiv Gegebene ist so wie es ist, weder gerecht noch ungerecht, weder gut noch schlecht.

6. Die konservative Position höhlt das Außen aus, indem sie alle Verantwortung dem Einzelnen überträgt. Das objektiv Bestehende wird zum blossen Spielball subjektiver Vorstellungen und Einstellungen, es existiert nur noch in den Vorstellungswelten der Einzelnen, da den Einzelnen alle Macht und alle Verantwortung übertragen wurde. Da der Einzelne selbst über sein Glück und Unglück bestimmt, nur subjektiv, nur im Innern, so ist das Äußere nicht mehr existent, es ist restlos auf das Innere reduzierbar.

7. Die "linke" Position, die ursprünglich für das Individuum und seine Entfaltung, sprich für das Innere stand, hat das Innere negiert und fand sich im Positivismus wieder. Die konservative Position, der es um eine Apologie des Bestehenden zu tun war, fand sich im subjektiven Idealismus wieder und postulierte die absolute Freiheit des Einzelnen, frei von allen äußeren Zwängen - was politisch auf totale Anarchie hinausläuft.

Donnerstag, 27. September 2018

Die Nutte und der Scheißkerl





Die Evolution plant nicht, und überlässt doch nichts dem Zufall. Ist eine Frau zu schön, zu süß, zu liebreizend, sinkt ihre sexuelle Attraktivität (außer für Affen) dramatisch, und sie bekommt haufenweise Liebesbriefe, aber kein Kind. Ist ein Mann zu schön, - die Legende vom Narziss ist jedem bekannt. Jetzt kehren wir die Sicht nach Innen: ist ein Mann zu verantwortungsbewusst, hindert ihn sein Gewissen daran, Nachkommen zu produzieren, da er den sinnlosen ewiggleichen Kampf ums Überleben vielleicht hinterfotzigen Arbeitskollegen, aber niemals einem schuld- und hilflosen Kind zumuten würde; ist eine Frau zu edel, zu intelligent, zu anspruchsvoll, wird sie sich zu schade, Eier auszubrüten, und denkt ebenfalls kritisch über den Sinn der Kinderzeugung nach. 

Die Nutte und der Scheißkerl sind die Gewinner der Evolution: gedankenlos ihren Trieben freien Lauf lassend, erhalten sie die Menschheit am Leben: die Getriebenen sind die treibende Kraft. Vorsicht ist aber vor dem übermäßigen Tüchtigsein im Schlechten geboten: die sterile Hure und der destruktive Schurke sind Schüsse weit übers Ziel hinaus, - ein erfolgreicher Struggler for life muss nicht böse sein, sondern bloß dreckig, verdorben, und der Dreck sorgt zudem für ein gesundes Immunsystem - wie in physiologischer, so auch in moralischer Hinsicht.

Mittwoch, 26. September 2018

Religiös begründete Verstümmelung





Rituelle Handlungen dürfen in einem laizistischen Staat ausschließlich symbolischer Art sein: jede legale Gewaltausübung muss, vom Gesetzgeber legitimiert, die Rechte des Individuums schützen, und dem Gemeinwohl dienen. Polizisten dürfen auf Räuber schießen, Diebe dürfen ihrer Freiheit gefängnisaufenthalshalber beraubt werden. Das Individuum darf ausschließlich Gegengewalt ausüben, aber keine Gewalt: das Recht auf Notwehr und Nothilfe ist essentiell für die Integrität der Person.

Gewalt im Namen der Religion fällt unter Kriminalität. So ist Lynchjustiz, Steinigung, Hexenverbrennung trockenerweise Mord, und kein gottgefälliges Handeln. Aber auch das Auspeitschen der Kinder durch Eltern oder Pfarrer aus religiösen Gründen ist ein krimineller Akt. Fernerhin dürfen Eltern, die, sagen wir mal, der Religionsgemeinschaft der Nasenringler angehören, ihren Kleinkindern nicht die Ohrläppchen abschneiden lassen, weil diese womöglich später das in jener Religion strengstens verbotene Tragen von Ohrringen ermöglichen.

Es ist eine Frage der Trennung von Staat und Kirche, ob Menschenrechte aus religiösen Gründen verletzt werden dürfen oder nicht: wenn nicht, handelt es sich um einen Rechtsstaat (der notwendigerweise auch laizistisch ist), wenn ja, dann handelt es sich um einen "Gottesstaat", oder, um Euphemismen zu vermeiden, um eine Barbarei.





Dienstag, 18. September 2018

Geheimnisvolle Dummheit





Sich vorzustellen, wie es ist, dumm zu sein, ist für einen intelligenten Menschen genauso unmöglich, wie etwas auf Kommando zu vergessen. Nicht zuletzt deshalb sind intelligente Menschen auf dem Dummheitsauge blind und neigen unmittelbar dazu, andere Menschen intellektuell zu überschätzen. Für einen Halbklugen ist das Nichteinverstandensein mit seiner Meinung ein sicheres Kriterium der Dummheit, weshalb ihm Genies und Idioten gleich dumm vorkommen. Im seligen Zustand der Dummheit hat die Letztere kein Gegenpol, weshalb absolute Dummheit subjektiv als Allwissenheit erlebt wird. (Sobald die Unmittelbarkeit aufgehoben, wird die Dummheit erkannt; ein bloss subjektiver Blick kann die Dummheit so wenig sehen, wie das Nichts mit blossem Auge gesehen werden kann).

Sonntag, 9. September 2018

Menschenzoo





Wenn mit dem Verweis auf die Ergebnisse der Hirnforschung der freie Wille und somit die Zurechnungsfähigkeit negiert wird, dann stellt man fest, dass Menschen nicht in der Lage sind, die damit einhergehenden Pflichten zu erfüllen. Daraus hat nicht die Straflosigkeit sämtlicher Verbrechen zu folgen, sondern die Wegnahme aller mit den unerfüllbaren Pflichten einhergehenden Rechte. In der Konsequenz müssen wir die freiheitliche Gesellschaft Freiheitsunfähiger mit einem von der künstlichen Intelligenz betriebenen Menschenzoo ersetzen.

Freitag, 7. September 2018

Nur der Schlechtere will Gleichheit





Für den naiven Alltagsverstand oder die neidische Mediokrität scheint die Behauptung des moralischen Menschen, etwas besseres zu sein, nach dem Prinzip der sauren Trauben zu erfolgen. Wer keinen weltlichen Erfolg hat und in Paarungsangelegenheiten dauerhaft einsam ist, ist scheinbar ein Loser, also schlechter, und nicht besser, als der Mittelmäßige. Den Loser als Typus gibt es ja tatsächlich, nur kann dieser nicht ernsthaft behaupten, etwas besseres zu sein, gerade weil er ein Loser ist und durch seine Selbsterhöhung erst recht als solcher auffällt. Nein, der Schlechtere behauptet nicht sein Bessersein, sondern die Gleichheit aller. Und wer ostentativ die Gleichheit aller Menschen behauptet, tut es in der Regel im Bewusstsein, der Schlechtere zu sein.

Wer tatsächlich ein besserer Mensch ist, hat es einerseits schwer, sich an die Mediokrität oder Schlechtigkeit anderer anzupassen, und kann andererseits seine Prinzipien für den weltlichen Erfolg und seine moralischen Mindestansprüche für das Überwinden der Einsamkeit nicht aufgeben. Im Gegensatz zum Loser lebt der Bessere unabhängig und selbstbestimmt sein Leben, und verbittert nicht im Neid und Ressentiment. Weil er der Bessere ist, und weil das Bessersein ihn viel kostet (der Preis dafür ist in der Regel Einsamkeit und weltlicher Misserfolg), will er auch nicht mit schlechteren als er selbst gleich gestellt werden. Behauptet er dennoch Gleichheit, dann nur gönnerhaft und aus sicherer Überlegenheit heraus.

Kann nur der mediokre Mensch in dieser Welt glücklich werden, wenn der Bessere sein Bessersein teuer erkaufen muss, und der Schlechtere in Frust und Ressentiment verzweifelt? 


Mittwoch, 29. August 2018

Wie wir uns schufen





1. Gesetzt, das Naturgeschlecht des Menschen sei männlich - was der Feminismus seit de Beauvoir im Grunde behauptet - , und die Frau etwas Künstliches, Unnatürliches, in ihrem natürlichen Potential Gehemmtes, Beherrschtes und Versklavtes, so müsste die Menschheitsbefreiung in der Rückvermännlichung der Frau bestehen; betrachtet man das Weiblichsein als eine kulturelle Errungenschaft, stellen sich die Dinge ganz anders dar: der rohe, männliche, natürliche Mensch ist durch den zivilisatorischen Fortschritt überwunden worden und die Frau, das Luxuswesen der Evolution, sei schließlich entstanden, und zwar geographisch genau dort, wo Schopenhauer sie als Unnatürliches verhöhnte.

2. Nehmen wir ketzerischerweise an, das Naturgeschlecht des Menschen sei weiblich, so muss der Zivilisationsprozess als devolutive Verrohung gedeutet werden, als sich radikalisierende und individualisierende Gewaltspirale. Der Mann wäre somit erst nach der Vertreibung aus dem Paradiese entstanden; Adam und Eva waren Lesben.

3. Aus der Einstellung zum Leben - nicht bloss der Lebenseinstellung, sondern der die Persönlichkeit bestimmenden Lebenshaltung - , entsteht nun das geschlechtliche Selbstzweckverständnis. So wie Freiheit nicht Beliebigkeit ist, ist Schönheit nicht geschlechtlos. Es gibt keine konkreter gegenständliche, unmittelbarer einsehbare Selbstzweckhaftigkeit, als die Schönheit. Weiblichsein wäre also als Selbstzweck bestimmt, Männlichsein als das diesen Selbstweck Ermöglichende. Andersrum, wenn man Weiblichkeit als Mittel zum Zweck versteht, etwa dem Austragen und Gebären der Kinder um des Fortbestehens der Menschheit willen, so wäre der Sinn dieser Menschheit in nichts Höherem, als in deren Fortbestehen erschöpft. Eine solche Menschheit wäre die Atombomben nicht wert, die sie auslöschten.

Dienstag, 28. August 2018

Das Minimalmanifest





1. Man nehme an, das Leid des Lebens durch Mühe, Not und Krankheit und die natürliche Furcht vor dem Tod halten sich die Waage. Um am Leben zu bleiben, um fortzuexistieren, reicht die natürliche Furcht vor dem Tod.

2. Was macht das Leben lebenswert? Es gibt ein Minimum an Lebensqualität, welches bei Unterschreitung das Leben unlebenswert macht. Unter diesem Minimum existiert man fort, ist aber am Leben nicht interessiert, man fürchtet sich bloss vor dem Tod und vegetiert zu demselben hin.

3. Wer den Tod nicht fürchtet, für den ist das Minimum an Lebensqualität zugleich das Überlebensminimum. Unter einem bestimmten Niveau ist die Fortexistenz sinnlos, da Leben nicht mehr stattfindet. 
 
4. Einschränkung der Lebensqualität sowie der Persönlichkeitsrechte, die in das Minimum eingehen, ist ein direkter Angriff auf das Leben der Person, die berechtigt ist, sich zur Wehr zur setzen, als wäre ein Mordanschlag auf sie der Fall. 
 
5. Das Minimum steigt mit dem realen Wert der Person.

Samstag, 11. August 2018

Im Innenich





1. Schuldlos unschuldig, frei und neu in der Welt, ist Ich ganz auf Schönheit gerichtet, durch sie bestimmt. Sein Lebenswandel ist ein Ästhetischer; es unterwirft sich der Moral nur insofern sie eine Hülle für das Streben nach Schönheit ist. Ich trifft auf einzelne endliche Schönheiten und sieht sie zugrunde gehen, berührt sie, und sie zerfallen, Ich geht an ihnen zugrunde.

2. Am Grunde aufgeschlagen, erkennt Ich seine Positivität, sich als das Gute und strebt, das Gute zu realisieren. Damit will Ich jedoch nur sich selbst verwirklichen, das Gute ist ein unwesentliches Vehikel. Selbst als der Grund des Guten, findet Ich kein Gutes ausserhalb seiner Selbst und geht am Widerstand der Welt gegen das Gute zugrunde.

3. Am Grunde aufgeschlagen, negiert Ich seine Positivität und beginnt zu zweifeln. Was der Zweifel zerstört, baut die Wahrnehmung wieder auf, Ich durchläuft den mühsamen Weg von der Wahrnehmung zur Wahrheit. Die Wahrheit als Einzelne erweist sich als Unwahrheit, sobald sie realisiert, also verallgemeinert werden soll. Allgemeine Wahrheit ist leer, Ich will Wahrheit allgemein fassen und sieht nur die leere Abstraktion anstatt der Fülle des Konkreten vor sich.

Mittwoch, 8. August 2018

Nur so Thesen halt







 - Die Frage, wie der Geist in die Materie komme, ist unsinnig, und zwar nicht trotz, sondern wegen des enormen Erfolgs der "materialistischen" Naturwissenschaft in den letzten 400 Jahren. Die Naturwissenschaften verdanken ihren Erfolg der cartesianischen Vergeistigung, Mathematisierung der Materie. Descartes hat als erster den Idealismus konkretisiert, indem er aus der Idealität des Endlichen Konsequenzen zog, und es unter geistige Gesetze brachte.

-  Die Quintessenz der Quantenphysik ist die Erkenntnis, dass die natürliche Welt widersprüchlich beschaffen ist - eine Erkenntnis, die schon hundert Jahre vorher in Hegels Phänomenologie des Geistes auftaucht.

 - Die Geschichte war zu Ende, als der Mensch sich als der Souverän über seine Geschichte erkannte. Seitdem läuft die Zeit nur weiter, die Geschichte aber ist zu Ende. Umso mehr braucht der Mensch Geschichts-Ersatz, weswegen die Welt immer schnellebiger wird und die Ereignisse immer gigantischer.

- Die Geschichte der Menschheit war die Geschichte des menschlichen Selbstbewusstseins. Der Beweis, dass sie zu Ende ist, dass die Menschheit zum Selbstbewusstsein gekommen ist, liegt in der Wirklichkeit des kapitalistischen Weltsystems, welches die wirkliche(anerkannte) Existens des Eigentums voraussetzt, welches wiederum für symmetrische Anerkennung (Menschen erkennen sich gegenseitig an als Eigentümer) steht.

 -  Die Entstehung der Naturwissenschaften markiert den Punkt, an dem der Mensch die Natur als etwas seiner inneren Natur gemäßes, Geistiges, erkannte (und nicht mehr als zauberhaft-unbegreiflich sah), und sie so unter die Form der Gesetzmäßigkeit bringen konnte.

Mittwoch, 11. Juli 2018

Der Po pupst links





Für den Rechten gilt: ich denke so, weil es so ist. Meist irrt er sich natürlich, und es ist doch nicht so, wie er glaubt, dass es ist. Aber die Kausalität, die Reihenfolge ist unverkennbar: nicht weil ich so denke, ist es so, sondern ich denke so, weil es so ist (wenn ich als Rechter Recht habe).

Für den Linken gilt: es ist so, weil ich so denke; kraft meiner (natürlich guten) Gesinnung mache ich Sachverhalte wahr oder unwahr. Seit der Französischen Revolution gibt es nur noch Linke - rote, braune, grüne und sogar pinke. Das Geheimnis ihres Erfolgs ist der politische Nihilismus, der Weg des geringsten Widerstandes gegen das Triebhafte, das Tierische im Menschen. Ihre Heldentaten werden gegen das Gewissen vollbracht, Freiheiten nicht aus Triebverzicht gewonnen, sondern den moralischen Werten abgerungen.

Alle Menschen sind gleich. Seit es gilt, gilt der Mensch für ein Nichts, jeder ist ersetzbar, ein Rädchen im Weltgetriebe - was früher nur für den Sklaven galt, gilt heute für jeden. Alle Menschen sind links. Auch ich. Ich kann es mir nicht abgewöhnen, im Mitmenschen dieselbe Würde zu sehen, wie in mir selbst, auf welch abenteuerliche Art sie auch in jeden hineinfabuliert wurde. Eine Würde, die jedem automatisch zusteht, die durch keinen Lebenswandel realisiert werden muss, braucht nicht angetastet zu werden, um keine zu sein. Alle republikanischen Verfassungen haben den politisch-moralischen Nihilismus zur Grundlage und sind daher leeres Geschwätz.

Als die Neuzeit zu modern begann, wurde sie modern. Eine Weltgeschichte ohne Nazis und Stalinisten können wir uns nicht mehr denken, und glauben, Stalinisten (natürlich in abgemilderter Form - als Sozialisten, Sozialdemokraten oder auch nur Demokraten) sein zu müssen, um bloß keine Nazis zu sein. In Anbetracht dessen, wozu totalitäre Gesellschaften der Zukunft fähig sein könnten, gibt es keinen größeren Betrug an der Menschheit, als die Verbrechen der linken Totalitaristen mit denen der rechten Totalitaristen zu vergleichen, und aus dem Vergleich zu folgern, dass der Rechtstotalitarismus um jeden auch noch so neostalinistischen Preis verhindert werden müsse.

Und da schleicht wieder das Wörtchen "rechts" ein - der aus der Vogelperspektive linke Flügel hat, wenn man sich auf ihm dreht, auch seine rechte und linke Seite. Ob Rechtsnihilismus oder Linksnihilismus - da gibt es nichts zu konservieren. Dem wahren Rechten, dem Rechtschaffenen ist die Nation zuwider, die Rasse, und jede mögliche Gemeinschaft, in die er nicht aus freien Stücken eingeht, sondern ungefragt hineingeboren wird. Der Rechtschaffene ist libertär, die Geißel der Menschheit totalitär. Nein, politisch ist diese Betrachtung nicht - sie ist moralisch; die Politik ist ein linkes Heimspiel, das derjenige Führer gewinnt, welcher seinen Schäfchen-Äffchen die größere Last der Freiheit abnimmt, sprich sie am Totalsten versklavt.


Dienstag, 10. Juli 2018

Vertrauen





Ich bin sehr gutgläubig: ich gehe jeden Tag durch die Straßen, ohne mich an Objekten festzuhalten, die fest am Boden verankert sind, denn ich vertraue darauf, dass es die Schwerkraft auch morgen noch gibt, und ich etwa von einem Windstoß nicht einfach ins Weltall geblasen werde. Naturgesetzen und Naturkonstanten kann man bedenkenlos vertrauen, darauf vertraut zumindest die Wissenschaft. In der Philosophie heißt der Glaube daran, dass das Universum logisch strukturiert ist, und nach bestimmten Gesetzen funktioniert, nicht Vertrauen, sondern Rationalismus.

Menschen kann man nicht so bedenkenlos vertrauen. Menschen können lügen. Sie können das, weil sie einen freien Willen haben. Es ist Freiheit erforderlich, um betrügen zu können, denn was streng determiniert logischen Gesetzmäßigkeiten folgt, ist berechenbar. Natürlich sind auch Menschen berechenbar, und Naturphänomene können täuschen. Jedoch werden Dummköpfe, die zwischen Naturphänomenen und Naturgesetzen nicht unterscheiden können, nicht von der Natur belogen, sondern Opfer ihrer eigenen Naivität. Was Menschen betrifft, so kann selbst der berechenbarste Dummkopf aus freiem Entschluss spontan eine völlig unvorhersehbare Entscheidung treffen.

Nur ihrer Selbst bewusste, freie Wesen können lügen und betrügen, erklärten Absichten zuwider handeln, und somit überhaupt die Vertrauensfrage stellen. Wem kann ich vertrauen? Darauf gibt es keine wissenschaftlich korrekte Antwort, denn die Wissenschaft kann nur das Sein erforschen, jedoch nicht die Freiheit, das Reich des Seinkönnens, in welches jedes moralische, sittliche und rechtliche Sollen fällt. Wem soll ich vertrauen? Die moralisch korrekte Antwort lautet: jedem, der ein Mensch ist, denn durch seine Freiheit hat er auch die Pflicht, ehrlich zu sein, - doch diese Antwort ist pragmatisch gesehen sehr unbefriedigend.

Schelling, der Mystiker der klassischen deutschen Philosophie, sieht die Freiheit als das Höchste im Universum, - mit der Konsequenz, dass Gott, weil er das höchste Wesen ist, frei wie der Mensch sein muss, und nicht einem universellen Gesetz unterworfen, wie die Natur. Kann ich Gott vertrauen? Das Sein Gottes ist die Freiheit. Was ist aber das Wesen Gottes? Wenn ich nicht annehme, dass sein Wesen Vernunft ist, dann muss ich die Gültigkeit der Naturgesetze dem Zufall zuschreiben, und die unumstößlichen (weil durch die reine Vernunft konstituierten und somit nicht durch Erfahrung relativierbaren) moralischen Gesetze der Vernunft verlieren ebenfalls ihren Sinn. Ist Gottes Wesen Vernunft, so ist er zwar absolut frei, wird sich aber (oder vielmehr: gerade deshalb, da aus Freiheit) immer an die Gesetze der Vernunft halten, so dass sie für mich als Geschöpf dieselbe objektive Gültigkeit erhalten, wie die Naturgesetze.

Sonntag, 8. Juli 2018

Glücksterror





Glückseligkeit kann man, so Kant, nicht zur Maxime machen, weil man ohnehin glücklich sein will. Es ist widersinnig, sich vorzuschreiben, man hätte alles zu tun, um glücklich zu sein, als wäre dies eine Pflicht. Und dennoch ist es denkbar: jemand könnte sich selbst verpflichten, überall seinen Vorteil zu suchen, stets egoistisch zu handeln, allgemeiner gesagt all das zu tun, wovon er annehmen könnte, es würde ihn glücklicher machen.

Gesundheit ist so ein Fall: sie ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für das Glücklichsein. Nun könnte sich jemand alle Sinnesfreuden verbieten, die der Gesundheit schaden, - ja sogar ein staatlicher Gesundheitsterror wäre durchaus denkbar. Die Folge wäre allerdings: mehr Gesundheit, weniger Glück, denn obwohl man viele kleine Freuden des Tages der Gesundheit opfern würde, würde bessere Gesundheit allein noch nicht glücklicher machen. Die Leistung, die man für das Glücklichsein erbringt, steigert aber die Erwartungen, - je mehr Mühe und Entbehrung, um der Pflicht, glücklich zu sein, beizukommen, geleistet wird, umso weiter öffnet sich die Schere zwischen Erwartung und real erlebtem Glück.

Bei einer Selbstverpflichtung, glücklich sein zu wollen, käme also nur ein Glücksterror heraus, der jedes Glück verhindern würde. Jemand, der ehrenamtlich als Lehrer arbeitet, weil er Freude daran hat, versprüht die gute Laune, die er selbst verspürt. Wird er für Geld als Lehrer eingestellt, wird er weiterhin ehrlich und gewissenhaft arbeiten, aber immer freudloser, - selbst die menschliche Psychologie zeigt, dass sobald etwas zur Verpflichtung wird, es nicht mehr glücklich machen kann. Warum nicht? Weil aus einem Selbstzweck ein Mittel zum Zweck wird. Darum ist es die klügste Strategie der Mächtigen, engagierte Kritiker der Gesellschaftsordnung für ihre Kritik zu bezahlen, und ihnen jede Menge Jobs zu geben, - als Parteifunktionäre in Oppositionsparteien oder als kritische Journalisten.

Hält man sich mit Kant an den kategorischen Imperativ, und verpflichtet sich, seine Handlungsmaximen so zu wählen, dass sie zugleich Prinzipien einer allgemeinen Gesetzgebung sein könnten, so hat es zunächst nichts mit Glücklichsein zu tun. Moralität macht nicht glücklich, Rechtschaffenheit garantiert kein glückliches Leben. Aber so wird Glück erst möglich gemacht: in dem man erstens würdig wird, glücklich zu sein, und zweitens nicht durch das unaufhörliche Hinterherjagen das Glück aus seinem Leben verjagt. 

Dienstag, 26. Juni 2018

Die Substanzhierarchie





Das Schöne als Selbstzweck ist die absolute Substanz. Das absolute Schöne ist das Vollkommene, substanzmäßig Leerheit. Das absolute Gute ist die Reinheit des Schönen. Das Gute als Substanz ist der gute Wille; Substanz emaniert und ist gradualisierbar. Die absolute Wahrheit ist, dass das absolute Gute absolut gut ist. Die objektive Wahrheit ist, das Seiendes ist, und alles hieraus Folgende. Die subjektive Wahrheit ist die Wahrhaftigkeit, der Wille zur Wahrheit.

Das Absolute ist ewig und unveränderbar (solar), die Substanz emaniert (lunar), die Kreatur ist das aus der Substanz Emanierte (chthonisch).


Montag, 25. Juni 2018

Die absolute Wahrheit





Warum ist etwas und nicht nichts? Damit diese Frage gestellt werden kann, muss es wahr sein, dass etwas ist, und nicht nichts. Weil es wahr ist, ist der Nihilismus widerlegt. Das bedeutet, dass es wahren, absoluten Wert gibt (und der höchste Wille, der Wille zum Wert, nicht ins Leere geht). Weil es absoluten Wert gibt, gibt es das Gute. Warum ist etwas und nicht nichts? Weil es gut ist, dass etwas ist, und nicht nichts. Dass etwas ist, und nicht nichts, kann nur gut sein, wenn es einen absoluten Selbstzweck gibt. Das Gute ist nicht Selbstzweck, und kann nicht mit noch höherem Guten erklärt werden, weil dies in die leere Unendlichkeit führt. Der absolute Selbstzweck kann nur das sein, um dessen willen das Weltganze gut sein muss, und das nicht sein könnte, wenn das Weltganze nicht gut wäre. Der absolute Selbstzweck ist das Schöne.

Das Schöne ist absolut rein. Das absolute Gute ist die Reinheit des Schönen. Die absolute Wahrheit ist, dass das absolute Gute absolut gut ist.

Sonntag, 17. Juni 2018

Warum Gott?





Woher Gott? Falsche Frage. Ein historisch-unkritisches Wegkulturalisieren des Absoluten geht an der Sache vorbei. Wozu Gott? Noch falscher: das Absolute ist nicht das Absolute, wenn es Mittel zum Zweck ist. Warum Gott? Wie kommt der Mensch auf die Idee Gottes?

Die menschenähnlichen Götter der antiken Welt sind naive Vorstellungen, aber keine Idee Gottes im philosophischen Sinn. Gott ist das höchste, das absolute Wesen, - das ist trivial. Interessant ist aber: Gott ist eine Person.

Ja, Gott ist ein Einzelwesen, ein Individuum. Gott ist die Allheit als Eines, die Alleinheit. Das lässt sich leicht missverstehen, so als wäre Gott die All-einheit, dabei ist Gott vielmehr die Allein-heit, die Einzel(n)heit des Absoluten.

Gott ist Geist: nur Geist kann Persönlichkeit haben, eine Person sein. Gott als Person bedeutet, dass das Absolute geistig ist, und dass die Welt als Totalität vernünftig ist, - nicht nur im logisch-mathematischen, sondern auch im moralischen Sinn. Das Höchste ist ein Ich, kein Es.

Ohne Gott, ohne Geist sind wir nur Tiere. Gottes Menschheit ist nicht die Menschheit als Gattung, sondern die Menschheit als (moralische) Person. Gott als Person zu denken bedeutet, dass wir Menschen als vernünftige Wesen eine Würde haben, einen absoluten Wert. Für die Gattung, das höchste Prinzip unserer tierischen Natur, haben wir nur einen relativen Wert, sind nur Mittel zum Zweck ihrer end- und sinnlosen Reproduktion.

Dienstag, 12. Juni 2018

Die Reinheit des Guten





Die edelste und zugleich aussichtsloseste Veranstaltung ist es, ein moralisch guter Mensch sein zu wollen. In der ersten Vorrede zu seiner Religionsschrift von 1793 sagt Kant: "Die Moral, so fern sie auf dem Begriffe des Menschen, als eines freien, eben darum aber auch sich selbst durch seine Vernunft an unbedingte Gesetze bindenden Wesens, gegründet ist, bedarf weder der Idee eines andern Wesens über ihm, um seine Pflicht zu erkennen, noch einer andern Triebfeder als des Gesetzes selbst, um sie zu beobachten". Was moralisch ist, versteht sich von selbst: handle so, dass die Maxime deines Willens ein allgemeines Gesetz werden könnte, - legt Kant der Metaphysik der Sitten grund. Das Gute ist zu tun, weil es gut ist, und aus keinem anderen Grund.

Das Gute ist zu tun, und auf Glückseligkeit ist zu hoffen. Das erhoffte Paradies darf nicht der Grund dazu sein, moralisch zu handeln, aber Letzteres macht einen Menschen würdig, in dieses Paradies einzutreten. In der Theorie schon. In der Praxis gibt es ein durchaus ernstzunehmendes Problem: "Wie es auch mit der Annehmung einer guten Gesinnung an ihm zugegangen sein mag und sogar, wie beharrlich er auch darin in einem ihr gemäßen Lebenswandel fortfahre, so fing er doch vom Bösen an, und diese Verschuldung ist ihm nie auszulöschen möglich", spricht Kant vom Menschen in der  Religionsschrift. Das Böse, das Kant meint, ist die Unterwerfung des moralischen Gesetzes unter selbstsüchtige Grundsätze, und die geläufigste Perversion dieser Art ist das gute Handeln zum Zwecke der Glückseligkeit: wäre die Letztere auf unmoralischem Wege schneller zu erreichen, würde ein solcher Mensch sofort diesen Weg einschlagen.

Wir fingen vom Bösen an, - was bedeutet das konkret? Es bedeutet eine unbezahlbare Schuld, einen unvertilgbaren Makel im tiefsten Innern jeder menschlichen Seele. Aber fingen denn alle vom Bösen an? Was bringt Kant zu der Annahme, dies sei der Fall, - nicht etwa die haarsträubend ungerechte biblische Lehre von der Erbsünde? Aus demselben Buche zaubert Kant auch eine Lösung hervor: Gott vergibt dem, der sich aufrichtig bemüht, ein guter Mensch zu werden; wer sich vom Bösen zum Guten wendet, wird durch Gnade der Glückseligkeit würdig. Doch Gnade war mir schon immer suspekt.

Man stelle sich seinen Traummenschen in partnerschaftlicher Hinsicht vor. Ein Weltenschöpfer schafft für dich deine Traumfrau gleich in doppelter Ausführung. Die beiden Frauen sind absolut identisch, aber eine von ihnen ist gleich nach dem Erschaffenwerden unglücklich gefallen und brach sich einige Knochen. Der Demiurg heilte sie sofort mit seinen Zauberkräften: vor dir stehen zwei völlig identische Frauen. Eine nimmst du mit in dein Leben, die andere nimmt der Demiurg zurück ins Nichts. Welche nimmst du mit? Dir stehen zwei identische Männer zur Auswahl. Beide warteten ein Jahr lang in Luxusgemächern auf dich. Der eine hatte sich aus Langeweile überfressen, wurde aber vom Demiurgen restlos von seiner Adipositas geheilt, der andere war immer gesund. Wer ist dein Traumtyp?

Hände, die ins Klo griffen, werden nach dem Waschen sauber, aber nicht mehr rein. Gesichter, die einmal alterten, werden diesen Makel ins Jenseits mitnehmen, wo alle wieder jung und schön sein werden. Was gewesen ist, ist gewesen, - einerseits vergangen, andererseits nie mehr rückgängig zu machen. Eine restlos verheilte Wunde ist etwas anderes, als gar keine Wunde. Was im Dreck begann, wird nie zur Reinheit gelangen. Es wird nie wieder gut: gut und wieder schließen sich aus. So kann ich mich bei bestem Glauben und höchster Anstrengung des guten Willens, das moralische Gesetz als Selbstzweck zu befolgen, niemals als würdig empfinden, Gottes reines Angesicht zu schauen. In eine dunkle Eiswüste will ich gelangen, allen Dreck auswaschen, alles Elende an mir ausrotten. Das Wissen darum, dass sich über mir - unerreichbar für mich und andere gründlich gewaschene Dreckiggewesene - ein Paradies mit perfekten Wesen befindet, denen kein Haar gekrümmt, kein Brechlied gesungen, kein Ekel gezeigt, kein Stück Haut verunreinigt wurde, wäre mir bereits Paradies genug, und selbstredend das Höchste, dessen ich würdig bin.

Mittwoch, 6. Juni 2018

Es hat keinen Sinn





Auf einem von Abermilliarden Planeten dieses ungefähr 200 Milliarden Lichtjahre durchmessenden Universums - wohlgemerkt nicht des einzigen im Multiversum - soll sich Gott, der Schöpfer des ganzen Weltalls, in eine höhere Affenart inkarniert und die räumlich und zeitlich extrem kleine und bis in die tiefste Lächerlichkeit hinein kosmisch unbedeutende Welt dieser sprechenden Affen zum geistigen Mittelpunkt seiner Schöfung auserkoren haben. Was für ein Größenwahn, welch eine Idiotie! Und was soll dieser gütige und liebende Jesus anderes sein, als die Projektion der jahrtausendelang unterdrückten Homosexualität? Ist Zölibat denn etwas anderes als die Rache von Zukurzgekommenen am launischen Geschlecht?

Man könnte diese Gedankengänge immer weiter ausführen, sie sind treffend, wenn auch stets einseitig. Aber mit dem Bauch gesprochen - dass alles stimmt doch? Durchaus, jedoch mit dem Kopf über den Bauch gesprochen, hören sich diese Gedankengänge nach einer entspannten abendlichen Nihilistelei an, - man hat sich eben einen runtergeholt und räsonniert motivationstechnisch noch etwas desorientiert über Gott und die Welt.

Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die Plattentektonik, die ein wesentliches theoretisches Fundament für die anfangs angestellten Überlegungen bildet, als unseriös verlacht. Kam Technologie, kam Paradigma, kam ein neues Weltbild. Vor etwas über 100 Jahren war ein Erdalter von 100000 Jahren keine kreationistische Interpretation der Bibel, sondern moderne Wissenschaft. Inzwischen ist die Erde bei knapp 5 Milliarden Jahren angekommen, und das Universum bei etwas über 13. Seit einigen Jahren versuchen Physiker, über den urgeknallten Tellerrand hinaus zu blicken, und schon bald kann uns unsere heutige Kosmologie als naiv erscheinen. Es ist nicht sehr klug, auf dem jeweils letzten naturwissenschaftlichen Paradigma eine ebendieses Paradigma umfassen und integrieren sollende Weltanschauung zu begründen.

Die Suche nach einem höheren Sinn muss, wie das Hirn eines Idioten oder das Dogma einer vorgestrigen Glaubensgemeinschaft, immun gegen wissenschaftlichen Fortschritt sein, was keineswegs als ein Lob der Torheit und der Ignoranz verstanden werden will. Die grundlegenden Fragen für eine Gesamtschau sind jedoch weit umfassender, als eine mit unendlich vielen Multiversen spekulierende Kosmologie. Es hat keinen Sinn, ein Ganzes aus seinen Teilen abzuleiten, denn ein Sinn erschließt sich erst, wenn diese Teile in ein Ganzes integriert werden. 

Montag, 4. Juni 2018

Woran ich nicht glaube





Ich glaube an einen Gott, der mir den Seelenfrieden bringt, der meinen ruhelosen Geist zur Ruhe bettet und wie ein allumfassendes Nichts am Friedhof über meinem verwesenden Körper wacht. Ich glaube an einen Mann, der sich vor 2000 Jahren dafür aufopferte, dass ich heute ein schlechtes Gewissen habe und sinnlose Gebote und Verbote befolge. Ich glaube an einen Übervater, der mir einen freien Willen gegeben hat, um sich daran zu ergötzen, dass dieser Wille gegen das von ihm bestimmte Schicksal nichts vermag, und bin froh, ein Gefäß für seinen göttlichen Urin zu sein. Und da glaube ich noch, Christ zu sein.

Den Seelenfrieden bringt mir der Wellnessbuddhismus, die Ruhe kommt mit dem Alter von selbst. Es gibt, wie ein Österreicher sagte, der 10 Jahre jünger starb, als dieser opferlustige Mann, nur Pflichten gegen sich selbst. Moralisch verhalte ich mich ausschließlich um meiner Selbst willen, um mich selbst nicht verachten zu müssen. In der Schule habe ich mich für Naturwissenschaften interessiert - Schicksal ist für mich nur die Gesamtheit aller Naturgesetze, die wir kennen oder nicht kennen, genauer, das was nach ihrem Wirken hinten rauskommt, ein vorläufiges Resultat, wie eingetreten, so vom Strom der Geschichte oder vom Spülwasser weggsepült. Ich diene keinem Zweck, erfülle keine Aufgabe. Ich bin da, und mehr wurde mir nicht auf den Weg gegeben.

Weshalb soll ich an einen Gott glauben, der mir etwas geben will, was ich bereits habe, an einen Gott, dessen Dasein keine Konsequenzen hat, der nur eine Metapher für die ohne diese Ausschmückung kalt und düster erscheinende Maschine Universum ist? Ein solcher Gott ist nichts, ein Nichts, das Nichts, - nichts, woran man glauben muss, denn man sieht seine Nichtigkeit unmittelbar ein, man weiß um seine Nichtigkeit. Da glaube ich doch besser gleich an das Nichts, oder aber an nichts, und bin ehrlicherweise Nihilist.

Aber ich glaube nicht an nichts. Ich glaube nicht daran, dass meine Bedürfnisse Krankheiten sind, dass meine Wünsche Anmaßungen sind, und dass mein Ich nach meinem Tod aufhört zu existieren. Ich glaube an etwas, das den Naturgesetzen widerspricht, aber nicht als Widernatürliches, das in Form von Zauberei die Welt lächerlich und die Realität zunichte machen würde, sondern als Übernatürliches, das unser Universum, diesen kleinen Affenkäfig, als einen speziellen Fall, eine begrentze Teilwirklichkeit, in sich einschließt. Wieso wir da drin sitzen, weiß ich nicht, und wüsste ich es, müsste ich es nicht einen Glauben nennen.

Donnerstag, 24. Mai 2018

Die Wiedergeburt





Bevor man Christ wird, muss man erkannt haben, dass man vorher immer Nihilist war. Auch das, was gemeinhin für das Christentum gehalten wird, ist Nihilismus. Der Nihilismus ist ein dreigeschossiges Gebäude: im Erdgeschoss wohnt der naive Nihilismus, der sich selbst als Nihilismus noch nicht weiß, und sich Humanismus, Kommunismus, Darwinismus nennen kann, oder aber namenlos kreatürlich vor sich hin lebt. Im Mittelgeschoss leuchtet das dunkle Licht der Verzweiflung: man erkennt die Sinnlosigkeit aller endlichen Werte und des vergänglichen Lebens. Man negiert das Bestehende, ohne etwas Besseres zu kennen. Findet man das Treppenhaus ins Obergeschoss, so leuchtet einem die hellste Sonne ins GesICHt - man hat es, mit oder ohne Max Stirner, verstanden. Nun lebt man wieder fröhlich und positiv, diesmal aber nicht für die nichtigen Werte und sinnlosen Ziele, sondern für sich selbst: man ordnet sich der Welt nicht unter, sondern macht sie sich untertan.

Steigt man aufs Dach, steht man dem Unendlichen gegenüber, und geht man wieder runter, bekommt man furchtbare Brustschmerzen, da man nun das Unendliche in sich selbst geweckt hat. Der unendliche Himmel über mir und der Sinn für das Schöne, Wahre und Gute in mir sind eins und dasselbe - absoluter Selbstzweck.

Mit dem Christentum hat der Spaziergang auf dem Dach freilich noch wenig zu tun. Man kehrt hin und wieder ins Gebäude zurück, wie in Platons Höhle, man kann sogar ins Erdgeschoss hinabsteigen, oder in den Vorgarten gehen. Animalische, patriotische, romantische und  schöpferische Gemütszustände wechseln sich ab, wie man rauf und runter geht.

Einer Nacht, nicht eines Nachts, hat man vielleicht das Glück, dass ein UFO auf dem Dach landet. Dann erst wird man Christ. Ohne die freie Handlung Gottes, ohne die Landung des UFOs kann man nicht Christ werden. Vorchristlicher Glaube an die Realität des Unendlichen ist hypothetisch, der christliche überwahr. Allerdings besteht ein nicht zu vernachlässigendes Problem, - wenn man die Existenz von UFOs von Anfang an ausschließt, kann man auch kein gelandetes UFO auf dem Dach erkennen. Der Geist muss frei sein, muss sich dem Unendlichen öffnen. Zu nichts Anderem war das Treppensteigen zuvor, diese Übung, um mit Karlsruhe zu sprechen, eigentlich gedacht.

Montag, 21. Mai 2018

Durch Psychoterror zum christlichen Glauben





Youtube ist Youporn des Geistes: keine Verschwörungstheorie, die da nicht zu finden ist, kein Aberglaube, der nicht für christlich ausgegeben wird. Der Braunschweiger Physiker und Informatiker Werner Gitt predigt seit Jahrzehnten mit Brachialmethoden, seit einigen Jahren auch auf Youtube. Er meint es gut, dieser Neurochirurg des Glaubens, der mit Boxhandschuhen operiert, er meint es zu gut.

Wo werden Sie 5 Minuten nach Ihrem Tod sein? Eine Fangfrage ist das nicht, der Werner meint sie ernst. Bitter ernst sogar, denn er zieht alle Register, selbst jene, die mit A beginnen. Imaginieren Sie mal: Sie sind kein Christ und werden heute von einem Betrunkenen tot umgefahren. Wo werden Sie 5 Minuten nach Ihrem Tod sein? In der Hölle, wo sonst. Und wie ist es in der Hölle so? Etwa doppelt so heiß, wie in einem Pizzaofen, und die Luftfeuchtigkeit beträgt Nullkommanull. Nun zum Register mir A: wie schlimm war Auschwitz? Als Grenzerfahrung schlimm genug, ein Extremsport für robustere Charaktere, - aber der teuflische Höhepunkt der Veranstaltung, die Vergasung, war nach 15 Minuten vorbei. Die Hölle ist für immer.

Der Prediger will aufrütteln, der Physiker geht methodisch vor: was für ein Horror muss es gewesen sein, in einer der Gaskammern zu sterben? Und doch nichts im Vergleich zum ewigen Horror der Hölle, der nicht nur unendlich intensiver erlebt wird, sondern auch unendlich länger dauert. Der Informatiker teilt Informationen aus: glaube an Christus, und du bist von diesem Schicksal erlöst!

Wer an die Hölle nicht glaubt, wird nur müde lächeln. Wer daran glaubt, wird Werner genau zuhören. Er wird vor Jesus wie ein Kaninchen vor der Schlange sitzen und ihn mit großen Augen anstarren: Bitte, lass mich nicht zur Hölle fahren! Wer an Gott nicht glaubt, wird durch eine solche Religion der Grausamkeit noch weiter von den religiösen Dingen weggestoßen, da solcherlei dreiste Nötigung nunmal abstoßend ist. Wer an Gott glaubt, wird den Gürtel seiner Seele enger schnallen.

Wenn du nicht an Christus glaubst, kommst du für immer in die Hölle! So kann nur ein Sektenführer zu seinen Schäfchen predigen, aber kein Menschenfischer. So weckt man kein Interesse, so bestätigt man das Vorurteil vom Christentum als der Religion der Grausamkeit, ein Vorurteil, das sich das manifeste Christentum redlich verdient hat. Sicherlich ist das eine Nebensache, denn es kann letztlich nur darum gehen, ob es eine Hölle gibt, oder nicht. Als Physiker kann man da nur sagen: ich weiß es nicht, - denn die Physik gehört immer noch zu den Wissenschaften, wie sehr die Biologie durch die Kreationisten der Neuen Welt immer mehr zu einer Glaubensdisziplin umgewandelt wird.

Zusammenfassung: Werner weiß nicht, ob es eine Hölle überhaupt gibt. Gäbe es sie mit Sicherheit, wäre die Religion, die ihre Existenz behauptet, keine Glaubenssache, sondern eine Tatsache. Damit Menschen anfangen, an seine religiösen Inhalte zu glauben, droht er ihnen mit der Hölle, die wiederum eine Glaubenssache ist, - wenn du nicht daran glaubst, wirst du dran glauben; wenn du nicht glaubst, dass Freddy Krueger existiert, wird er dich in deinen Träumen aufsuchen.

Mittwoch, 16. Mai 2018

Vereinen und herrschen





Teilen und herrschen, das war die Vorgehensweise der alten guten Römer. In unserer Zeit bedient sich die souveräne Macht einer anderen Strategie: sie reduziert die Subjekte auf das nackte Leben und fegt alle zusammen auf einen Haufen bzw. konzentriert sie. Nicht die im Geiste der Brüderlichkeit zu überwindende Spaltung, sondern das Konzentrationslager-Paradigma von Giorgio Agamben ist der modus operandi der Mächtigen in unserer Zeit. Alle werden gleich gemacht, alle Unterschiede werden nivelliert.

Der Mensch wird vom Subjekt zum Objekt, zum Opfer; alle sind heute Opfer. Echte Verantwortung ist abgeschafft: es gibt keine Todesstrafe für Mord. Es wäre ja furchtbar, die Zerstörung eines Lebens mit der Zerstörung eines anderen Lebens zu bestrafen! Das sind wir nur noch: nacktes Leben, völlig unterschiedslos, ob unschuldig oder schuldig, ob gut oder böse.

Der Mensch ist zur Ressource verkommen. Individualität bedeutet nicht Persönlichkeit, sondern Atomisierung: alle sind gleich einzigartige Atome, weil alle identsch sind; das Identischwerden ist faktisch noch im Kommen, zunächst gilt es als implizite normative Forderung hinter der Ideologie der freien Wahl der Identität (geschlechtlich, kulturell usw.). Nur wenn wir uns aufteilen, entkommen wir dem universellen Lager. Die irrtümlich Multikulti genannte Monokultur der Durchmischung mit dem Ziel der Schaffung des Einheitsmenschen (diesmal durch den kulturellen, nicht den gescheiterten ökonomischen Marxismus) muss aufgelöst werden zugunsten wahrer Vielfalt: Kultur braucht Kulturen, Zivilisation braucht Zivilisationen, Menschheit braucht Menschen, einzelne, nicht identische, sondern unterschiedliche Menschen. 

Montag, 14. Mai 2018

Ich bin auf keiner Seite





Dazugehören ist blöd: man ist einer rechten Bewegung, und sie wird von Nazis unterwandert; man ist in einer liberalen Bewegung, und sie wird von Kinderschändern, die „gewaltfreien“ Sex mit Kindern legalisieren wollen, missbraucht. Es gibt keine richtige Seite. Die meisten Menschen sind schlecht und geben dem Hang zum Bösen allzu bereitwillig nach, und früher oder später schlägt sich die menschliche Natur in jeder anfangs noch so idealistischen Gemeinschaft nieder. Ich bin auf meiner eigenen Seite, über mir steht nur Gott, und wenn es keinen gibt, bin ich die höchste moralische Instanz (als Vernunftwesen, nicht als Ego). Für wen bin ich? Für gute Menschen. Gegen wen? Gegen böse Menschen. Aus einer Position der Stärke biete ich auch schlechten Menschen Hilfe an, ich schulde jedoch keinem einzigen irgendetwas; kein Mensch hat einen Anspruch auf mich. Ich bin moralischer Individualist, das Gegenteil eines un- bzw. amoralischen Egoisten.

Samstag, 12. Mai 2018

Religion oder psychische Krankheit?





Was ist Religion? Eine psychische Störung. Freud es dich, es dir so zu erklären? Alles, aber wirklich alles, hat seinen Ursprung im Sexualtrieb - die Metaphysik, die Weltkriege, die Naturkonstanten. Zu einfach? Jetzt bloß nicht ins andere Extrem umkippen: Psychologie ist nicht immer Schwachsinn, aber so mancher Schwachsinn lässt sich psychologisch erklären. Wie erkennt man, dass das, was man für Religion hält, eine psychische Störung ist?

Wie ist Religion? Religion ist wie eine gute Droge: bewusstseinserweiternd. Religion ist nach Oben offen, transzendent. Wer eine Religion hat, verlässt sich darauf, nicht verlassen zu sein, egal, die wievielte geliebte Person ihn abermals verlässt. Religion ist mystisch, transrational, sie liefert keine geschlossenen Welterklärungen, sondern Hoffnung und Zuversicht. Marx hatte Recht, Lenin irrte: selbstverständlich ist Religion unter anderem auch Opium des Volkes, aber sobald sie sich darauf beschränkt, nur Unterdrückungsmechanismus zu sein, Opium für das Volk, ist sie nicht mehr Religion.

Eine psychische Störung ist voll und ganz diesseitig, durch und durch logisch mit einer mythischen Letztbegründung, einschränkend, erdrückend, fixiert auf Endliches, oft auf Vergangenes, und produziert Angst statt Hoffnung, Ausweglosigkeit statt Zuversicht. Erinnert dich das an deinen Glauben? Nun, dann ist er eine psychische Störung unter dem Deckmantel einer Religion. Bist du in deinem Glauben - der sich als ein Glaube an Gott präsentiert - auf andere Menschen fixiert, liegen deine Ziele ganz im Diesseits? Ein Haus, ein Auto, ein Raumschiff - diese Ziele sind keineswegs schädlich für dein spirituelles Wohl und Heil, aber sind dies deine einzigen Ziele? Ist dein Bewusstsein so verengt, dass du Haus, Auto und Raumschiff begehrst, um da drin oder da drauf letztendlich bewusstseinserweiternden Sex zu feiern? 

Die Religion eignet sich, da sie inhaltlich offen ist, prima als Aberglaube, um diesseitige Wünsche und Ängste zu handhaben. Sie selbst ist nur eine Form des Bewusstseins, eine Stellung, und zwar die des Endlichen zum Unendlichen. Das Unendliche kann aber psychischerweise durch Endliches ersetzt werden, wodurch die Religion zum Aberglauben wird: glaube an Gott, damit du beruflichen Erfolg hast; befolge bestimmte Gebote, damit dies oder jenes ganz sicher nicht passiert.

Wie stellst du fest, ob du ein guter Christ, Jude, Buddhist, Atheist bist? Durch die Kraft deiner inneren Ruhe und die Immunität deiner Zuversicht gegenüber kreatürlichen Ängsten? Oder dadurch, in welches Verhältnis zu den Anderen dich dein Glaube setzt, wieviel du ihnen bedeutest, was du ihnen tust, was sie dir tun, was du für sie getan hast, was sie für dich getan haben, gegen wen du dich durch deinen Glauben abgegrenzt hast und zu wem du eine Beziehung aufgebaut hast?

Halten wir (Ärzte den Psychopathen) fest: schränkt dich dein Glaube ein, drückt er, wie ein Holzschuh, macht er dir Angst, schließt er Horizonte, anstatt diese zu erweitern, setzt er Denkverbote, generiert er Schuldgefühle, dann lass ihn ruhen und hol dir professionelle Hilfe, denn mit Gott hat so ein Glaube nichts zu tun, sondern nur mit furchtsam von dir selbst vor dir selbst versteckten psychischen Problemen. Macht dich dein Glaube glücklich - schenkt er dir beständige Freude, und nicht bloß flüchtiges Vergnügen - , dann sei, Erich, fromm. 

Dienstag, 24. April 2018

Das absolute Individuum





Welch chthonische Wonne, zu einer benachteiligten Gruppe zu gehören, und den Schmerz der Ausgrenzung zu empfinden! Wenn das der einzige Schmerz ist, dem man sein Leben lang ausgesetzt ist, und man dann noch jammert, ist man ein derart peinliches Stück Jammerfleisch, dass die diskriminierte Gruppe, der man angehört, sich von einem angewidert distanzieren müsste. Der lunarische Schmerz unerwiderter Liebe ist um ein Vielfaches härter, zuweilen unerträglich, und ein respektabler Grund für einen Verzweiflungssuizid. Der Verlust eines geliebten Menschen durch einen Schicksalsschlag oder ein Verbrechen gehört in ebendiese kaum erträgliche Schmerzenskategorie. Der solare Schmerz totaler Luzidiät stellt jedoch selbst dieses Leid in den Schatten: die absolute Einsamkeit, das Individuum schlechthin zu sein, einerseits absolut Einzelner, andererseits absolut untrennbar, und somit von der existenziellen Einsamkeit unheilbar.

Das wirkliche, nicht bloß empirische Ich, die hochsensible hocheinsame Persönlichkeit mit der Bürde des Werts, diesem Kartoffelsack voller Gold auf den Schultern; die Verantwortung für den eigenen unschätzbaren Wert, aus der man durch keine Lebenslage und keinen Rückzug entlassen werden kann: aus diesem Grund ist beispielsweise der Kyniker kein locker-entspannter Penner, sondern das moralische Gewissen der Menschheit an jedem noch so entlegenen Straßenrand.

Die moralische Pflicht, nach Macht zu streben und Gewalt auszuüben, weil man der Gute ist, und das Gute in sich trägt, und es bei einem Rückzug fühlenden und leidenden Wesen verweigert: den falschen Stolz überwinden, dass eine nichtige aber mit gutem Aussehen zufällig beschenkte Frau dem wahrhaft Wertvollen den Nichtswürdigen vorzieht, und sich zum edlen Stolz der Würde bekennen, und damit zur Verantwortung des Lichts, hell zu leuchten, das macht den wahren Übermenschen aus.

Der absolute Schmerz, der aus klar vorgesteller Möglichkeit und der eigenen Fähigkeit zur unendlicher Liebe entsteht, und das Wissen, dass diese Liebe in der gegebenen Welt aufgrund der Verderbtheit dieser niemals zur Entfaltung kommen kann, ist die härteste Prüfung für die Besten und Edelsten unter den Menschen.

Mittwoch, 11. April 2018

Totaler Konformismus





Die meisten Leute haben fast zu nichts eine echte persönliche Meinung, sie raten vielmehr jedesmal, welche Ansichten sozial erwünscht sind, und geben diese dann für ihre eigenen aus. Durch das angenehme Gefühl der sozialen Bestätigung dieser Ansichten wird die Illusion einer eigenen Meinung erzeugt, so dass man schließlich glaubt, tatsächlich dieser Meinung zu sein. Dieses faule Spiel funktioniert sogar in den persönlichsten Bereichen, von denen man annehmen müsste, sie wären frei von sozialer Kontrolle, und stattdessen von authentischen Erfahrungen beherrscht: selbst in der Frage nach der Unsterblichkeit der Seele wird die Meinung mittels des Pingpongspiels der Rückbestätigung gebildet.

Montag, 9. April 2018

Schlechtes Karma





Dein Karma entscheidet darüber, in welche Welt du hineingeboren wirst, jedoch nicht darüber, was in jener Welt mit dir passiert. Was passiert, ist kontingent. Behinderung, Krankheit oder Grausamkeiten, die dir andere antun, sind keine Folge von schlechtem Karma, sondern zufällige Ereignisse. Das schlechte Karma setzt dich bloß in eine Welt, in der diese Abscheulichkeiten möglich sind. Dein Karma wird auch nicht durch ein kontingentes Ereignis (nicht durch den Zufall von Sieg oder Niederlage) verbessert, sondern allein durch deinen tätigen und bis zum Ende standhaften guten Willen.

Dienstag, 3. April 2018

Irrliebe





Liebe, so heißt es, deinen Nächsten! In vino caritas: trinken wir auf die barmherzige Liebe! Liebe, so heißt es, deinen Feind! Homo homini lupus: den Fremden kennt der Christ nicht, aber er kennt Gott, und zwar persönlich. Auf diesem Vertrauen, dass sein Gott der Gott aller Menschen ist - philosophisch ausgedrückt, dass die gesamte bekannte und unbekannte Welt ein einziges Ganzes ist - sei die Feindesliebe gegründet.

Der dritte Stand erhob sich aus dem Staub der Geschichte, um die Welt aus den Angeln zu heben,  um die Werte umzuwerten, um Gott für tot zu erklären. Alle Sittlichkeit ward ihm nichtig, es zählte allein die Gesinnung. Reformation und Romantik haben die Welt tiefgreifender verändert, als die Französische Revolution Frankreich. Seit einigen Jahrhunderten gibt es nur noch eine Liebe, die romantische, - ob mit oder ohne Eros, die Liebe hat wahr zu sein, muss tief aus dem Herzen kommen.

Seien wir ehrlich. Die meisten von uns, hätten sie ihre Eltern oder Geschwister in der freien Wildbahn getroffen, hätten einen großen Bogen um diese Menschen gemacht. Jeder wurde in ein Umfeld hinein geboren, das er sich nicht aussuchen konnte, und im Nachhinein auch nicht ausgesucht hätte. Die alte Weltordnung kennt die Pflicht, die Älteren, insbesondere die Eltern, zu ehren. Die Pflicht kann gern oder freudlos erfüllt werden, aber solange sie erfüllt wird, handelt man richtig. Die neue Weltordnung fordert nun, dass die Liebe zu den Eltern und Geschwistern nicht nur pflichtgemäß gelebt, sondern auch tief im Herzen empfunden werden möge. Wie pervers das ist, versteht sich nicht für jeden von selbst. Also ein Gedankenexperiment.

Man stelle sich vor, man würde auf offener Straße gefangen und entführt werden, dann in ein Kellerloch mit Kinderbett gesteckt, und dort für Jahre festgehalten. Wenn man Hunger oder Durst hat, muss man anfangen, laut zu heulen, und wenn man etwas tun will, muss man den Entführer um Erlaubnis fragen. Ein seltenes und selten abscheuliches Verbrechen, so selten, dass ein Opfer allein dadurch, dass ihm solches widerfuhr, berühmt werden kann. Und doch ist das jedem von uns passiert: jeder wurde in die wehr- und hilflose Lage eines Kindes hineingeboren, ohne dass man ihn um seine Zustimmung gefragt hätte. Jeder musste seine zartesten Jahre an der Seite von Erwachsenen verbringen, die er sich nicht aussuchen konnte, und die eine fast uneingeschränkte Macht über ihn inne hatten.

Ein Entführungsopfer kann, um nicht aufgrund seiner hilflosen Situation den Verstand zu verlieren, am Stockholm-Syndrom erkranken. Das funktioniert auch bei jedem Kind, und hieraus resultiert die unhinterfragbare Liebe zu den eigenen Eltern, - unhinterfragbar, weil die Entführung im Alter von Null stattfindet, und das Machtgefälle zwischen Entführer und Opfer gigantisch ist.

Der Mensch wird als unfrei geboren, und das neuzeitlich umgedeutete Liebesgebot - Liebe müsse nicht nur gelebt, sondern auch empfunden werden - legt ihn in Ketten. Es geht auch anders: ja, diese Frau da ist meine Mutter, aber ich, Fritzchen, 5 Jahre alt, bin in mein Kindermädchen verknallt. Die Mutter ehre ich, das Kindermädchen liebe ich. Wer ist der wichtigste Mensch in meinem - Annika, 8 Jahre alt, - niedlichen süßen Leben? Nein, nicht mein Vater, sondern natürlich die schöne Sophie aus der vierten Klasse. Wir müssen lernen, Schutzbefohlene nicht als Besitz zu betrachten. Wir müssen aufhören, Liebe erzwingen zu wollen. Wir müssen erkennen, dass unsere Eltern nicht das Beste für uns wollten, sondern dadurch, dass sie uns in die Welt setzten, das Beste für sich erhofften.

Sonntag, 1. April 2018

Dankbarkeitsbeschämung





Dankbarkeit ohne Ehrlichkeit ist Heuchelei. Wer einseitig für das Gegebene dankbar ist, und sich beschämt über das Genommene ausschweigt, bei dem hat narzisstische Gehirnwäsche funktioniert. Der ehrlich Dankbare ist für jeden Cent dankbar, der ihm gegeben wurde, um seine Grundbedürfnisse zu befriedigen, aber wenn ihm für ein paar Tausend Taler ein Diamant im Wert von einer Milliarde genommen wurde, relativiert sich die Dankbarkeit zu einem vernünftigen Maß.

Das Bisschen an billigem Geld, das im Ölzeitalter zum Überleben nötig ist, ist eine jedem leistungslos gewährte Selbstverständlichkeit. Die meisten „arbeitenden“ Menschen sind ohnehin Parasiten, die Netto-Steuerempfänger sind, und deren Jobs sind nur Alibis für die Frage, wofür sie eigentlich das Vielfache von Hartz 4 bekommen. Und nur ein moralisch verkommener Mensch würde jemandem die Versorgung während der Kindheit in Rechnung stellen: keiner hat um seine Zeugung und Geburt gebeten.

Der narzisstische Kannibalismus, der Lebensfreude und Vitalität verschlingt, wiegt unvergleichlich schwerer als die im Zeitalter der fossilen Energien fast umsonst zu gewährleistende Grundversorgung. Jemand, der seiner Lebensfreude und Vitalität nicht beraubt wird, und nicht Jahre oder Jahrzehnte am Rande des Suizids leben muss, sondern schnell und effizient den Einstieg ins Berufsleben finden kann, wird mit Freude das Vielfache an materiellen Leistungen der Gesellschaft zurückgeben. Wer narzisstisch kannibalisiert wurde, ist anderen nichts schuldig, und schuldet allein sich selbst etwas, und zwar die Wahrheit.

Samstag, 31. März 2018

Mediokritäre Selbstgefälligkeit





Das atheistische Weltbild erklärt das Alltägliche und Gewöhnliche viel besser als jede Religion. Mit humanistischer Ethik ist die atheistische Weltanschauung jeder religiösen überlegen, denn so gut wie jede Religion basiert auf bestenfalls peinlichen und abscheulichstenfalls grausamen Mythologien und Gottesbildern.

In Extremsituationen allerdings hat der Atheismus nur betretenes Schweigen als Antwort, genauso wie der Utilitarismus, dessen Klugheit sich in der Verteilung von Glücksgütern erschöpft, und bei der Betrachtung von Leid kläglich versagt. Die Extremsituation ist das Entscheidende, auch wenn die meisten Menschen medioker oder gar tierisch dahinleben, und niemals mit großem Leid konfrontiert werden, – ihrem Leben kommt keine Wirklichkeit zu, sie sind bloß zufällige Existenz. Wer die höchste Bedeutung des großen Leids für die conditio humana bestreitet, offenbart nur seine eigene Bedeutungslosigkeit.

Welche Antwort hat also eine auf wissenschaftlicher Methode und dem Humanismus aufbauende Weltanschauung auf die Frage nach dem unerträglichen Leid und der letzten Gerechtigkeit? Keine – das ist die Antwort eines ehrlichen Atheisten, der sich aufrichtigerweise zum Nihilismus bekennt. Wer sich nicht zum Nihilismus bekennen will, aber auf der atheistischen Weltanschauung ostentativ beharrt, zeigt einerseits seine mediokritäre Selbstgefälligkeit und andererseits völlige Ignoranz für die großen Fragen, die seine gemütliche mittelmäßige Lebenswelt nicht tangieren.

Freitag, 30. März 2018

Atheistischer Altruismus





Der zeitgenössische Utilitarist Peter Singer hält den Menschen mit ungenierter Selbstverständlichkeit für ein bloßes Tier, fordert aber, dass jeder mindestens 10% seines Einkommens für Entwicklungshilfe spendet, und auch sonst seinen Mitmenschen hilft, wo er nur kann, und stellt dies sogar ethisch höher als individuelle Selbstverwirklichung (obwohl er solch radikaler Individualist ist, dass er nicht von Affen und Menschen, sondern von Individuen spricht: dieser Mensch, dieser Gorilla, und folglich Menschenrechte für Tiere fordert).

Vom Ergebnis her gesehen, ist Singers Einstellung lobenswert, was aber ihre logischen Voraussetzungen betrifft, erweist sie sich als beliebig, und darum ethisch unhaltbar. Der Selbstwiderspruch ist folgender: warum soll ich, einzigartiges Individuum, meine Selbstverwirklichung zurückstellen, damit andere Individuen, die nicht Ich sind, ein besseres Leben haben, - wenn der Individualismus so weit gehen soll, dass er zwischen Menschen und Tieren keinen Unterschied macht? Individualismus bedeutet: meine Bedürfnisse (z. B. in die Oper gehen zu können und einen großen Geländewagen zu fahren) sind wichtiger als Hunger und Krankheit der Menschen in armen Ländern. Altruismus bedeutet: es zählt nicht, wessen Bedürfnisse befriedigt werden, sondern welche. Somit wäre es wichtiger, arme Menschen zu heilen, als Steuergelder für luxuriöse Opernhäuser zu verschwenden.

Der offensichtliche Selbstwiderspruch wiegt hier jedoch nicht so schwer wie das Fehlen einer ideellen Basis für Altruismus und Utilitarismus im Allgemeinen: die meisten Menschen sind schlecht, einige böse, nur wenige gut. Warum soll ich mich um das Wohlergehen schlechter Menschen kümmern, oder gar meine Lebenszeit und mein Geld dafür opfern, um ihnen zu helfen? Was ist gut daran, dass es schlechten Menschen gut geht? Eine schwache Erwiderung wäre: aber hin und wieder trifft deine Hilfe auch einen guten Menschen! - Wenn wir nun den Unterschied zwischen guten und schlechten Menschen fallen lassen, müssen wir fragen: was geht es mich überhaupt an, wie es anderen Menschen geht?

Mit Kant ist die Sache klar: der kategorische Imperativ fordert in seinen logischen Ableitungen, sich selbst immer der Glückseligkeit würdig zu verhalten, und das Wohl seiner Mitmenschen zu befördern (denn ich bin machtlos, zu bewirken, dass sich andere Menschen moralisch verhalten). Wenn ich Gott als den transzendentalen Garanten für das höchste Gut (das Zusammenfallen von Würdigkeit und Glückseligkeit in einer anderen Welt) annehme, macht es Sinn, selbst schlechten Menschen zu helfen, weil es für diese einen Sinn hat, sich zu bessern.

Wenn anstelle Gottes das große Nichts auf alle wartet, habe ich keine Veranlassung zu glauben, dass ein egoistischer Mensch zu seinem eigenen Nachteil handeln und sich moralisch bessern wird; nicht dass ich aus moralischen Gründen bereits im Konkurrenzkampf mit ihm im Nachteil wäre (aus der moralisch gebotenen Rücksicht), nein, ich soll auch noch sein Wohl befördern!? Der Schlechte lebt nach seiner Lust, und der Gute soll seine Bedürfnisse zurückstellen und ihn dabei unterstützen?

Dienstag, 27. März 2018

Rapekultur und Realität





Vergewaltigungsphantasien lassen wir hier außen vor, denn selbst wenn wir davon ausgehen, dass die Dunkelziffer stimmt, und fast alle Frauen diese Phantasien haben, so hat kein Mann (und keine Frau) das Recht, diese Phantasien Realität werden zu lassen. So wie es etwa 1% Kernpädophile, aber mindestens 100% Pädophile im weiteren (und für nicht nur schöne Kinder gefährlichen) Sinne in jeder Bevölkerungsgruppe gibt (was jede seriöse Attraktivitätsforschung bestätigt), gibt es eine kleine Prozentzahl von Hardcore-Gewaltsexuellen, aber eine überwältigende Mehrheit von Menschen, für die Sexualität untrennbar mit Gewalt verbunden ist (weil sie das an sich ist). Die gesellschaftliche Realität ist jedoch ein Filter, der die wahre Natur der Natur (nicht des Geistes) des Menschen im Zaum hält, und nur zu einem sozial verträglichen Bruchteil zur Entfaltung kommen lässt.

Derzeit wird weltweit eine angebliche Vergewaltigungskultur (rape culture) diskutiert: viele Männer ignorieren angeblich, wenn eine Frau Nein sagt, und nutzen uneindeutige Situationen, um Frauen zu vergewaltigen. Die Empfehlung an Frauen lautet daher, sich eindeutig zu verhalten, und die Empfehlung an Männer lautet, nur dann Sex zu haben, wenn eine Frau eindeutig Ja gesagt hat. Nun entspricht das eindeutige Ja oder Nein nicht dem weiblichen Gender, weshalb Frauen, die sich an die Eindeutigkeitsempfehlung halten, unweiblicher (auch unkindlicher) und damit unattraktiver werden. Männer, die Eindeutigkeit von Frauen verlangen, sind, abgesehen von der mehr als berechtigten Angst vor Falschbeschuldigungen, dermaßen sozial inkompetent, dass sie die Sprache des weiblichen Genders nicht verstehen können (was bei modernen und postmodernen Männern die Regel, nicht die Ausnahme ist).

Unfähigkeit zur Kommunikation kann keine Entschuldigung für sexuelle Übergriffe sein, denn im Fall eines Missverständnisses wie generell im Zweifelsfall ist Zurückhaltung die beste Option; wer aber so geil ist, dass er eine versehentliche (oder im Nachhinein erfundene) Vergewaltigung riskiert, ist in beiden Fällen selber schuld. "Aber es muss doch eine Möglichkeit geben, sorgenfrei Sex zu haben!" - nein, muss es nicht, und selbst die Natur hat sorgenfreien Sex nicht vorgesehen, und droht vielmehr mit ungewollten Schwangerschaften und tödlichen Geschlechtskrankheiten. Die Sphäre des Sexuellen müsste, um Frauen vor Vergewaltigungen und Männer vor Falschbeschudigungen zu schützen, in einem solchen Ausmaß verrechtlicht und reglementiert werden, dass Sex bald mehr Unbehagen als Lust auslöst, und daher zugunsten der Masturbation aufgegeben wird.

Rettet den Sex! - ist eine törichte Mahnung an alle Beteiligkeiten, denn der Sex, die Natur, wird sich seinen/ihren Weg durch die dünne Kruste der Kultur und Zivilisation auch ohne unsere Hilfe bahnen. Erkennt, was Sex ist! - wäre die notwendige Aufforderung an alle, denn wer nicht weiß, wie die menschlichen Triebstrukturen funktionieren, wird beim Kampf gegen gesellschaftlich unerwünschte Sexualität massenhaft Perversionen, sexuell Gestörte und sadistische Ersatzhandlungen verursachen. Wer erkennt, was Sex ist, verliert viele Illusionen auf einmal, so auch die Illusion von den friedfertigen Frauen (von denen, wie seriöse Studien zeigen, genausoviel sexuelle und andere Gewalt ausgeht wie von Männern). Ist das eigentliche Problem also die menschliche Natur oder unsere Zivilisation, die die natürlichen Triebe aus Unwissenheit und Ignoranz falsch angeht, und zu Perversionen werden lässt? Solange diese Frage, wie auch die Frage nach einem für alle akzeptierbaren gesellschaftlichen Umgang mit Sexualität nicht gelöst ist, wäre die vernünftigste Empfehlung ein Jahr (oder Jahrzehnt oder Jahrhundert) der Besinnung, in dem alle enthaltsam leben und über Sexualität nachdenken, bis jemandem eine Lösung einfällt.

Samstag, 24. März 2018

Virtue Signalling





Das Besondere am Gutmenschentum bzw. an der "Virtue Signalling" genannten Heuchelei ist die dominante narzisstische Komponente. Sie wollen nicht bloß päpstlicher als der Papst sein, sondern sie gehen davon aus, dass alle anderen ihnen allein für die bloße Erklärung der guten Absicht etwas schuldig sind. Die gute Absicht wird allerdings nur zum Schein verfolgt und verpflichtet zu nichts. Die narzisstischen Heuchler unserer Zeit sind solipsistisch und ignorant, predigen die Weltrettung und verbleiben selbstgefällig in ihrer Hipster-Bequemlichkeit. Das ist ein dekadentes, passiv-aggressives Pharisäertum.

Freitag, 23. März 2018

Freiheitsmaterialismus





Vorweg drei unedle Wahrheiten:

1. Organismen sind Selbsterhaltungssysteme (Evolutionsbiologie).

2. Lebewesen sind Systeme mit unterschiedlich vielen Freiheitsgraden (Daniel Dennett).

3. Psychische Krankheiten haben alle dieselbe Ursache: Überforderung durch Komplexität (Jordan Peterson).

Die Welt entsteht konstruktivistischerweise im Kopf, und so kann (3) nur die Komplexität der eigenen Freiheitsgrade (2) die Ursache für Wahnsinn sein. Das menschliche Gehirn hat unzählige Freiheitsgrade, und ist somit ein sehr störungsanfälliges System. Dieses System wird durch Überforderung zerstört und hat damit ein vitales Interesse (1) an der Verringerung von Freiheitsgraden.   

Freiheitsgrade können zum Schutz vor Überkomplexität durch systemimmanente Beschränkungen begrenzt werden (angeborene Behinderungen wie Autismus) oder durch transsystemisch erziele Freiheitsblocker wie Religion und Moral. Es ist Tatsache, dass religiöser Glaube die Arbeit des Denkens im Gehirn verringert, und dass Autisten Gerechtigkeitsfanatiker sind. Während Religion die Fähigkeit zur Erschließung von zusätzlichen Freiheitsgraden blockiert, schränkt Moralität, die auf den Grundsätzen von Gerechtigkeit und Gesetzmäßigkeit beruht, die bereits vorhandenen Freiheitsgrade ein. Moralität ist erlernter Autismus; Religion ist erlernte Dummheit bzw. antrainierte Hemmung der Denkarbeit, wenn Denken ein Erschließen zusätzlicher Freiheitsgrade ist.

Das System menschlicher Organismus (und das Gehirn als zentraler Bestandteil des Systems) strebt nach Selbsterhaltung (1), und bedient sich dabei so vieler Freiheitsgrade (2), dass Überkomplexität und damit Überforderung für das System entsteht (3). Um zu überleben, muss das System die Überforderung verhindern, und bedient sich dabei einersteits der intrasystemischen Freiheitsblocker (das Unbewusste als Autopilot bei allen oder Behinderungen wie Autismus bei manchen menschlichen Gehirnen) und andererseits der intersystemischen Kontrollmechanismen wie Moralität, Religion und staatliche Ordnung. Die Letztere ist ein künstliches Hilfsmittel, das überschüssige Komplexität absorbiert, wie der Taschenrechner das Kopfrechnen entlastet. 


Das Ich ist eine Schleife der Selbstbezüglichkeit. „Ich“ ist keine Entität, sondern eine Funktion des Systems Organismus/Gehirn, die in der Produktion von komplexitätsreduzierenden Loops besteht: ein geschlossener Kreis bildet eine qualitative Grenze für quantitativ potentiell unendliche Freiheitsgrade. Da der Speicherraum des Gehirns begrenzt ist, würde das Weiterdenken über die vorhandenen Kapazitäten hinaus das System zum Absturz bringen. Als Schutzmechanismus entsteht die Reflexivität, die die Ich-Illusion erzeugt. Das epiphänomenale Nebenprodukt der Ich-Schleife ist die Funktion „Wahrheit“, die Einbahnigkeit (Narrativität) des Bewusstseins. Was von „mir“ als mein Bewusstsein erlebt wird, ist die stärkste Ich-Schleife, die mein Gehirn produziert. Wenn Menschen sich „ändern“, ringt eine andere Ich-Schleife die bisher dominierende nieder, und sorgt epiphänomenologisch (im Sinne von bewusstseinsintern-phänomenologisch) für ein anderes Narrativ; so funktioniert „Persönlichkeitsentwicklung“, ein intraorganismischer evolutionsbiologischer Prozess.

Die Illusion der ersten Person wird durch Schleifen der Selbstbezüglichkeit erzeugt und durch Wiederholung und Erinnerung intensiviert. Da die Ich-Schleife Energie spart und Komplexität reduziert, sind schleifenartige Denkprozesse Attraktoren, die sich selbst erzeugen und verstärken. Wiederholung und Erinnerung finden durch Assoziation statt und nicht durch logische Kontinuität, welche eine Rationalisierung im Nachhinein im Freudschen Sinne ist. Neuronen, die nebeneinander feuern, feuern erst durch Zufall und dann, wenn die Signalbündelung eine Schwelle überschreitet, systematisch miteinander, bis schließlich assoziativ ein Gefühl der Erste-Person-Erfahrung entsteht. Das permanente Ich-Bewusstsein wird durch ständigen Reupload der Loops verstärkt und erneuert; der Erinnerungs-Loop sorgt für die zweite Ordnung der Selbstbezüglichkeit, die Reflexion der Reflexion, und hat für den Energiesparmodus „Ich“ eine immunisierende Funktion: da sich die Ich-Schleife ständig zerstreut, sorgt der Erinnerungs-Loop für eine Neuanordnung der im Ich-Modus feuernden Neuronen; „das Ich“ verändert sich fortwähend, wird aber durch den Erinnerungs-Loop in der Illusion der Kontinuität festgehalten. Der Ich-Prozess wird selbstähnlich wiederholt, und als konsistent erinnert, obwohl sich abwechselnde Neuronenhaufen in den gerade verfügbaren Hirnarealen ständig ein neues Ich-Gefühl produzieren. Als Glück wird die Auflösung der Ich-Schleife in der äußerlichen Beschäftigung erlebt: das Gehirn geht in einer Tätigkeit auf und erlebt einen „Flow“. Mangelnde Beschäftigung erzeugt im Gehirn verstärkte selbstreflexive Schleifen, da die Ich-Funktion bei Reizmangel ein Attraktor für die Neuronen ist. Wer „sich langweilt“, hat im Gehirn zu viele unterforderte Neuronen, die sich in den Energiesparmodus „Ich“ begeben, diesen aber bei bleibendem Reizmangel verstärken und übertreiben, weshlab Langeweile erstens als leidvoll erlebt wird, und zweitens als Abfallprodukt Empfindungen wie Trauer, Sehnsucht und Eisamkeit produziert.

Eine angst- und traumabedingt vergrößerte Amygdala sorgt vermutlich für verstärkte Wiederholungs- und Erinnerungs-Loops, so dass ein traumatisierter Organismus es mit der Vereinfachung der Weltwahrnehmung durch eine übersteigerte Ich-Funktion übertreibt. Dadurch entsteht die empiphänomenal als Leid bekannte Funktion der Über-Erinnerung und Über-Identifikation durch beschleunigte Wiederholung. Wird die Ich-Funktion übermäßig betätigt, verbraucht sie mehr Energie als sie spart, was zu Erschöpfungserscheinungen wie Hoffnungslosigkeit und Depresssivität führt. Da die Ich-Funktion mit der Reflixivität zweiter Ordnung eine positiv rückgekoppelte Funktion ist, verstärkt sie sich trotz destruktiver Effekte selbst, und kommt erst beim Ich zweiter Ordnung, dem Über-Ich, zur Ruhe. Stiftet das Ich erster Ordnung Identität und die Illusion von Kontinuität, so sorgt das Ich zweiter Ordnung, das Über-Ich, für ein Sinn-Gefühl. Das Ich zweiter Ordnung ist mit dem Ich erster Ordnung negativ rückgekoppelt, und so wird „Gott“ als äußere, meist repressive, Instanz erlebt. Bei besonders leistungsstarkem Denkvermögen, sprich bei höherer Intelligenz, gerät die Reflexion zweiter Ordnung selbst ins Bewusstsein, und als Betriebsunfall entsteht mathematisches und philosophisches Denken.

Freitag, 16. März 2018

Trümmerfrauen





Während Männer in malerischen Gefechten freudevoll ihr Leben lassen, bleiben in der tristen Heimat die traurigen Trümmerfrauen zurück; Männer dürfen sich an der Front wie spielende Kinder austoben, Frauen müssen zu Hause den Schutt der Kriegsverwüstungen aufräumen.

Männer wollen frei sein, Frauen leiden folglich an einem ungemütlichen Mangel an Sicherheit. Immer wenn sich Männer von Frauen emanzipieren, zerbrechen infantile Kastensysteme, und auf einmal kann jeder alles werden: ein Bauernsohn wird ein großer Wissenschaftler, eine Arbeitertochter wird erfolgreiche Unternehmerin. Ein trockener Alptraum, denn wenn jeder alles gewinnen kann, kann auch jeder alles verlieren.

Seit einiger Zeit kämpfen der bevormundende Staat, die gleich zum Wohle der Habenden geschalteten Medien und die alleinerziehenden Mütter aufopferungsvoll gegen die Freiheit, Verzeihung, für die Sicherheit, und zwar indem sie Männer und Jungen für sich selbst aufopfern. Bald werden diese testosterongesteuerten Bestien gezähmt sein, und wir werden wieder in Höhlen leben und nachhaltig wirtschaften.

Jeder Mann, der zum Mann wird, weiß: du bist, was du tust. Jede Frau weiß von Natur aus: du bist, was du hast. Da man zum Mann erst werden muss, sind die Männer das schwächere Geschlecht. Nachdem ein Mann zum Mann geworden ist, wird er noch schwächer: er fühlt sich bestimmten Werten, Normen, Idealen verpflichtet, und ordnet seine Triebe und Wünsche ihnen unter. Die Frau unterstützt ihn dabei, aber nur solange wie er vom Menschen spricht und nur sich selbst, den Mann, damit anspricht: der Mann soll sich ruhig verpflichtet fühlen, sei es durch Religion oder Vernunft, und er soll seine Geschlechtsgenossen zwingen, wenn deren selbstsüchtige Wünsche der Pflicht zuwiderlaufen. Wenn der Mann dasselbe auch von der Frau fordert, wird seine Religion für ein patriarchales Machtinstrument erklärt, und seine Vernunft als ein männlicher Logozentrismus relativiert.

Warum soll man ein Mann werden wollen? Ein Junge kann auch infantil bleiben, und auf jede sittliche oder moralische Forderung, dem Beispiel seiner Mutter und Schwester folgend, erwidern, sie sei diskriminierend, und missachte seine wahren Bedürfnisse und Wünsche. Wenn sich jeder Mann endlich um seine eigenen Bedürfnisse und Wünsche kümmert, hört der alberne kindische Krieg gegen die äußere und innere Natur auf, und wir alle dürfen als Trümmerfrauen des Nihilismus den Planeten erstmal gründlich aufräumen, was keineswegs im martialisch-metaphorischen Sinn gemeint ist, sondern im Sinne einer routinierten Putzfrau. Dass uns keiner später dafür Denkmäler bauen wird, müssen wir freilich in Kauf nehmen.

Dienstag, 13. März 2018

Der Fortschritt und die Frau





Sollte ich Vater werden wollen, so würde ich auf die Erfindung der künstlichen Gebärmutter warten, denn es ist frauenfeindlich, Frauen als Gebärmaschinen zu benutzen. Natürlich würde ich nicht heiraten, sondern alleinerziehender Vater sein, denn es ist sexistisch, einer Frau die Mutterrolle aufzubürden, nur weil sie eine Frau ist. Ich bin zwar heterosexuell, aber ich würde auch keine sexuelle Beziehung zu einer Frau eingehen, denn es ist sexistisch, Frauen als Sexualobjekte zu betrachten, - und wenn schon die künstliche Gebärmutter erfunden ist, dann sind Sexroboter längst Normalität geworden.

Montag, 12. März 2018

Ist Enthaltsamkeit eine moralische Leistung?





Es gibt Menschen, die kein Verlangen nach Sex verspüren (zumindest behaupten das manche von sich, und haben bereits eine Asexuellenbewegung ins Leben gerufen). Wenn diese Menschen auf Sex verzichten, ist der Wert ihrer Leistung exakt Null, denn sie kämpfen mit ihrem Verzicht gegen kein Verlangen an. Es gibt Menschen, die schon als Dreijährige eine Viertelstunde auf zwei Kekse warten konnten, anstatt einen Keks sofort zu essen (ein wichtiges psychologisches Experiment, das schon bei Kleinkindern Vorhersagen mit hoher Wahrscheinlichkeit über ihre zukünftige Leistungsfähigkeit erlaubt). Diese Menschen schieben ihren Sex auf, weil sie lieber später guten Sex als sofort schlechten Sex haben wollen. Im Extremfall geht das so weit, dass sie ihr ganzes irdisches Leben lang enthaltsam leben, weil sie im Jenseits eine Belohnung dafür erwarten, die natürlich jeden im Diesseits möglichen Sex in den Schatten stellt. Die Enthaltsamkeit dieser Menschen ist zwar eine Leistung, aber keine moralische, denn sie beruht auf einem Handel: heute verzichten, morgen genießen.

Vom nihilistischen Standpunkt ist es nicht zu erklären, warum manche Menschen nach absoluten moralischen Prinzipien handeln. Menschen, die nach dem Prinzip leben, andere immer als Selbstzwecke zu behandeln, und niemals als bloße Mittel zum Zweck, werden auf Sex verzichten, weil der andere beim Sex auf ein Lustobjekt reduziert wird, und somit seine Menschenwürde verliert. Ein Mensch mit einem starken sexuellen Verlangen, der aus Prinzip auf Sex verzichtet, vollbringt eine moralische Leistung, - jedoch nicht immer, denn das Prinzip selbst kann auch nicht-moralischer Natur sein. Ein Mensch, der viele Demütigungen und Enttäuschungen erfahren hat, und der sich darüber im Klaren ist, dass sein soziosexueller Status eher niedrig ist, wird, anstatt sich um niedrigrangige Sexualpartner zu bemühen, lieber gänzlich auf Sex verzichten, aber nicht aus moralischen Gründen, sondern aus verletztem Stolz. Er wird sich aus einer selbstsüchtigen Trotzreaktion heraus für etwas Besseres halten, wird aber beteuern, auf Sex aus moralischen Gründen zu verzichten. Rein technisch ist sein Verzicht eine Leistung, moralisch aber eine Heuchelei.

Eine moralische Leistung wird beim Sexverzicht erbracht, wenn ein Mensch, der in einer nihilistischen Gesellschaft lebt, - wenn seine moralischen Prinzipien überhaupt nicht gewürdigt werden, und ihm stattdessen Befriedigungsaufschub, Heuchelei oder sexuelles Nichtkönnen vorgeworfen werden, - und allein aus moralischer Pflicht, seine Mitmenschen stets als Selbstzwecke zu behandeln, und deren Würde niemals mit Füßen oder Genitalien zu treten, auf Sex verzichtet.

Samstag, 10. März 2018

Zum Beispiel





Universitätsphilosophie ist langweilig, aber man lernt, wenn man sie ernsthaft betreibt, wenigstens so gründlich wie nirgends sonst, wie nichtig alles ist, was wir vom Schein zum Sein erheben. Dazu muss man aber dicke und schwere Bücher lesen, daraus besteht 90% des Studiums, und der Rest ist das Gequatsche in Seminaren und das Anhören von Vorlesungen. In Vorlesungen werden so gut wie immer Beispiele gebracht, um das Gesagte zu verdeutlichen. So forderte ein Dozent, der den Hedonismus widerlegen wollte, alle, die ihrem realen armseligen (das Wort hat er leider nicht gesagt) Leben, das sie derzeit führen, ein - an entsprechende technische Geräte angeschlossen - glückliches, aber simuliertes Leben vorziehen würden, sollten bitte die Hand heben. Da er vollends überzeugt war, dass keine Hand hochgehen würde, redete er sofort weiter, während in der hinteren Reihe einer die Hand hob: das war ich. Nun musste er nachfragen, warum, und alle hörten zu. Ich war aber erst im 3. Semester, und war über den vorphilosophischen Skeptizismus noch nicht hinaus, also sagte ich nur: woher weiß ich denn, dass dieses meist leidvolle und offensichtlich ziemlich sinnlose Leben nicht ebenfalls eine Simulation ist, vielleicht ein Scherz eines sadistischen Gottes?

Es wäre schön, wenn es eines Tages tatsächlich möglich wäre, solche Realitätssimulatoren zu erfinden. Dann würde der Dozent mich auffordern, mich in so ein Ding reinzulegen, und in den nächsten zehn Minuten zehn glückliche Jahre realitätssimuliert zu erleben. Dann würde er mich aufwecken und fragen: bist du jetzt glücklich? Nein, würde ich sagen. Was fehlt denn, würde er vielleicht fragen. Dass ich mich dabei der Glückseligkeit nicht würdig gefühlt habe, würde ich mit Kantkenntnissen angeben. Weitere zehn Minuten für weitere zehn Jahre der simuliert-verdienten Glückseligkeit würden mich auch nicht zufriedener machen. Aber es ist immer noch ein Glück darüber hinaus vorstellbar, würde ich sagen. Weitere zehn gefühlte Jahre würde ich sodann genießen und schweigen. Und nun, zufrieden? Nein, würde ich sagen, denn seit es diese Realitätssimulatoren gibt, kann jeder Depp dasselbe erleben, wie ich, ja selbst meine schönsten Träume könnten sich für jeden Arsch einfach mal so am Dienstagnachmittag erfüllen. Siehst du, hätte er gesagt, der Hedonismus hat Unrecht. Aber nein, hätte ich widersprochen, ein Hedonismus, der die größte Quelle der Lust, die Eitelkeit, außer Acht lässt, kann gar nicht befriedigend sein, - sobald ich aber weiß, dass meine schönsten Träume für mich persönlich reserviert sind, und zu Mädchen, Landschaften und Vergnügen, die nur für mich bestimmt sind, kein anderer jemals Zugang haben wird, ob real oder simuliert, sobald mein Leben aus einer endlosen Reihe von Versicherungen besteht, dass ich die wertvollste Person im Universum bin, und alle Lust ihre tiefe Ewigkeit bekommt, ist es mit herrlich egal, wie mein Leben technisch zustande kommt, und was die logischen und ontologischen Bedingungen für meine Existenz sind. Mit Beispielen sollte man also sehr vorsichtig sein, denn sie verführen oft zu Denkweisen, die niederzumachen sie eigentlich erdacht wurden.  

Sonntag, 4. März 2018

Die Welt ist schlecht - und?





Dass die(se) Welt schlecht ist, ist selbstevident. Lebensbejahung bedeutet nicht, das Schlechte zu leugnen und eine schlechte Welt als gut zu verklären. Die authentische Erfahrung des Schlechten als Schlechtes zu verleugnen, und stattdessen das Schlechte in sich selbst zu suchen, ist nicht Lebensbejahrung, sondern Selbsthass. Die Welt ist schlecht, das ist wahr. Ist dennoch eine lebensbejahende und dennoch wahrhaftige Lebenseinstellung möglich?

Ja. Jede manifeste Wirklichkeit ist ein Schlachtfeld im Krieg von Gut und Böse. Durch den Parasitismus des Bösen, durch das Herunterziehen der an sich guten Weltsubstanz seitens selbstsüchtiger Einzelwesen mit Willensfreiheit, fällt Substanz vom Guten ab, und das Schlechte entsteht. Betrachtet man das Schlechte als einen Mangel des Guten, der durch einen guten Willen behoben werden kann, bejaht man das Leben. Betrachtet man das Schlechte als unwiederkehrbar dem Bösen verfallen, verneint man das Leben.

Die Frage, ob es besser ist, dass etwas, und nicht nichts existiert, kann man für sich beantworten, indem man seine tatsächliche Einstellung gegenüber dem Schlechten erforscht. Wer das Schlechte mit dem Bösen gleichsetzt, muss das Sein (genauer: die manifeste Existenz) verneinen. Wer im Schlechten einen korrigierbaren Mangel des Guten sieht, hat eine lebensbejahende Grundeinstellung.

Der Buddhismus z. B. ist eine lebensverneindende Religion. Der Hinayana-Buddhismus verneint das Sein als solches, der Mahayana-Buddhismus verneint nur die manifeste Existenz. Der Buddhismus ist ein moralisch guter Nihilismus. Lebensbejahende Weltanschauungen, die Gut und Böse leugnen, sind trotz ihrer Lebensbejahung nihilistisch, und stehen für einen subjektiv amoralischen und objektiv unmoralischen Nihilismus.


Montag, 26. Februar 2018

Infantilisierung von Behinderten





Wenn jemand benachteiligt oder behindert ist, werden ihm automatisch der Opferstatus und ein guter (oder zumindest friedfertiger) Charakter zugeschrieben. Man sagt über einen, der vom Glück verlassen ist: er will doch nur ein ganz klein wenig Glück. Welch ein Schwachsinn. Der hässliche Junge, den alle hänseln, ist wie die anderen in das schönste Mädchen der Klasse verknallt; der lernbehinderte Schüler will nicht bloß eine Dreiminus schaffen, und ein normales Behindertenleben führen, sondern hat höchstwahrscheinlich ähnlich große Träume von Erfolg im Leben wie seine normalen Mitschüler. Die hässliche Frau, die keinen Mann findet, will nicht irgendeinen Mann, sondern den Mann, den sie sich wünscht.

Die Internalisierung äußerer oder zumindest dem Charakter einer Person äußerlicher Umstände führt zum widersprüchlichen Verhalten anderer dieser Person gegenüber. Auf der einen Seite wird Benachteiligten und Behinderten völlig unbegründet Bescheidenheit zugeschrieben - und mit einer soliden Menge weiterer positiver Charaktereigenschaften nach ihnen geworfen - , auf der anderen Seite werden sozial schwacher Status oder Behinderung zum Anlass genommen, gegenüber diesen Menschen ungeniert Grenzen zu überschreiten, die gegenüber anderen Menschen völlig selbstverständlich eingehalten werden. Diskriminierung und Infantilisierung werden als normale Umgangsform gesehen, und wenn sie mal ausbleiben, soll der Benachteiligte oder Behinderte bitteschön dankbar sein. Da ist es durchaus von Vorteil zu wissen, dass man ihn dafür, wie jeden anderen, den man so behandelt, bitteschön am Arsch lecken kann.

Montag, 19. Februar 2018

Diesseitsromantik





Oberflächlich betrachtet, macht die Liebe das Leben sinnvoll. In Wirklichkeit verschleiert sie nur, dass alles im Großen und Ganzen egal ist, während ohne die (romantische) Liebe die Sinnlosigkeit des Lebens offen zutage liegt.

Die Liebe bündelt die existentiellen Prioritäten und fokussiert sie auf ihr (diesseitiges) Objekt. Da dieses Objekt eine sterbliche Person ist, entsteht aus der Vergänglichkeit dieser dem Liebenden ein heroisches Gefühl: er lehnt sich gegen die Vergänglichkeit der geliebten Person auf, und verehrt sie so, als wäre sie unsterblich.

Um sich nicht (vergeblich) gegen das große Egal aufzulehnen, lehnt sich der Romantiker gegen das kleine Egal auf: es ist egal, wie sehr du liebst, ihre Schönheit und ihr Leben werden trotzdem vergehen. Doch nach dem Ende der Liebe bleibt der Romantiker selbst immer noch am Leben, und muss sich selbst in der größten Verzweiflung nicht mit der eigenen Vergänglichkeit befassen.