Donnerstag, 19. November 2020

Von der Angstkultur zur Schuldkultur

 

 

Die psychosoziale Entwicklung menschlicher Gesellschaften in 7 Stufen:

 

1. Angstkultur.

2. Schamkultur (bewusst)/Angstkultur (unterbewusst)

3. Schuldkultur (bewusst)/Schamkultur (unterbewusst)/Angstkultur (unbewusst)

4. Schuldkultur (bewusst)/Angstkultur (unterbewusst)

5. Schuldkultur (bewusst)/Schamkultur (unterbewusst)

6. Schamkultur

7. Schuldkultur


1 ist archaisch, menschliches Tierreich.

2 ist in tyrannischen Gesellschaften die Regel.

3 ist in einer typischen heutigen Schuldkultur mit unverarbeitetem psychosozialem Erbe anzutreffen.

4 ist der Bruch mit der lastenreichen Schuldkultur, der Weg in den kollektiven Wahnsinn durch Schamlosigkeit. Das ist die psychosoziale Formel der Nazizeit.

5 ist der berühmt-berüchtigte herrschaftsfreie Diskurs; keine Angst vor Willkür und Tyrannei (Gesellschaft ohne Folter usw.), aber Furcht vor sozialer Ausgrenzung.

6 ist der reine Kollektivismus ohne individuelle Verantwortung, aber auch ohne Angst vor Tyrannei und Willkür (feministisches Paradies).

7 ist die psychosoziale Formel einer Gesellschaft des kategorischen Imperativs, psychosozialer Kantianismus.

Donnerstag, 12. November 2020

SSH: TWD S3/2

 

 

 

Glen ist Teil der Gruppe, die Merle zum Sterben zurückgelassen hat. Im Auftrag der Gruppe, die ihn ärtzlich versorgt und mit einem Beta/Bravo-Status versehen hat, jagt Merle die creepy Ninja-Frau Michonne. Dabei trifft er eben auf Glen, der mit seiner Freundin Maggie unterwegs ist. Er bestätigt Merles Vermutung, dass sein Bruder Daryl bei denen im Gefängnis ist, will aber Merle wieder zurücklassen. Glens Ablehnung ist kategorisch: Merle darf auf keinen Fall mitkommen, sondern soll mitten im Nirgendwo warten. Wieder wird Merle nicht wie ein Mensch behandelt, sondern wie ein Stück Dreck weggeschmissen.

Die Omega-Erfahrung ist, nicht wie ein Mensch behandelt zu werden. In Alltagssituationen wird die Humanität eines Omega abstrakt respektiert, doch wenn es in Ausnahmesituationen konkret wird, zeigt man dem Omega, dass er kein richtiger Mensch ist. Omega ist ein Status bzw. eine Rolle, vor der kein charakterlicher Statusäquivalent sicher ist; viele jugendliche Alphas, in der sprichwörtlichen High School beliebte Bad Boys, enden als Omegas, als kriminelle drogensüchtige Außenseiter.

Besonders für Gammas und low quality women stellen Omegas eine unheimliche Bedrohung dar, als würden sie den Unwert dieser Menschensorten spiegeln, die meist narzisstisch sind und zu viel von sich selbst halten. Auch ist der Umstand unerträglich, dass der Omega-Rang meist situativ eingenommen wird, und diese Menschen ganz unten in der Hierarchie an sich eben kein Abschaum sind. Bei einem narzisstischen Gamma oder einer ihm charakterlich entsprechenden Frau ist es umgekehrt: sie sind erbärmliche Menschen, und ihr Status ist eigentlich zu hoch, und sie wissen selbst, dass er erschlichen ist.

Als der Governor mit seiner Truppe beim Vergeltungsangriff Zombies in den Gefängnishof schleusen lässt, kommt Merle Rick zur Hilfe und rettet sein Leben. Als Rick Merle ansieht, lacht Merle in einer typischen Omega-Art: Entschuldigung, dass es mich gibt, aber guck mal, jetzt habe ich dein Leben gerettet. Aber Rick, der Merle damals zum Sterben zurückließ, behandelt ihn auch jetzt wie Abschaum. Er hat nur Verachtung für ihn übrig.

Nun sind Rick und Glen keine Vollgammas. Aber es reicht offenbar, teilweise Gamma zu sein, damit einem schon die Anwesenheit oder bereits die bloße Existenz von Omegas Angst macht. Denn diese erinnert den Gamma ständig an seinen wahren Platz. Von den Frauen sind es in der Regel Schlampen und Nutten (die verlogenen, nicht die ehrlichen Huren), die Omegas exzessiv verabscheuen. Bei high quality women ist das anders. Maggie hat Angst vor Merle, weil er sie bedroht. Auch Andrea hat nur situativ Angst vor Merle, mit seiner Person hat sie kein Problem. Die Steigerung von Andreas Charakter ins Comichaft-Unermessliche, Michonne, hat auch nichts gegen Merle, außer dass er für den Governor arbeitet, dessen wahre Natur sie sofort durchschaut (Sektenführer-Typ).

Die Omegaisierung passiert einem entweder privat (Missbrauch durch Eltern, Misshandlung durch die Peer Group) oder sozial. Letzteres kann auch jemandem widerfahren, der normalerweise keinen geringen Status hat. Wobei auch an omegapoietischem Kindesmissbrauch oder Mobbing nicht der Omegaisierte selbst schuld ist. Im Hive Mind der Social Media werden Männer von hohem Status zu Omegas gemacht (zurecht wie Weinstein oder zu Unrecht wie viel andere), der soziale Tod oder sogar strafrechtliche Verurteilungen sind die Folge. Das Omegaisierungsverhalten einer Gesellschaft – wer und warum zum Omega gemacht wird – lässt Rückschlüsse auf den wahren Charakter dieser Gesellschaft zu.

SSH: TWD S3/1

 

 

 

TWD S3 (better than I remember): Der Gamma-Alpha von Woodbury, der psychopathisch-charmante Governor, ist ein INTJ, und wäre für mich eine interessante Identifikationsfigur gewesen, wenn nicht die frühen Andeutungen darauf, was für ein Geisterkranker er doch ist (die waren wohl für die dümmeren Zuschauer nötig, eine Konzession, die in den ersten zwei Staffeln noch nicht gemacht wurde). Nehmen wir den Governor, wie er nach der Logik der Serie (nicht in den Comics) hätte sein sollen: ein vernünftiger Mann, der in der postapokalyptischen Zombie-Welt eine Gemeinschaft aufgebaut hat und diese mit politischer Professionalität und Weisheit regiert. Zwei Konzessionen an die komplexitätsunverträglichen Zuschauer behalten wir bei, da sie die Logik der Serie nicht unterminieren: er hält seine kleine Tochter, die zum Beißer geworden ist, in seinem Haus versteckt, und hofft auf ihre Heilung durch seinen Gamma-Wissenschaftler Wieheißternochmal, und er erschießt mit seinen Männern die Soldaten, die lebend mehr für Woodbury hätten tun können als nur als tote Lieferanten von Fahrzeugen und Waffen.

Warum will der Governor keine starken Männer in seine Gemeinschaft lassen? Warum vertreibt Rick Tyreese und seine Leute aus dem Gefängnis? Warum ist Glen außer sich, obwohl Maggie nicht vergewaltigt wurde? Alle drei Männer hanen große Gamma-Persönlichkeitsanteile und somit Probleme mit ihrer Männlichkeit. Zum Vergleich: der Arschloch-Sigma/Beta Merle hat keine Probleme mit seiner Männlichkeit, auch die sanften Riesen, beide Deltas, Oscar und Tyreese, nicht. Shane hatte sie nicht und der Beta/Sigma Daryl hat sie auch nicht. Omega-Persönlichkeitsanteile, die White Trash (das waren sie vor dem Weltuntergang) Merle und Daryl mit sich tragen, bedrohen nicht die Männlichkeit, Gamma-Eigenschaften schon.

Nachdem er seinen besten Freund Shane getötet hat, hat sich Rick von seiner Frau Lori emotional distanziert, da sie die Männer toxisch-weiblich aufeinander gehetzt hat. Rick ist seit Monaten neben sich, er funktioniert, kann aber nicht wieder der Mensch werden, der er war. Um wieder er selbst zu werden, lässt er seine Gruppe ein Gefängnis von Beißern säubern und sich dort einrichten. Nie wieder soll Ricks Psyche durch toxische Weiblichkeit manipuliert werden, dafür stehen die Stacheldrähte und Mauern des Gefängnisses. Als dieses scheinbar sicher ist, geht er wieder auf Lori zu. Doch Lori hat ihn wieder manipuliert: sie hat ihn "ermutigt",  überlebende Häftlinge zu töten; als einer von diesen ihm nach dem Leben trachtet, tötet Rick ihn sofort und lässt einen anderen den Beißern zum Futter. Doch der kann sich retten und löst einen Alarm aus, der noch mehr Zombies anlockt, die Gruppe trennt, und dadurch den Tod zweier Gruppenmitglieder, darunter auch Lori, verursacht.

Doch vorher hat Lori noch das Kind zur Welt gebracht. In diesem schutzbedürftigsten Moment im Leben seiner Frau kann Rick sie nicht beschützen, sein Sohn Carl, noch ein Kind, tötet seine Mutter, damit sie nicht zum Zombie wird. Und von hinten kommt unbemerkt die Gruppe um Tyreese ins Gefängnis hinein; diesen Eingang hätten der Governor und seine Leute ungehindert nehmen können. Sie hätten Ricks Gruppe überrascht und alle, oder zumindest Rick, getötet. Im Kern der Macho-Männlichkeit von Gamma-Alphas sitzt ein tiefes Gefühl der Wehrlosigkeit. Das Gefängnis, Ricks Psyche, führt ihm diese vor. Das Gefängnis spricht sogar mit Rick durch eingebildete Telefongespräche. Rick hat versagt, aber auch der Governor; beide sind als Alphas gescheitert, und zwar an sich selbst. Rick hätte eine andere Lösung mit den Häftlingen finden können, oder den den Beißern entgegengelaufenen jungen Mann zumindest selbst tötet müssen - no half measures (ein gewisser Sigma Mike belehrt einen gewissen Gamma Walt, der die Lektion aber nicht versteht) - , der Governor wäre mit den von ihm getöteten Soldaten für Ricks Gruppe unbesiegbar gewesen.

Gammas versagen als Alphas, weil sie ihren jungianischen Schatten nicht integrieren können, weil sie ihre Männlichkiet nicht unter Kontrolle haben, sondern ihre männliche Identität von weiblicher Wertschätzung abhängt. Glen ist noch jung und lernt seine Lektion. Der Governor oder Merle hätten Maggie vergewaltigen können und Glen wäre machtlos dagegen gewesen, das muss er verkraften. Und das schafft er. Siehe: es geht.

 

 

 

Dienstag, 10. November 2020

SSH: TWD S2E7/3

 

 

 

Rick soll sauber bleiben und Shane die Drecksarbeit machen, dafür braucht Lori Shane, und deshalb manipuliert sie ihn dahingehend, dass er die Gruppe nicht verlassen kann. Wenn Shane Rick vorwirft, dass dieser seine Frau nicht beschützen kann, so sind das nicht seine eigenen Worte: Lori manipuliert Shane dazu, das Rick zu sagen, und am Ende auch wirklich selbst zu denken. Sie lässt ihn eine auf Angst basierte Lüge so lange wiederholen, bis er sie selber glaubt.

Keiner interessiert sich, was mit Shane los ist, nachdem er mit Otis gegangen und ohne Otis gekommen ist. Nur Dale bemerkt, dass mit Shane etwas nicht stimmt, aber dieser alte Gamma ist nicht um das Wohlergehen von Shane besorgt, sondern will ihn "entlarven". Grundsätzlich will der Gamma den Alpha immer "entlarven", Fehler und Sünden bei ihm entdecken, die er vorher in ihn projiziert. Ist der Gamma in einer Machtposition, so kommt es zu einer selbsterfüllenden Prophezeihung: er sorgt durch seine Machenschaften dafür, dass der Gehasste tatsächlich die Fehler macht, die der Gehässige ihm vorwirft.

Lori ist eine Bigamistin, die mit einem doppelten bzw. gespaltenen Alpha zusammenlebt: dem vorzeigbaren Rick und dem dreckigen Shane, der gewissermaßen Ricks jungianischer Schatten ist. Wenn Shane die Gruppe verlässt, muss Rick auch die Drecksarbeit erledigen, fürs Überleben der Gruppe Menschen töten, und das verursacht emotionale Kosten für die Paarbeziehung. Mit Rick spielt Lori heile Familie, Shane ist der Bad Boy, den sie lovebombt, wenn sie seine Hilfe braucht. Das Lovebombing ist ein für Narzissten typisches Verhalten, das den emotionalen Selbstschutz des Opfers neutralisieren soll, um dieses gefügig zu machen. Oft reichen nur Andeutungen (z. B. dass Lori vielleicht gar nicht mit Ricks Kind schwanger ist), um Shane emotional zu manipulieren.

Der extrovertierte Shane ist insofern schwächer als der intovertierte Rick, als dass er eben zu sehr von äußerem emotionalen Input abhängt, und dadurch zu unüberlegt und zu schnell handelt. Rick lässt sich Zeit und damit mehr Optionen, er kann nicht durch eine Situation zu einer bestimmten Handlungsweise gezwungen werden; auf der Freiheitsskala ist der Extrovertierte mehr von äußeren Umständen determiniert, der Introvertierte von äußeren Einflüssen eher frei.

Nach der Erweckungsaktion durch Shane ist Rick nicht dazu verdammt, mit Shane um den Anführerstatus zu kämpfen, zumal Shane diesen bereitwillig wieder abgibt, und gar nicht die Gruppe anführen will, sondern nur, dass Rick die richtigen Entscheidungen trifft. Shane ist bereit, der positive Beta, der Bravo für den introvertierten Alpha Rick zu sein, und bewährt sich damit abermals als sein bester Freund.

Montag, 9. November 2020

SSH: TWD S2E7/2

 

 

 

Wer hat Rick durch emotionalen Missbrauch so traumatisiert, dass die Situation auf Hershels Farm (TWD S2E4-7) überhaupt möglich war? Bereits in der ersten Szene von The Walking Dead zeigt sich, dass Rick von seiner Frau Lori emotional missbraucht wird. Das folgt aus dem Gespräch im Polizeiauto zwischen Rick und Shane. Seine Frau schreckt nicht davor zurück, auch den kleinen Sohn bei ihren emotionalen Gewalttaten zu instrumentalisieren. Da war die Welt noch in Ordnung, was stimmte also nicht? Ist Rick also doch ein Gamma, und will seine Frau schon vor der Beißer-Pandemie eigentlich mit Shane vögeln?

Shane erweist sich in diesem ersten Gespräch als Macho, der nicht viel von Frauen hält. Er fühlt sich Frauen überlegen und hält sie für halbe Kinder. Nach dem Weltuntergang hat sich eigentlich nicht viel verändert, außer dass Shane durch die kurze Beziehung, die er mit Lori hatte, nun teilweise betaisiert ist (in Beziehungen wird der Alpha-Mann, wenn er die Frau liebt, von dieser betaisiert: aus Liebe lässt er sie sich auf der Nase rumtanzen, passt sich ihren Wünschen an, und verliert dadurch stückweise ihren Respekt). Der halb betaisierte Shane und der gammaisierte bzw. Gamma-Rick stehen auf Hershels Farm in einer aus psychologischen Gründen unlösbaren Situation. Sie können nicht "normal" handeln, sie sind durch Beziehungen und Schuldgefühle deformiert.

Warum ist Shane weder so kaputt wie Daryl, der einen tyrannischen älteren Alpha-Bruder hatte (besser als ein älterer Gamma-Bruder, wie an der starken und für beide positiv besetzten Beziehung zwischen den Brüdern zu sehen sein wird), noch so schwach bzw. schwächungsanfällig wie Rick? Shane stellt das männliche Optimum dar: er ist abgehärtet wie die Redneck-Brüder Merle und Daryl, aber auch zivilisiert und sozial hoch kompetent wie Rick. Hatte Rick einen Gamma-Vater oder einen älteren Gamma-Bruder? Wurde er in seiner Jugend von einem anderen männlichen Gamma misshandelt?

Wie Shane Gamma-Rick rettet, steht für ein paradigmatisches Desiderat für ein omegaisiertes Misshandlungsopfer. Shane reißt Rick mit einer Gewalttat aus seinem Wahn, der wahre Rick wacht auf und tut endlich, was getan werden muss. Das ist die Rettungstat, die jeder von Gammas oder Frauen oder der gynozentrischen/feministischen/politisch korrekten Gesellschaft emotional misshandelte Jugendliche braucht, um als Mensch und als Mann endlich leben zu können.

Die Zombie-Sophia steht für das falsche Gewissen, das toxische Über-Ich eines Opfers von Tyrannei, eines missbrauchten Kindes. Sie darf nicht gefunden werden, aber es muss nach ihr gesucht werden: das misshandelte Kind darf die toxische Mutter oder den tyrannischen Gamma-Vater nicht fragen, worin denn seine Schuld besteht, die Schuldgefühle werden permanent perpetuiert und ihre Ursache tabuisiert. Shanes Konfrontationstherapie ist der heilige, heilsame Amoklauf, den ein misshandeltes Kind oder eine geisteskrank gemachte Gesellschaft braucht.


SSH: TWD S2E7/1

 

 

 

Ein Gamma als großer Bruder ist ein Alptraum: Gammas missbrauchen ihre Machtposition, um Schwächere zu tyrannisieren. Außerdem wird ein brutaler Konkurrenzkampf um die Mutterliebe geführt. Eine noch größere Arschkarte hat, wer zum großen Bruder seinen biologischen Vater oder Stiefvater hat. Ein Gamma als situativer Alpha, das ist die verfluchte Hölle für seine jüngeren Geschwister oder Kinder. In dieser Hölle brauchst du keinen Jesus, du brauchst einen Shane.

Charakterliche Gammas in Machtpositionen machen aus denen, über die sie die Macht haben, Omegas. Selbst der Delta-Status des Beherrschten ist zu gefährlich, der grundlegende menschliche Respekt wird dem Unterdrückten verweigert. Du bist Omega, ein Nichts. Doch verhältst du dich so, wie der Gamma-Alpha es wünscht, kann er dich in den situativen Gamma-Status erheben, in welchem du eine Zeit lang mit ihm zusammen andere misshandeln kannst.

Rick ist in S2E7 gammaisiert. Das ist bei weitem nicht so hart wie omegaisiert zu werden, aber für einen Alpha hart genug. Seine Frau hat das Sagen in der Gruppe der Gäste, und der Hausherr wünscht, dass die Zombies in der Scheune, eine tickende Zeitbombe, wie Menschen behandelt werden, die einfach nur krank sind. Schläger und Vergewaltiger, pakistanische Groominggangs, Genitalverstümmlerinnen: die politisch korrekte Hausordnung schreibt vor, sie zu tolerieren. Und so bringen diese Unmenschen andere in Gefahr, misshandeln und töten sie. Im Zorn schlägt Shane die Tür des linksversifften Sozialarbeiters auf und erschießt den Intensivtäter in seinem Büro. Im Zorn prügelt Shane den gewalttätigen Ehemann von Carol halbtot. Im Zorn dreht Shane der afrikanischen Genitalverstümmlerin den Hals um. Dem Vater von Will Hunting schlägt er die Fresse ein. Der heilige Amoklauf.

Ricks Frau zwingt ihn, sich mit dem geisteskranken Weltbild des Hausherrn Hershel zu arrangieren: die Zombies sind angeblich nur krank. Da er sich schuldig fühlt, weil er ein kleines Mädchen aus den Augen verloren hat, das von ebensolchen Kranken wahrscheinlich schon getötet wurde, kann er es nicht gleichzeitig mit der dominanten Ehefrau und den Schuldgefühlen aufnehmen. Er nimmt eine (konflikt-)vermeidende Haltung ein und will es allen recht machen. Doch als high quality man, als Alpha weiß er, dass wahre männliche Tugend gerade darin besteht, es nicht allen recht zu machen, sondern das Richtige zu tun. Und da rettet ihn Shane mit seinem heiligen Amoklauf: im Zorn über die geisteskranke Ideologie, der Rick folgt, fängt er an, diese "Kranken" zu erschießen.

Und in der Tat war die kleine Sophia schon die ganze Zeit tot. Als Rick die Zombie-Sophia erschießt, wirft er das Joch des toxischen Über-Ichs ab und gewinnt seine Alpha-Männlichkeit zurück. Doch wie jedes Opfer emotionalen Missbrauchs hat Rick kein gesundes Über-Ich, das nun an die Stelle des abgeworfenen toxischen Über-Ichs treten kann...

SSH: TWD S2E6

 



Shane und Dale

 

S2E6: Dale, der alte Mann, ist eifersüchtig, weil Shane etwas mit Andrea, die vom Alter Dales Tochter sein könnte, hatte. Er erinnert Shane daran, dass dieser schon lange die Gruppe auf Hershels Farm verlassen wollte. Shane rettete Ricks Sohn Carl das Leben (und ermordete dafür einen Menschen), hilft dabei, ein Kind zu suchen, das höchstwahrscheinlich schon tot ist und bildet die Gruppe im Schießen aus. Und was hat Dale in all der Zeit für die Anderen getan?

Der Alpha/Sigma Shane ist vom Rang dem Anführer Rick gleichwertig, charakterlich stärker. Er hatte Sex mit den beiden High Quality Women der Gruppe, der ladyliken Lori und der amazonenhaft-einzelgängerischen Andrea. Dale ist neidisch auf Shane und hat für einen Gamma typische Ressentiments gegenüber Alphas und Sigmas. Er unterstellt Shane, ein schlechter Mensch zu sein und Rick töten zu wollen.

Die Unterstellung, ein schlechter Mensch zu sein, resultiert aus den Ressentiments, die Gammas gegen Alphas und Sigmas haben. Diese sind stärker, männlicher, wertvoller für andere als die Gammas, welche feige, unsicher und erfolglos bei Frauen sind. Dale ist ein charakterlicher Gamma, während der Anfangzwanzigling Glen lediglich ein situativer Gamma ist: die Farmerstochter Maggie hat Respekt vor seinen männlichen Charaktereigenschaften und Sex mit ihm. Sie signalisiert, dass sie ihn für einen zukünftigen Alpha hält.

Die Unterstellung, etwas Schlechtes tun zu wollen, ist ebenfalls eine typische Unterstellung eines charakterlichen Gamma gegenüber höherrangigen Männern. Gammas sind männerfeindlich und halten starke Männer für schlechte Menschen, selbstverständlich auch für Vergewaltiger. Darin ähneln Gammas unattraktiven Frauen: aus Minderwertigkeitsbewusstsein gegenüber starken Männern werten sie diese moralisch ab.

Keiner leidet an dem von Shane begangenen Mord mehr als Shane selbst. Er befindet sich in einer Doublebind-Situation: einerseits muss er, um weiter daran zu glauben, dass es richtig war, den dicken Otis für die Rettung eines Kindes zu opfern, den brutalen Kerl spielen, der harte Entscheidungen trifft, doch andererseits beging er den Mord, weil er gerade nicht der rücksichtslose Machtmensch ist, für den Dale ihn hält, sondern ein liebender und sorgender Ex-Liebhaber und Quasi-Stiefvater. Spielt er konsequent den rücksichtslosen Kerl, muss er die Gruppe verlassen, doch wenn er die Gruppe verlässt, hat er sich umsonst als postapokalyptisches Arschloch aufgeführt und für nichts einen Menschen getötet. Bleibt er, ist er der Böse, geht er, wird er sich den Mord an Otis nicht verzeihen können. Das Leben von Alphas und Sigmas ist hart, zu hart für einen Gamma, um überhaupt verstehen zu können, mit welchen emotionalen Grenzerfahrungen sich starke Männer herumschlagen müssen. Da bleibt für den Schwächling und Feigling nur ein Ausweg: dem starken Mann zu unterstellen, ein selbstsüchtiger Schurke und kaltblütiger Mörder zu sein.

 

 

Shane und Andrea 


S2E6: Als Shane den nichtschießenden Mitgliedern der Gäste-Gruppe Schießunterricht geben will, fragt ihn Andrea, die Highquality-Singlefrau, ob er sich nun doch umentschieden hat, und die Gruppe nicht mehr verlassen will. Das trifft Shane ins Mark, denn er ist von seinem Naturell eine Mischung aus Alpha und Sigma, ein unabhängiger, freiheitsliebender Mann. Er ist sichtlich verärgert, denn Andrea hat eine Schwäche bei ihm gefunden: er würde gern allein weiterziehen, kann aber nicht.

Warum kann er nicht? Sein Alpha-Persönlichkeitsanteil erinnert sich an die noch frische Erfahrung, ein Familienvater zu sein. Als ewiger Junggeselle mit kurzen zu nichts führenden Beziehungen macht er in der Weltuntergangssituation die Erfahrung, in einer anthropologisch ursprünglichen Lebenswelt für eine Frau und ein Kind zu sorgen. Er ist maximal als Alpha gefordert und investiert emotional sehr stark in Lori und den kleinen Carl.

Doch dann taucht Loris totgeglaubter Mann Rick, dazu noch sein bester Freund, wieder auf. Einerseits freut er sich, dass sein bester Freund wie durch ein Wunder überlebt hat, andererseits leidet er am Verlust des Alphastatus als Familienvater und Anführer seiner Überlebendengruppe (die Gruppe führt der an, der mit Lori zusammen ist, wieder ein Hinweis auf den anthropologisch ursprünglichen Gynozentrismus).

Shane wäre froh, endlich die ihn runterziehende Gruppe und die sinnlose Suche nach einem toten Mädchen hinter sich zu lassen. Doch er kann sich nicht zur Freiheit entschließen. Deshalb begeht er eine Ersatzhandlung: als der beste Schießlehrer, den Rick kennt, bringt er Andrea das Schießen bei, und das macht er so gut, dass sie dadurch zu einer Top-Schützin wird. Andrea wollte schon immer sich selbst verteidigen können, Shane hat ihr diese Freiheit gegeben. Die Leidenschaft, mit der er Andreas Freiheit erkämpft (der Feind ist ihre Ängstlichkeit und Zögerlichkeit, die er ihr zu besiegen hilft), zeigt, dass es ihm eigentlich um seine eigene Freiheit geht. Doch die nimmt er sich nicht, dadurch staut sich Wut auf, die sich in S2E7 entlädt.

Die Betaisierung durch die kurze aber vor allem dank der extremen Umstände emotional intensive Beziehung mit Lori schafft es, Shane Ängstlichkeit und Zögerlichkeit einzuimpfen, die ihm charakterlich fremd sind. Dieser Widerspruch muss sich auflösen, Shane steht psychisch extrem unter Druck. Shanes Druck ist "suppression", er unterdrückt seine Emotionen, bis er es nicht mehr kann oder will; Ricks Druck ist "oppression", er wird von innen und außen unterdrückt, und zwar durch die Schuldgefühle wegen Sophia und durch seine Frau Lori. Äußerlich ist Shane frei, darum ärgert er sich so über sich selbst nach Andreas harmloser Bemerkung, dass er die Gruppe nun doch nicht verlassen will.

Natürlich will er, am liebsten sofort! Doch er hat einen Mann ermordet, um die Rettung des kleinen Carl zu ermöglichen, und damit mehr in die Beziehung zu Lori investiert, als er sich leisten kann. Wenn er jetzt geht, ist das umsonst gewesen. Das ist die harte Entscheidung, die er nicht treffen kann: eine konsequente Trennung von Lori und Carl, und eine Weile allein mit den Schuldgefühlen leben.

 

SSH: TWD S2E5

 

 

 

In S2E5 von The Walking Dead wird Shanes Status als Alpha zementiert: er hatte als Schüler regelmäßig mit 30-jährigen Frauen Sex, mit Mitschülerinnen sowieso. Rick, der Shy Alpha, hatte als Jugendlicher kein Sexleben. Dennoch ist Shane auf Hershels Farm Sigma-Außenseiter und Rick der unumstrittene Alpha.

Nur sein eigenes Gewissen meldet Zweifel an Ricks Status an. Der Gastgeber Hershel verhandelt Probleme zwischen seiner Gruppe und den Gästen mit Rick, ohne auch in Betracht zu ziehen, jemand anders könnte der Ansprechpartner sein. Rick ist der situative Alpha. Wer hat aber wirklich die Macht?

Das Gespräch zwischen Rick und Shane wird zu einem Streit, weil Shane die Gruppe der Gäste von der Farm in die Sicherheit von Fort Benning bringen will, während weiter nach einem mit hoher Wahrscheinlichkeit schon toten Mädchen gesucht wird. Doch Rick hat Schuldgefühle, weil er die letzte Kontaktperson der kleinen Sophia war, er konnte sie nicht beschützen bzw. hat sie verloren. In der Sache hat Shane Recht, und Rick weiß das, doch warum zieht er mit seiner Gruppe nicht weiter?

Rick berät sich mit dem Villain der 2. Staffel, seiner Frau Lori. Er bettelt sie eigentlich um Erlaubnis an, endlich auf Shanes vernünftige Argumente zu hören und die hoffnungslose Suche nach dem verschollenen Kind abzubrechen. Lori hat nämlich die Entscheidungsgewalt. Shane, der die Veränderung der Lebenswelt zwischen wie wir sie kennen und Postapokalypse mit Lori und ihrem kleinen Sohn erlebt hat, liebt diese Frau männlich-beschützerisch. Da aber der totgeglaubte Ehemann Rick doch wieder zur Familie zurückgekehrt ist, ist Shane das fünfte Rad am Wagen.

Shane wurde von Lori aufs Abstellgleis gestellt, vom Alpha zum Außenseiter degradiert. Doch charakterlich ist Shane Alpha oder diesem gleichwertiger Sigma, deshalb lässt er sich nicht sozial entmännlichen, sondern beschützt die Frau, die er liebt, weiter, und zwar indem er versucht, auf ihren Mann einzuwirken, der zudem sein bester Freund ist. Shane gebärdet sich aggressiv und als jemand, der "harte Entscheidungen" treffen kann, doch im Grunde fleht er Rick an, Lori endlich davon zu überzeugen, die Farm zu verlassen und weiterzuziehen. Lori ist aber heimlich schwanger und hat sich gemütlich als First Lady eingerichtet; sie bevorzugt den Status Quo einer Reise in die Ungewissheit (deren Ziel dauerhafte Sicherheit für die ganze Gruppe wäre).

Ist Rick charakterlich ein Gamma? Oder ist er durch Gewissensbisse in seiner Entscheidungsfähigkeit paralysiert? Jedenfalls zeigt die Gruppendynamik auf Hershels Farm eine gynozentrische Konstellation, in der selbst ein Alpha in seinem Element, einer Welt nach dem Gesetz des Dschungels, keine Macht hat, um für seine Gruppe eine verbindliche Entscheidung zu treffen.

Freitag, 30. Oktober 2020

Four more years?

 

 

Wer moralisch, charakterlich, menschlich eine Null ist, erlöst sich selbst in diesen Tagen mit der simplen Tugend, gegen Donald Trump zu sein. Jede Niete, jeder Loser fühlt sich als guter Mensch, nur weil er Trump schlecht findet, und so bevölkern Abermillionen Nichtse die Noosphäre, deren einziges moralisches Verdienst die tatenlose aber wortreiche Opposition gegen den amtierenden US-Präsidenten ist; je intensiver die empfundene Hoffnung, dieser würde die baldige Wahl verlieren, desto stärker die selbstkongratulatorische Bestätigung, einer von den Guten zu sein.

Natürlich ist Dekadenz der Ultradekadenz vorzuziehen, wenn keine andere Wahl besteht. Aber besteht nicht in Wirklichkeit eine bessere Wahl? Nach Adornos richtiger Erkenntnis gibt es kein richtiges Leben im Falschen; Dekadenz ist die Dominanz, Ultradekadenz ist die Totalität des Falschen. Für Trump sein, aber auf einen Sieg Bidens hoffen heißt, dem lauwarmen und unbeständigen Zurück zur Dekadenz den heißen Krieg gegen das Falsche vorzuziehen. Sämtliche Umfragen sehen Biden, wie vor vier Jahren Clinton, vorn. Mögen sie diesmal recht behalten.

Donnerstag, 29. Oktober 2020

Die ewige Nachrichtensprecherin

 

 

Wie schön und dynamisch alles anfing: ein Anti-Jelzin, ein richtiger Mann im besten Politikeralter, trinkt keinen Alkohol, schwuchtelt nicht rum, sondern löst Probleme, spricht im Bundestag auf Deutsch, strebt eine konstruktive Zusammenarbeit mit dem Westen an, lässt eine junge lesbische Band Europa begeistern. Und im russischen Fernsehen ist immer diese perfekte schwarzhaarige Frau zu sehen, ein hübscher Android, das Sinnbild für Putins Russland der ersten Jahre. 

Jahre sind vergangen. Diese Frau ist immer noch da, immer noch dort, wo sie damals war. Permanent kommentiert und moderiert sie im Staatsfernsehen. Man könnte stundenlang die Entwicklung Russlands unter Putin analysieren, oder man kann, intuitiv statt diskursiv, sich einfach diese Frau ansehen. Sie sieht sogar genauso aus wie damals, aber sie ist... Post-Wall. 

Als ich auf Youtube einen aktuellen Nachrichtenausschnitt mit ihr sah, bekam ich den Schrecken. Dabei ist sie nicht einmal dick geworden, nur gealtert. The wall gets them all. Was für ein trostloses Bild, was ist nach 20 Jahren Putin aus Russland geworden. Wie Merkels ewiger Bundestrainer, sitzt und altert Putins Nachrichtensprecherin und zeigt der ganzen Welt, wohin Stillstand führt. 

Die Dynamik des Herrschers wurde nicht auf das Land übertragen, das Land versank in Zynismus und Apathie. Damals durften sich glückliche Russen im Fernsehen diese wunderhübsche Nachrichtensprecherin ansehen. Heute, lächelt zynisch der Präsident, dürfen sie es doch auch.

Mittwoch, 28. Oktober 2020

Die fatale Verirrung

 

 

 

Indem Frauen sich den Status als das ultimatives Liebesobjekt erschlichen haben, begingen sie den größten Betrug an der Menschheit: die Liebe des Mannes muss seinem Werk gehören, seinen Kindern, und natürlich dem Göttlichen. Über die rein geschäftlich auf dem sexuellen Markt verhandelte Reproduktion und Kinderaufzucht hinaus sollte der Mann mit der Frau nichts gemein haben.

Dienstag, 27. Oktober 2020

Vergeblicher Liebeseifer

 

 

  

Kein Mann kann eine Frau jemals so sehr lieben wie sie sich selbst liebt; auch Eifersucht auf einen anderen Mann ist eine Torheit: den anderen Mann liebt die Frau ebenfalls nicht, als Mensch ist der, den sie gewählt hat, ihr genauso egal wie der, den sie verschmäht hat, bloß nutzt der eine ihrer Selbstliebe gerade mehr als der andere.

Mittwoch, 23. September 2020

Aufklärung

 

 

  

Auf die neue Heiterkeit des Barock folgte eine neue Naivität: man vergleiche nur die politische Philosophie des düsteren Kenners der human nature und conditio humana Thomas Hobbes mit der des geistigen Vaters des American way of life John Locke. Hobbes Leviathan setzte den Schlusspunkt unter die Horrorzeit der Reformation, Lockes bibelbasierte Anspruchshaltung bezüglich irgendwelcher Bullshit-Rechte und irgendeiner vom Schöpfer persönlich garantierten ursprünglichen Gleichheit zeigte die Gedankenlosigkeit des politiktheoretischen Neuanfangs. Diese Naivität trieb ein Menschenleben später Rousseau auf die Stufe des vollkommenen Wahnsinns, indem er von phantasmagorischen Default-Zuständen in der Politik ausging: alles gehörte irgendwie allen und alle waren irgendwie glücklich, doch der Egoismus führte dazu, dass der edle Wilde das Paradies verlassen und den Staat gründen musste. Auf kindliche Legitimationen von Gesellschaft und Staat folgten kindische Behauptungen über den vermeintlich natürlichen bzw. künstlichen Zustand der Menschheit.

Aus der Entdeckung der Natur wurde ihre Entzauberung. Dies führte zum Nihilismus, der auch den Menschen schließlich zur Maschine erklärte (La Mettrie). Auf der Weltbühne der politischen Öffentlichkeit führte Voltaire die Figur des Dissidenten ein: Protest als Pose anstatt eines Kampfes um Veränderungen und Reformen. Die Aufklärung war eine zweite negative Phase der Neuzeit, aber keine zweite Reformation. Perestroika war nicht en vogue, Zerstörung war cooler als Umbau. Der französische Kant-Darsteller Robespierre inszenierte mit der Französischen Revolution die erste große Show der Gesellschaft des Spektakels, der echte, kontemplative, nicht aktive Kant, war begeistert. Die politische Philosophie des Deutschen Idealismus war vom Fortschrittsparadigma der neuzeitlichen Naturwissenschaften infiziert und sah in der Zerstörung der alten Ordnung den Weg zum evolutionär vorherbestimmten Idealzustand.

Mit den politischen Schlagworten Freiheit, Gleichheit und Stabilität (oder war das Fraternität?) kündigten sich in der Aufklärung die drei politischen Ideologien der Moderne an: Liberalismus, Sozialismus, Faschismus. Das 19. Jahrhundert versöhnte sie in der bürgerlichen Gesellschaft unter dem Prinzip des Nationalismus: politisch Faschismus, wirtschaftlich Liberalismus, kulturell Sozialismus, Tendenzen, in der Biedermeierzeit zart angedeutet, zum Jahrhundertende bis zum Zerreißen des Behagens in der Kultur realisiert.

Sonntag, 20. September 2020

7. Die ungarische Fahrradkette



Wer waren nochmal diese Venger? Waren es nicht die, die die ehrfuchtgebietendeste Stadt der Welt, das weltentranszendierende Reburt, gegründet, und für Jahrhunderte Europa dominiert haben? Steinbrück. Unter Matthias Hunyadi Mitte-Ende des 15. Jahrhunderts waren sie, auch, eine europäische Großmacht. Und wo ist das große Vengria mit, Angst macht große Augen, seiner 20-Millionen-Armee? Steinbrück. Ungarn, nicht Vengria. Was war ich für ein phantasievolles Kind.

Immerhin kamen diese Nomaden, Magyaren oder Madjaren, im 9. Jahrhundert als Geißel sesshafter Völker nach Ostmitteleuropa. Zeitgenossen der schrecklichen Vikinger, waren sie Vikinger des Landes, nicht des Meeres. Die sächsischen Ottonen brachten sie schließlich unter ihre Knute, und die furchtbaren Neuankömmlinge settelten down und wurden fruchtbar. Polen schenkte Europa kein großes Polen, aber viele große Polen. Und so war es auch mit Ungarn, nur dass es halt Ungarn waren. Hier Chopin, dort Liszt. Der große Atmosphäriker des modernen Kinos, Darabont Ferenc, hat ungarische Vorfahren.

In Union mit dem zweiten Sportskanonenvolk der Gegenwart, den Kroaten, überstanden die Ungarn als subalternes Königreich Mittelalter und Renaissance. Bei Mohács 1526 kam das Ende ihrer Herrlichkeit. Seitdem ist nicht mehr viel los, außer dass die Finno-Ugrier (wie ihre finnischen Verwandten auch) die meisten olympischen Medaillen pro Einwohner gesammelt haben. Aber vielleicht ist in Budapest was los, dort sollen angeblich die Frauen durchaus schön sein.

 

Freitag, 18. September 2020

Psychopolitische Phasen der Neuzeit

 

 

Renaissance 1340-1525 Positive Gründungsphase der humanistischen Hochkultur

Reformation 1485-1648 Erste negative Phase: religiöser Fundamentalismus als lebensverneinende psychopolitische Bewegung

Barock 1580-1750 Cartesianische Rückbesinnung auf das Subjekt, individualistischer Liberalismus, Empirismus/Rationalismus

Aufklärung 1690-1850 Szientistischer Materialismus; lebensverneindene Weltdekonstruktion durch Naturwissenschaft

Bürgerliches Zeitalter 1815-1968 Hedonistische Moderne: Ernte der Frucht des wissenschaftlichen Fortschritts

Antihumanismus seit 1914 Dritte und letzte Negationsphase; totale Lebensverneinung im Willen zum Nichts



Phase I Kindlich, unmittelbare Affirmation/Negation

Phase II Logisch vermittelt, "wissenschaftlich"

Phase III Nihilistisch-postlogisch, fatalistisch

 

Drei Negationsphasen, drei dreißigjährige Kriege

 

 

 

Der Hundertjährige Krieg war ein Krieg der Renaissance. Die negationistische Gegenbewegung, die Reformation, mündete in einem viel schrecklicheren Krieg, der aufgrund der apokalyptisch wahrgenommenen Türkengefahr verschoben werden musste. Karl V hätte ihn sicherlich geführt, der katholische Fundamentalist Philipp II noch gerner, doch Süleyman der Magnifiziente hätte das sich totalbekriegende "Lateineuropa" (Bernd Roeck) mit Sicherheit erobert. Nach dem erschöpfenden Dreißigjährigen Krieg standen die Türken wieder von Wien. Das Resultat war dann doch nicht so dramatisch. More was lost at Mohács.

Jede Negationsbewegung sammelt einen Frustrationsstau, der sich entladen muss. Der totale Krieg enlädt die Spannung und erlöst den weltverneinenden Geist in das Du Darfst der Weltbejahung. Die Kabinettskriege des Barock waren im Vergleich zum nullten Weltkrieg Europas Ritterturniere. Die nihilistische Aufklärung endete mit den Napoleonischen Kriegen; Europa war im 18. Jahrhundert aber schon Herr der Welt, deshalb musste der Siebenjährige Krieg nicht warten. Der lange Frieden des 19. Jahrhunderts entsprang dem mediokritären Hedonismus des bürgerlichen Zeitalters. 

1914 passierte etwas Ungewöhnliches: der größte Krieg der bisdahinnigen Geschichte entlud die angestauten Negationskräfte nicht am Ende, sondern gleich zu Beginn der nächsten negativen Phase. Und 20 Jahre nach seinem Ende ein weiterer, noch größerer Krieg. Und keine 20 Jahre später fast ein Atomkrieg. Die dritte und letzte Negationsphase entlud wohl die Widersprüche nicht nur des bürgerlichen Zeitalters, sondern der ganzen europäischen Neuzeit.

Dienstag, 15. September 2020

Das negative Ich

 

 

  

Dass das Ich begrifflich betrachtet „einfache Negation“ ist, erschließt sich auf dem Höhepunkt der abendländischen Philosophie dem deutschen Idealisten Hegel. In der Frührenaissance beginnt das humanistische Ich seine Reise als lebensbejahendes aktives, aggressives, kreatives und nach Ruhm, Geld und Macht strebendes Subjekt. Doch wer das Leben bejaht, kann sich selbst im Leben verlieren. Und hier kommt Savonarola ins Spiel.

„Simplify your life“ ist nicht der Punkt: natürlich forderten schon der heilige Franziskus und viele große Mönche und Eremiten Jahrhunderte vor ihm, dass wir zur gottgefälligen Einfachheit zurückkehren. Das war bloß Ethik. Hier geht es um eine existentielle Frage. Egal, wie groß, reich und mächtig ich bin, ich bin sterblich. Da ich das Zentrum meiner Welt bin, ist mein Ende der Weltuntergang. Verabsolutiere ich mein Ich, wird für ebenmich mein Leben sinnlos. Das ist die Dialektik der Ich-Religion.

Um das Ich in die Transzendenz zu retten, muss ich das Leben negieren. Weltflucht, Lebensfeindlichkeit, Züchtigung des Fleisches: in der Hauptstadt der Renaissance predigte der erste negative Nihilist der Geschichte genau das. Um mein Ich vor der Sterblichkeit zu retten, muss ich das Sterbliche an ihm töten. Historisch ist Savonarola, nicht Jan Hus oder John Wyclif, der erste Reformator. Eng gesehen, geht es der Reformation um eine Reform der Kirche bzw. des christlichen Glaubens. Doch im Zeitalter des Humanismus ist der Staat die Kirche und der Glaube ist nicht christlich.

Auf die lebensbejahende Renaissance folgte die lebensverneinende Reformation, gefolgt vom lebensbejahenden Barock und der lebensverneinenden Aufklärung. Am Ende einer Verneinungsbewegung sind die mentalen Kräfte erschöpft, man nimmt wieder die Vergänglichkeit im Kauf, wenn man dafür ein paar schöne Tage genießen kann. Nur einen Sommer gönnt, ihr Gewaltigen! Die Romantik ist als wiederverzaubernde Gegenbewegung der entlarvenden Aufklärung der Beginn des bürgerlichen Zeitalters, das Unbehangen in welchem sich im europäischen Weltbürgerkrieg des 20. Jahrhunderts entlädt.

Die Vollendung fand der negative Nihilismus bei Emil Cioran. Der größte Philosoph des 20. Jahrhunderts zeigte die Unmöglichkeit weiterer Affirmation und ebenso die Sinnlosigkeit abermaliger Negation. In ironischer Bejahung begrüßte er den Beginn der Nazizeit von Transsylvanien aus, über die begeisterte Affirmation der Machtergreifung durch Heidegger konnte er nur schmunzeln. Der Faschismus war die letzte große Negationsbewegung. Was danach folgte, war posthumane Affirmation: der Wille zum Nichts.

Donnerstag, 20. August 2020

Die Inichischizität des Einen

 

 

 Wo Ich ist, da sind auch Nicht-Ich und Du; eine göttliche Persönlichkeit setzt eine außergöttliche Außenwelt und einen göttlichen Widersacher voraus. Deshalb kann der (eine, absolute) Gott keine Person sein.

 Der hohe Mystiker entdeckt keine göttliche absolute Persönlichkeit, sondern eine erhaben-nichtende wie lieblichial-zartifizielle Soheit, die zugleich eine unergründliche sichändernde Andernis ist; die Vereinigung mit der Ruhe des Unpersönlichseins im Auge des Sturms der radikalen Einzelnheit ist die mystische Erfahrung des Einen.

 Ist der Satz "Ich bin es wert, um meiner selbst willen geliebt zu werden" für dich, wenn du mit dir ehrlich bist, wahr, dann ist es unwahrscheinlich, dass du an den christlichen oder einen ähnlichen Gott glaubst. Ist dieser Satz eine erbauliche Lüge, die du gern glauben willst, bist du anfällig für diese Art von Religion. Weißt du, dass dieser Satz für dich unwahr ist, und glaubst verlogenerweise dennoch daran, bist du ein Narzisst. Der christliche Weg ist ein Weg von empfundener Minderwertigkeit und Ungeborgenheit in den Narzissmus.

Mittwoch, 19. August 2020

Die Uhrkarte der Welt

 

Das Schöne

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Das Angenehme......................................................................................Das Hässliche
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Das Ekelhafte
 


Das Schöne ist in der intellektuellen Anschauung (Blick auf die Karte) das Höchste. Das Gute ist oberhalb der 9Uhr-3Uhr-Linie (das absolute Gute ist das Höchste (auf 12Uhr), was diskursiv zu der Erkenntnis führt, dass das absolute Gute das Schöne ist). In der oberen Uhrhalbkugel Befindliches ist relativ gut. Das Wahre ist diese ewige Karte des Universums selbst.


Drehen wir an der Uhr:

0/12: Das Schöne/das absolute Gute
1: das schön Erhabene
2: das stark Erhabene
3: das Hässliche
4: das Alter
5: die Krankheit
6: das Ekelhafte
7: das Perverse
8: das ungesund Angenheme
9: das Angenehme
10: das Erotisch-Verführerische
11: das Liebreizende

Samstag, 15. August 2020

6. Polen: Being Greuther Fürth

 

 

Der eine ist Henry Kissinger, der andere ist Zbigniew Brzeziński. Der deutsch-amerikanische Großmeister des weltpolitischen Schachspiels war Fan von Greuther Fürth, sein polnischer Kollege war die Antwort auf die Frage, warum Robert Lewandowski beim FC Bayern spielt: Polen ist Greuther Fürth. Der ewige Zweitligist der Geschichte mit kurzen Aufstiegsphasen betritt als Zeitgenosse des guten sächsischen Deutschlands die Weltbühne. Im Hochmittelalter dann glänzt das Greuther Fürth der Weltgeschichte durch fünfte Plätze in der 2. Liga, bis eine Union mit frisch bekehrtem und doch im Herzen heidnisch gebliebenem Litauen für den Schritt aus der Bedeutungslosigkeit sorgt.

Das unwegsame Litauen wurde von der Großen Pest verschont, Polen profitierte als Junior Partner davon. Kulturell setzte es sich aber durch und verdaute die Balten. Der im 17. Jahrhundert erstarkte russische Bär jagte den polnischen Fuchs immer weiter nach Westen, und schließlich kam es zu den drei Teilungen Polens, einer immer noch nicht verwundenen Schande. Bayern, Dortmund und Bremen benutzten das kleine Fürth als wehrlosen Punktelieferanten im Kampf um die Meisterschaft.

Ein Jahrhundert unter russischer Herrschaft, zwangzig Jahre minderheitenunterdrückender Schurkenstaat, dann doch nicht mit Hitler gegen Russland, sondern das erste Opfer Hitlers im 4. Weltkrieg (die von den Westalliierten verratene und verkaufte Tschechoslowakei wurde geopfert, um angeblich ebenjenen Krieg zu verhindern, doch dies war keineswegs so alternativlos, wie es die Appeasement-Politik ihrerzeit darstellte). Und wieder im russischen Machtblock bis zum Happy End in der postmodern-wirtschaftsnihilistischen EU, so war das Schicksal Polens.

Als Zwischending zwischen tellurischer und lunarer Kultur bewahrte das polnische Volk seine Identität, seine Grenzen ohne Hilfe von außen zu wahren, war es nie imstande. Andere kämpften für Polen, Polen kämpfte für andere; der höchste Berg Australiens ist nach dem polnischen Nationalhelden benannt. Er ist viel niedriger als etwa die Zugspitze genannte subalterne Erhebung der Alpen.

 

 

Freitag, 14. August 2020

5. Der oströmische Katechon

 

 

 

Aurelian, Diokletian und Konstantin retteten das Römische Reich aus der Krise des 3. Jahrhunderts für Sol Invictus, nicht für Christus. Doch es war ein magisches Zeitalter und die Sonne wurde, wie Vasquez in Aliens (1986) fälschlich für einen Mann gehalten. Die deutsche Sprache (explizit: DIE Sonne) und die nordeurasische Religion (implizit: nicht die Sonne, sondern der Himmel ist die männliche Gottheit) hatten Recht, die antiken Post-Polytheisten irrten sich.

Auf dem Sterbebett konvertierte Konstantin zum Christentum. Theodosius machte dem Polytheismus ein Ende. Dazwischen hätte sich im wahren (orthodoxen) Christentum die wahre Glaubensformel (Arianismus) durchsetzen müssen, was aber nicht geschah. Diesen Geburtsfehler Ostroms nutzte das Arabische Kalifat, das mit der Gründung des Islam den Arianismus wiederbelebte und fortan die Mitte der Welt dominierte.

Die Justinianische Pest und die Kaltzeit der Völkerwanderung raubten dem zweiten römischen Reich die Kräfte. Als Ostrom wieder zu Kräften kam, hatten schon Franken (Karolinger) und Sachsen (Ottonen) Ansprüche auf den Titel des zweiten Rom gestellt. Die Makedonische Dynastie machte das Reich zur Jahrtausendwende zum mächtigsten in Europa, doch das Zentrum der christlichen Kultur konnte die Schwächen seiner geopolitischen Konkurrenten nicht nutzen und verlor die Vormachtstellung im Osten an die Türken (11. Jh.) wie vormals an die Araber (7. Jh.).

Der Katechon, der Aufhalter des Antichrist, bäumte sich unter der Komnenen-Dynastie noch einmal auf, doch das Gewonnene wurde abermals durch eigene Fehler zerronnen. Am Ende bleib die Geschichte des Hätteseinkönnens, die byzantinische Fahrradkette. Das unrühmliche Ende kam, selbstverschuldet wie immer, 1204 durch die katholischen Ketzer. Mit dem Fall Konstantinopels endete das christliche (nach Oswald Spengler magische) Zeitalter, auch der Islam der Türken und Mongolen war nun ein anderer.

Zombie-Christentum und Zombie-Islam existieren noch heute. Das Judentum hat als einzige abrahamitische Religion durch Selbstabgrenzung und Ausgrenzung seine monotheistischen Derivate zwar überlebt, aber es macht heute nicht mehr als eigentliche Religion, sondern nur als identitätsstiftende Idee des jüdischen Volkes einen Sinn. Das Christentum, das das „dritte Rom“ vom zweiten übernahm, ist historisch irrelevant, denn das Ende Ostroms war eben schon 1204 und nicht erst 1453 eingetreten. Sollte dennoch eine Fortsetzung folgen, so müsste sich ein Konstantin XII Noomachos zum Führer der rechtgläubigen Christen aufschwingen; Spengler würde mit seiner Spekulation über die Nachfolgekultur des Abendlandes recht behalten, wenn dieser Imperator der Christenheit aus dem Volke der Russen käme.

4. Deutschlands Preußenfluch

 

 

 

Das sächsische Deutschland unter den Ottonen hatte nur kurz Bestand, doch genoss es Ende des 10. Jahrhunderts den Respekt Ostroms auf dessen Höhepunkt unter dem kinderlosen MGTOW-Imperator (976-1025). Da gab es noch das größdänische Nordseereich und Kiewer Rus, die fünfte Großmacht Europas war das kulturell nur Byzanz ebenbürtige maurische Spanien, das sich im 10. Jahrhundert ebenfalls auf seinem Höhepunkt befand (vom Kalifen Abd ar-Rahman III bis zum General Almansor). Im 11. Jahrhundert ließ sich der deutsche Kaiser vom Papst erniedrigen, im 12. Jahrhundert war auch ein Friedrich Barbarossa gar nichts gegenüber dem angevinischen Reich Heinrichs des Großen (obwohl nicht so genannten) von England. Im 13. Jahrhundert, nach Bouvines (1214), tanzte Frankreich das HRR aus, das schon im Hochmittelalter weder heilig noch römisch noch ein Reich war.

Deutschland blieb bis in die Moderne zersplittert, was den deutschen Landen guttat. Weder die kulturelle Führung (mit Goethe und Kant) noch die technologische Entwicklung wurden von der Kleinstaaterei behindert. Aber im 13. Jahrhundert geschah in der Dunkelheit des heidnischen Baltikums noch etwas anderes: Kreuzritter gründeten den Deutschen Orden, aus dem das Undeutschland entstand, in dem wir heute noch leben: Preußen. Mit dem Verfall der abendländischen Hochkultur des Humanismus ging der stetige Aufstieg Preußens einher. Im nihilistischen Europa des Jahres 1871 ging der schwarze Stern eines Reiches auf, das noch gruseliger war als das HRR: die preußische Besatzung Deutschlands hatte begonnen.

Der Soldatenkönig in der Frühmoderne konnte keine weltbewegenden Erfolge feiern, sein heute noch gefeierter Sohn profitierte von einem Idioten auf den russischen Zarenthron und gewann den 1. Europäischen Weltkrieg trotz Niederlage. Im 2. Europäischen Weltkrieg wurde Preußen vernichtet und doch wieder aufgerichtet. Gewann England seine Kriege mit Dusel, so verlor Preußen seine Kriege und gewann trotzdem. Doch als der Titan zum Manne wurde, zitterte Europa: Österreich und Frankreich fielen kurz nacheinander wie Fallobst, 50 Jahre später hatte das Deutsche Reich die Entente am Rande einer Niederlage, wäre nicht der andere Titan, USA, dazwischengekommen. Doch jetzt war der preußische Ungeist in seinem Element: der 4. Europäische Weltkrieg wurde schon vorbereitet, als der dritte gerade zu Ende ging.

1933 reißt der goldene Faden deutscher Dominanz in Kultur und Wissenschaft jäh ab: der Tod, ein Meister aus Deutschland, wird zu dessen frenetisch angebetetem Gott. Die Rache der baltischen Heiden am christlichen Abendland war vollbracht: nicht das gemächliche Österreich, nicht das edle Sachsen, sondern das monströs-baltische Preußen bestimmte den Kurs des deutschen Volkes mit dem bayrischen Neandertaler als Führer. Immense Energien wurden der Zerstörung und Vernichtung gewidmet, und doch war es nicht Deutschland, das die Atombombe als erstes hatte. Die Welt hatte Glück. Die siegreichen Titanen vernichteten Preußen abermals, nach 1945 sollte es kein Preußen mehr geben, doch der alte Ungeist lebt nach wie vor und eine echte Entnazifizierung bleibt Desiderat. Heute zeigt sich Deutschlands Todeskult als Schuldkult mit der Holocaust-Religion (Giorgio Agamben), deutscher Vernichtungsgeist führt, als Selbsthass verkleidet (weil in der Postmoderne en vogue), Europa mit Ausnahme Großbritanniens in die kulturelle und politische Selbstzerstörung. Solange sich die Sachsen und Franken, die Thüringer und Schwaben, die Bayern und Ostfriesen nicht vom Fluch des Baltikums befreien, bleibt Deutschland ein Antiland, eine Antination, der Bösewicht der Geschichte.

Donnerstag, 13. August 2020

Selbstmorde Europas

 

 

 

Der Erste (dritte) Weltkrieg gilt als das größte Waswärewenn in der Geschichte der Geschichte: was, wenn dieser Selbstmord Europas nicht stattgefunden hätte? Hätten wir vielleicht eine EU als Welthegemon mit USA und Russland als deren Wachhunde der westlichen resp. östlichen Halbkugel? Wäre die Welt für immer und ewig eine europäische Wertegemeinschaft der Menschenrechte und Demokratie?

Ob links-aufklärerisch/liberal-progressiv oder eurozentrisch-rassistisch: beide Standpunkte ewigen Bedauerns des Stattgefundenseins von 1914-1918 sind träumerisch-romantischer Natur. Es gab nie eine europäische Wertegemeinschaft, es gab immer Krieg gegen sich selbst in Europa. Das Abendland kennt stolze drei dreißigjährige Kriege mit Millionen Toten: 1618-1648, 1789-1815, 1914-1945. Alle drei hinterließen Zerstörungen, von denen sich die westliche Hochkultur nie wirklich erholte.

Der erste dreißigjährige Krieg senkte den Vitalwert Europas und öffnete das Tor zur Frühmoderne: die materialitisch-nihilistische Aufklärung, der Moralverfall in den Phänomenen Empfindsamkeit und Rokoko, der philosophische Siegeszug des Utlitarismus (Hedonismus der Massen). Der zweite dreißigjährige Krieg senkte den Vitalwert noch einmal und Europa verabschiedete sich von seiner humanistisch-barocken Thymosgesellschaft: die Eros-, die Giergesellschaft des Proprietarismus entstand. Von da an regierte das Geld die Welt. Der dritte dreißigjährige Krieg senkte den Vitalwert unter das natürliche Niveau und es begann die ultradekadente Postmoderne.

Welcher dieser „Selbstmorde Europas“ sollte am besten nicht stattgefunden haben? War nicht jeder gleich verheerend, aber auch gleichermaßen in der Logik der europäischen Geschichte begründet?

Mittwoch, 12. August 2020

Seins- und Habensgesellschaft

 

 

 

Nach 200 Seiten Thomas Pikettys "Kapital und Ideologie" fällt eine Entdeckung auf, die er vielleicht gemacht hat, aber zu links ist zu enthüllen: den Übergang von der Seinsgesellschaft der Stände (Klerus, Adel, 3. Stand) zur Habensgesellschaft des von ihm selbst so genannten Proprietarismus.

Solange der Adel um Macht und Ehre, der Klerus um Sinn und Lehre bemüht sind, kennt der 3. Stand seinen Platz. Wenn aber die Kirche ihre Privilegien missbraucht, um sich zu bereichern, und wenn der Adel Geld und Besitztümer statt Ehre anhäuft, dann hat die Stunde der Eigentumsgesellschaft geschlagen: wenn es nur noch um Geld geht, haben sich die höheren Stände selbst auf die Ebene des 3. Standes erniedrigt, und nun ist es folgerichtig, dass dieser Gleichstellung fordert.

In der Kultur sind Klerus und Adel solar-ideational/idealistisch, in der Dekadenz lunar-idealistisch resp. lunar-sensualistisch und in der Ultradekadenz chthonisch-sensualistisch. Somit hat es die Französische Revolution dem Sein nach nicht gegeben, sie hatte nur eine zufällige historische Existenz, denn andere Länder kamen auch ohne dieses politische Theaterstück von der Stände- zur Eigentumsgesellschaft.

 

Samstag, 8. August 2020

Langeweile und Einsamkeit

 

 

 

Ein nichtiger, hohler Mensch ist immer gelangweilt. Er hat einfach keine Interessen. Und so sucht er stets Vergnügen und Nervenkitzel. In einer Wohlstandsgesellschaft suchen deshalb die meisten Frauen in Liebesbeziehungen ein Mittel gegen Langeweile: für die Grundbedürfnisse ist gesorgt, und nun gilt es, das einzige Interesse, das man hat, zu verfolgen: Vergnügen. 

 

Ein intelligenter und sensibler, ein interessanter Mensch hat keine Langeweile, aber je sensibler und intelligenter man ist, umso einsamer. Die vielfältigen Interessen können die Einsamkeit nicht überwinden, sie können sie allenfalls noch steigern. Doch gerade gegen die Einsamkeit wirkt die Liebe Wunder: die Liebe ist regelrecht die Belohnung der Götter dafür, ein wertvoller Mensch, eine echte Persönlichkeit zu sein. Wenn zwei einsame Seelen sich finden, entsteht wahres Glück. Seele und Seelenlosigkeit passen natürlich nicht zusammen, und eine solche Liebe ist zur Einseitigkeit verurteilt.

 

Dunkle Mächte sorgen dafür, dass Liebe nicht stattfindet. Es gibt dieses Böse, das mit allen Mitteln versucht, sicherzustellen, dass das Leben nicht gelebt, das Schöne nicht betrachtet, die Lebenszeit nur verschwendet, die Lebensenergie nur geraubt wird. Die Narzisstenplage ist die Antwort der bösen Mächte auf die gestiegenen Begegnungs- und Entfaltungsmöglichkeiten in einer reicheren und vernetzteren Welt. Gute Menschen werden durch narzisstischen Missbrauch traumatisiert und beziehungsunfähig gemacht. Interessante Menschen werden durch den eigenen geistigen Reichtum zur Verzweiflung gebracht, weil sie diesen nicht teilen können. Empathie wird ausgenutzt; echte Liebesfähigkeit ist zu einseitiger Liebe verurteilt, der wundervollen Erfahrung des Geliebtwerdens wird der Nervenkitzel der Selbstzerstörung vorgezogen.

Montag, 27. Juli 2020

Wissenschaft als Religion





Der Atheismus/Szentismus ist die Ich-Religion. Welchen Aspekt betonen die einzelnen Ideologien des Humanismus? Der Liberalismus setzt den Schwerpunkt in das Ich, die Selbstbestimmung des Individuums. Alle drei Humanismen würden den Satz „Die Würde des Menschen ist unantasbar“ unterschreiben, wobei darunter im Liberalismus die Würde des einzelnen Menschen, im Sozialismus die Würde des Menschen als Menschen und im Faschismus die Würde des durch Gruppenzugehörigkeit besonderen Menschen verstanden wird.

Die Würde des Menschen als Menschen bezieht sich nicht auf die Gattung als Tierheit, sondern auf die Gottlosigkeit, auf die Selbstbestimmung des Kulturmenschen. Der Sozialismus ist vor allem ein Atheismus. Die Menschheit ist substanziell, die einzelne Person akzidentell. Der Massenmord von politischen Häftlingen ist keine „Der Zweck heiligt die Mittel“-Rechnung, sondern schon an sich als Wohltat gegenüber anderen, politisch korrekten Staatsbürgern gedacht.

Der Faschismus ist vor allem Szientismus, aber was für einer? Einer, der die „jüdische Physik“ des Landes verweist, die „arische Rasse“ von besseren Hominiden abstammen lässt als den Rest der Menschheit, wissenschaftliche Beweise für rassistische Weltanschauungen konstruiert. Wissenschaft als Ideologie ist nicht frei, und wird zur Pseudowissenschaft. Aber auch das Ich im Liberalismus wird nicht zur frei entfalteten Persönlichkeit, sondern zur entpersonalisierten und idiotisierten Drohne. Die Menschheit, als deren Wohltäter sich der Sozialismus versteht, wird nicht gerettet oder verwohltätigt, sondern vergewaltigt und ins Elend gestürzt.

Donnerstag, 23. Juli 2020

3. Sachsen: Die Leere nach dem Sieg





Die Anfänge sind bescheiden: kleine Gruppen von Kriegern erreichen vor 1500 Jahren von Bremen und Bremerhaven aus die britische Küste, helfen den Einheimischen nach dem Rückzug der Römer in der Zurückschlagung unmittelbarer Nachbarbarbaren und übernehmen erst nach einigen Generationen die Herrschaft, nein, nicht in Britannien, sondern lediglich im heutigen England. Geschlagen und getreten von den Dänen, erobert von den Normannen, im Angevinischen Reich französisch dominiert: die Sachsen, die auf die Insel kamen, waren in den ersten Jahrhunderten ihrer Geschichte kein großen Volk, auch zahlenmäßig nicht. Selbst im 18. Jahrhundert beherrschte die britische Marine die Meere mit einer im globalen Vergleich verschwindend geringen Gesamtbevölkerung zu Hause.

Erst nach dem Hundertjährigen Krieg, dem Startkonflikt der Neuzeit, emanzipierte sich England vom kulturell erdrückenden Frankreich und suchte sich fast 250 Jahre selbst. 1688 beginnt der Sachsenstaat den Kampf um die Weltherrschaft. Die noch zur Frankenzeit daheimgebliebenen Sachsen werden im vereinten Germanien aufgehen, welches aber durch preußisch-baltische Dominanz eine ganz andere Entwicklungstrajektorie bekommt. Hegels germanisches Zeitalter als vorläufiges Ende der Geschichte lässt sich nach dem Namen der Sieger auf ein sächsisches Zeitalter vergenauigen. Der WASP, white anglo-saxon-protestant, der Herr der Weltmacht USA, ist, um Volker Pispers zu zitieren, die Orchidee unter den Menschen.

Nach dem Endsieg fehlt den heroischen, solaren Sachsen ein Ziel. Nicht ohne Grund ist die angelsächische Welt im Ultradekadenz-Zeitalter der Vorreiter des Nihilismus, des Transhumanismus und des Antinatalismus (der in anderen Kulturräumen nur religiös-implizit einen Platz hat, es jedoch nie zu einem philosophisch diskutierten Thema schafft). So ist es heute mit den (Angel-)Sachsen: They conquered the world, and now they go MGTOW.

Mittwoch, 22. Juli 2020

2. Frankreichs Kampf gegen die Irrelevanz





„Vae victis!“ triumphierte Brennus auf die feine französische Art. Wie vor dem Aufstieg, so auch vor dem Fall Roms rafften sich die Gallier noch einmal auf: „Gallic Empire“, Zeitpunkt: Krise des 3. Jahrhunderts. Doch weder Charlemagne noch St. Louis noch Louis XIV noch schließlich und schlussendlich Napoleon konnte Europa dauerhaft unter das dramatisch-weibliche Regime nach Gilbert Durand unterwerfen. Die Welt gehört letztlich den Sachsen; Angelsachsen ist eine poetisch-redudante Bezeichnung, es sind schlicht und einfach Sachsen.

Der dynamische Lunarismus der Franzosen nahm das solar-staatenbildende Element der germanischen Franken auf und vermengte es mit weiblichem Lunarismus der Kelten. So war es schon zur Römerzeit: ein kulturell fremdes Patriarchat im Kopf, das eigene gälische Matriachat im Herzen. Jetzt, wo seit 200 Jahren das abendländische Patriarchat zerfällt, übernimmt keineswegs das Weibliche, sondern vielmehr das Weibische die Herrschaft. Nicht die Frau als Tochter, Persephone, sondern Kybele, das Weib als matriachaler Tyrann, dominiert die technokratisch-titanische Welt des globalen Westens.

Persephone kämpft nicht, sie liebt. Sie lässt die Natur im Frühling aufblühen und ist eine Muse allen schönen Produktionen des abendländischen Geistes. Die speziell französische Persephone ist aber die Wasserfee Melusine, eine ostentativ lunare aber heimlich chthonische Gestalt. Deshalb konnte Frankreich kein Reich des Schönen auf Erden gründen.

Dienstag, 21. Juli 2020

1. Japan (Länder: das Wesentliche)





Japan war seit seiner Entstehung ein Hybrid des Mongolisch-Solaren mit dem Polynesisch-Chthonischen, das Lunare an sich kam in der japanischen Kultur nicht vor (oder nur als ideeller Mittelpunkt). Die kulturelle Eroberung durch China, eine Kultur, die das Lunare absolut setzt, hielt Japan jahrhundertelang im Spannungsverhältnis zwischen dem Solaren (der göttliche Kaiser) und dem Tellurischen (um Macht kämpfende Feudalclans), während die kulturelle Fassade die Harmonie nach chinesischer Art war. In diesem Zustand genügte das Archipel-Land sich selbst und unterhielt nur minimale Kontakte zu anderen Zivilisationen.

Als der Westen Japan gewaltsam öffnete, wurden zwei Kräfte schlagartig befreit: das Solare in Politik und Wissenschaft und das Chthonisch-Titanische in der Wirtschaft trugen zur schnellen Entwicklung des Landes zur imperialistischen Großmacht bei. Das entfesselte Solar-Heroische stürzte Japan in größenwahnsinnige Weltkriegsabenteuer, das Nihilistisch-Titanische machte aus dem Land eine Wirtschaftssupermacht. Der vertriebene chinesische Lunarismus wartet als Ruhepol der japanischen Blade-Runner-Zivilisation und kann in aller Bälde im Stil einer feudalistisch-matrixizistischen Gesellschaftsform zu den extrememüden Japanern wiederkehren.

Japan will nicht ewig wachsen bis es platzt, deshalb macht es keinen Sinn, Massenmigration als Lösung demographischer Probleme des Landes zu betrachten. Japan nimmt den demographischen Winter billigend, wenn nicht sogar erleichtert in Kauf, weil es nach den rastlosen Jahrzehnten der Extreme endlich wieder schlafen will.

Montag, 29. Juni 2020

Der Anerkennungsparasit




Der ultradekadente Nichtswürdige fordert Respekt ein für nichts während er für sich das Recht beansprucht, einem anderen verdienten Respekt nicht zu erweisen; der Anerkennungsparasit parasitiert auf dem Anstand anderer, lässt sich würdevoll behandeln, aber die Selbstverständlichkeit, dies auch zu erwidern, erscheint ihm wie ein faschistoider „diskriminierender“ Zwang.

Dienstag, 23. Juni 2020

Der Gamma als des Omegas Parasit





Gammas scharen gern Omegas um sich, um Alphas sein zu können, und sei es der Alpha einer Gruppe von Losern. „Besser in der Hölle herrschen als im Himmel dienen“ ist ein weltliteratürlich bekannter Wahlspruch des narzisstischen Gamma.

Nicht-toxische Gammas sind an Omegas genausowenig interessiert wie Frauen: Omega-Männer existieren für sie nicht. Sie halten sich an Alphas und Betas, denen sie sich durch Kompetenzen in engen Knowhowbereichen andienen und genießen ihre Überlegenheit gegenüber Deltas, denen sie kompetenzbereichbezogene Ratschläge erteilen.

Der toxische Gamma, der oft ein Narzisst ist, sammelt situative, in deren Ermangelung auch charakterliche Omegas um sich. Gegen erstere entwickelt er Ressentiments, wenn sie nicht den Weg der Selbstzerstörung einschlagen bzw. weitergehen. Gegenüber „echten“ Omegas hat der Pseudoalpha eine Hassliebe: sie akzeptieren ihn einerseits als ihren Alpha und schmeicheln damit seinem Gamma-Ego, sind aber andererseits zu wenig wert, sodass er sich von ihnen distanzieren muss. Sie sind nur seine Freunde, wenn keiner vom Delta aufwärts sie mit ihm zusammen sieht, ansonsten sind das Freaks, mit denen er nichts zu tun hat.

Der Omega-Rang existiert, weil schwache und toxische Männer, Weiber und Eunuchen männlichen Geschlechts, einen Rang in der Hierarchie brauchen, zu dem auch sie herabschauen können. In einer gesunden männlichen Gesellschaft wären bis auf wenige selbstverschuldete Ausnahmen alle Omegas als zumindest schwache Deltas integriert und keine Außenseiter.

Sonntag, 21. Juni 2020

Es war der Omega!





Im Film "Der Fall Richard Jewell" überschlagen sich Film und Wirklichkeit: Folgendes ist tatsächlich passiert. Ein unscheinbarer übergewichtiger Security-Typ mit geringem Selbstvertrauen, der bei seiner Mutter wohnt, Waffen besitzt, gern schießt und jagt, wird zum Helden, indem er bei einem Bombenanschlag die Bombe rechtzeitig entdeckt und Schlimmeres verhindert. Doch in dieses Profil passt der Omega Jewell so gar nicht, stattdessen in ein anderes: ein frustrierter Mann mittleren Alters, der selbst die Bombe legt, um als Held berühmt zu werden. Die Story ist so glaubhaft, dass die Öffentlichkeit sofort überzeugt ist, der vermeintlich vermeintliche Held sei der Täter.  

Als Zweifel an der Schuld des Omega-Mannes aufkommen, der sein Leben lang verzweifelt versucht, ein starker Delta zu werden (er will nichts Besonderes sein, sondern seinen Beitrag in der Gesellschaft leisten und dafür respektiert werden), ist sein Schicksal dem Staat und der Presse einfach zu wenig wert, um ihn in Ruhe zu lassen und weiter nach dem wahren Täter zu suchen: der FBI-Ermittler erntet den Ruhm, den Bombenleger gefasst zu haben, die Reporterin feiert einen Erfolg mit ihrer sensationellen Story, der Staat kann den Bürgern weiterhin vorgaukeln, sie vor terroristischer Bedrohung schützen zu können, indem der vermeintliche Täter schnell gefasst wird.

Anders als der Joker (2019) ist Richard Jewell eine reale Person, deren Leben durch die Medienhetze zerstört wurde und die mitunter an den Folgen der Mediankampagne schwer erkrankte und frühzeitig starb. Der Fall Richard Jewell ist aber nur deshalb bekannt geworden und verfilmt worden, weil die Unschuld dieses Helden letztlich doch erwiesen wurde. Wie viele Omegas werden aber von der Gesellschaft als Sündenböcke geschlachtet, nur weil die Story sich plausibel anhört, nur damit Staatsbeamte und Journalisten Karriere machen können, nur damit die Leute wieder ein Gefühl von Sicherheit haben!

Laut Vox Day muss man davon ausgehen, dass wenn einer Amok gelaufen ist, es mit großer Wahrscheinlichkeit ein Omega war. Ja, manchmal laufen Omegas Amok, aber es ist eher ein Wunder, dass so wenige Omegas Amok laufen angesichts dessen was die Gesellschaft ihnen antut. Als es um die Joker-Kontroverse ging, stellte der Youtuber Sargon of Akkad lapidar fest: „We live in a society“. Der fiktive Joker läuft Amok nicht im Vakuum. Es gibt Gründe dafür. Während sich der Joker-Film auf die Verwandlung eines gebrochenen Mannes in einen Schurken konzentriert, zeigt der andere große Omega-Film von 2019 den realen gesellschaftlichen Hintergrund, der jemanden wie Joker sowohl möglich als auch nötig macht.

Sonntag, 7. Juni 2020

Zwangskunde





Der Zwang dirimiert sich in äußere Zwangsläufigkeit (Drang wie z. B. der Harndrang), innere Zwangsläufigkeit (ein Held oder Heiliger zwingt durch seine Taten Menschen mit Anstand und Würde zu Achtung; das bessere Argument zwingt den Klugen, aber „der Geist kann die Dummheit nicht zwingen“ (Hegel)), äußeren freien Zwang (Gesetze, Normen, aber auch gesellschaftliche oder private Gewaltanwendung) und inneren freien Zwang (Selbstverpflichtung aus Freiheit z. B. nach dem kategorischen Imperativ).

Jedes Lebewesen unterliegt der äußere Zwangsläufigkeit, weshalb absolute Handlungsfreiheit (als vollständige Freiheit-von) unmöglich ist. Ein Mensch, genauer, ein Kulturmensch unterliegt der inneren Zwangsläufigkeit, weil er Vernunft, Anstand, Ehre und Würde hat. Der äußere freie Zwang ist die Willkürfreiheit anderer bzw. der Gesellschaft; dieser Zwang ist nur dann unausübbar, wenn man allen anderen Menschen die Freiheit nimmt und die Gesellschaft auflöst (es ist Anarchie und alle außer mir sind eingesperrt). Der innere freie Zwang ist im Gegensatz zur inneren Zwangsläufigkeit keine passive Wirkung des eigenen edlen Charakters, sondern eine aktive Willensanstrengung eines vernunftbegabten Wesens mit Willensfreiheit.

Donnerstag, 4. Juni 2020

Die Methode im Zentrum





„Wir behaupten keine metaphysischen Dogmen, wir wollen nur die Wahrheit zeigen“: so positionieren sich Anhänger von Religionen, die von der Existenz anderer Religionen wissen. Im Konkurrenzkampf der Religionen hat sich die Methode bewährt, den Gegenstand des Glaubens taktisch beiseite zu schieben und den Blick auf die Methode zu richten.

Die wissenschaftliche Methode behauptet keine ontologischen Wahrheiten, anstelle von Behauptungen sieht man das Experiment, die Messbarkeit, die Falsifizierbarkeit. Die Dogmen werden später durch die Hintertür eingeschleppt: wer die wissenschaftliche Methode annimmt, wird früher oder später Materialist, Atheist, Rationalist usw.

Das ist nicht neu: der Buddhismus lockt schon lange mit reiner Methode ohne Erwähnung des Glaubensgegenstandes. Besonders im Zen scheint es nur noch auf die Methode anzukommen: meditiere auf die und jene Art, und du wirst die Wahrheit sehen. Die Wahrheit ist aber, dass die Wahrheit wartet, bis der Konvertit in spe seine Abwehrhaltung abgelegt hat und bereit ist, die ontologischen Dogmen anzunehmen: „Ach, übrigens, du erzielst viel schnellere Erfolge bei der Meditation, wenn du wirklich daran glaubst, dass du ein Karma hast und im früheren Leben...“ 

Mittwoch, 3. Juni 2020

Die Religionen und die Wahrheit





Wie jede Religion behauptet der Atheismus/Szientismus, im Gegensatz zu den Religionen die Wahrheit zu sein (mit der üblichen Dichotomie Glaube vs. Wissen, Vernunft vs. Aberglaube). Auch das Christentum hielt sich ursprünglich für die Wahrheit im Gegensatz zu anderen Religionen, die bloß Religionen genannt wurden: es gibt unzählige Religionen, aber der Christ kennt die Wahrheit (die Auferstehung Jesu usw.). „Die Anderen glauben nur, aber wir wissen“, ist ein typischer Alleinerlösungsanspruch jeder Religion.

Die Wissenschaft an sich ist nicht schon Szientismus so wie das Gebet an sich nicht schon Christentum ist (in anderen Religionen wird auch gebetet). Die funktionale Betrachtung der Wissenschaft als Quelle der Technologie ist nicht szientistisch-religiös; die Empfehlung des Psychologen, zu beten, ist genauso nicht christlich. Aber der Glaube, das wissenschaftliche Weltbild sei wahr, ist ein religiöser Glaube.

Freitag, 29. Mai 2020

Irreligioten





Es gibt den ernstzunehmenden zeitgemäßen Atheismus, den unhinterfragten Glauben an das wissenschaftliche Weltbild. Und es gibt den Vollpfosten-Atheismus, der ostentativ darauf pocht, keine Religion zu sein und alle Religionen als Lug und Trug zu durchschauen. Dieser Atheismus tritt in der Pose des Widerstandskämpfers auf, obwohl der Atheist schon drei Menschenleben lang keinerlei Repressalien zu befürchten hat.

Dazu eine Anekdote: Damals in der Sowjetunion schnüffelte der Geheimdienst in Kirchen, um Akademiker beim Gottesdienst zu erwischen. Dann kam ein greiser Idiot mit zwei Klassen Schulbildung auf unseren Physikstudenten oder Doktor der Medizin zu und fing an zu belehren: Die Wissenschaft hat doch bewiesen, dass es Gott nicht gibt!

Der Szientismus hat es nicht nötig, Menschen, die an Gott glauben, lächerlich zu machen, da er als Weltanschauung, als Gesellschaftssystem und als Werte- und Normengeber herrscht. Wer sind dann diese lauthals schreienden Atheisten, die Gläubige verunglimpfen und eine Weltanschauung kritisieren, deren Zeit längst vorbei ist? Keiner glaubt heute im Ernst an Wunder, die Wiederauferstehung Jesu usw. In der Theologie ist man längst dazu übergegangen, all das metaphorisch zu nehmen.  

Wer verteidigt mit Eifer und Gehässigkeit eine Weltanschauung, die unwidersprochen herrscht? Loser. Sie wollen dazugehören, fühlen sich aber abgehängt. Sie haben es unbedingt nötig, demonstrativ „Ich bin ein Atheist!“ zu rufen, wie als jemand in der katholischen Messe rufen würde: „Ich bin Christ! Nichtchristen sind blöd!“ Der sich als verfolgte Minderheit darstellende Atheismus resultiert aus der Unfähigkeit, den Szientismus, die Religion des rationalen Denkens, auf ihrer geistigen Höhe anzunehmen. Diese Atheisten stehen auf derselben Stufe wie Anhänger magischer Religionen, sie glauben nicht an die wissenschaftliche Methode, sondern sie glauben an die Wissenschaft auf dieselbe magische Art wie ein Katholik an die Verwandlung von Brot und Wein in Fleisch und Blut Christi glaubt.

Donnerstag, 28. Mai 2020

Der Katechon





Der oströmische Kaiser war nach christlich-orthodoxer Vorstellung der Katechon, der Aufhalter des Antichrist. Solange Konstantinopel nicht fällt, kommt der Antichrist nach diesem magischen Glauben nicht in die Welt. Aber es gab noch den anderen Katechon, nämlich die als Ketzer verleumdeten Markioniten, Paulikianer, Bogomilen und Katharer. Diese wahren Christen folgten der tatsächlichen Lehre Jesu, nicht der Kirche. Konstantinopel fiel 1204 durch die Hand anderer Christen, Christen waren es auch, die die Katharer, die letzten jesustreuen Kezter, 1209-1229 vernichteten. Damit gab es niemanden mehr, der den Antichrist aufhalten konnte.


Mitte des 13. Jahrunderts war der Anfang vom Ende des mittelalterlichen Klimaoptimums, Anfang des 14. Jahrhunderts kam die Kälte und der Hunger, Mitte des 14. Jahrhunderts die Pest. Die große Flut von 1342 war katastrophal für Mitteleuropas Ackerbau. Das Papsttum verlor seine Autorität und die führenden Denker jener Zeit sprachen sich für das Primat der weltlichen Macht vor der geistlichen aus, darunter auch Petrarca, dessen Krönung zum poeta laureatus 1341 als der symbolische Beginn des Zeitalters der Ich-Religion bzw. der Anfang der Renaissance betrachtet werden kann. Das Aufkommen der Ich-Religion, des Atheismus/Szientismus war aber nach der Logik des Christentums nichts anderes als die Ankunft des Antichrist.

Die Reconquista und Don Quijote





Nach fast 900 Jahren der Reconquista bleibt Spanien in der magischen Welt des Christentums, während der Rest Westeuropas nach der Geburt der Ich-Religion, der Renaissance, davonzieht. Nach 1492 kämpft der spanische Don Quijote gegen die atheistische Weltordnung, doch schafft es trotz großer militärischer Macht nicht, die Avantgarde des Atheismus (England 1588, Niederlande 1648, Frankreich 1659) zu besiegen. Die spanische Weltflucht mithilfe der ausländischen Individualisten wie Columbus etabliert das katholische Lateinamerika als eine neue geoploitische Entität, doch über der ganzen Hispanosphäre hängt nichtdestotrotz der Schwermut der Nostalgie.

Nach dem Sieg von Las Navas de Tolosa 1212 wäre die spanisch und französisch geführte christliche Eroberung der islamischen Welt opportun gewesen, wenn sich die Kreuzzügler nicht 1204 mit der Eroberung des christlich-orthodoxen Konstantinopel und dem Albigenserkreuzzug ab 1209 verrannt hätten. So überrannte eine Generation später der Mongolensturm die östliche islamische Welt, während der westliche Teil zum geopolitischen Niemandsland verkam (darunter das in der Geschichte stets wichtige Ägypten und Jerusalem, das ursprüngliche Ziel der Kreuzzüge). Spanien kämpfte im 16. Jahrhundert für eine Welt, die nicht mehr existierte. Daher konnte Don Quijote nur in Spanien geschrieben werden.

Altruismus ist Gruppenegoismus





Wenn ich unwichtig bin, sind andere Menschen, andere Iche, ebenfalls unwichtig. Es macht keinen Sinn, sich um sich selbst nicht zu sorgen, stattdessen aber für andere. Dem transzendent Religiösen ist Dharma wichtig oder Gott oder die Götter oder der Sieg des Ahura Mazda gegen Ahriman. Der Mensch der Ich-Religion ist sich selbst das Wichtigste und damit werden auch andere Menschen wichtig, was zu Humanismus und Menschenrechten führt.

Aufgrund zwischenmenschlicher Interdependenz bedeutet die Aufwertung des eigenen Ich zwangsläufig eine Aufwertung der Mitmenschen. Wenn Ich mein Gott ist, und ich ein Mensch bin, dann interessiert mich auch der Mensch an sich, und zwar viel mehr als der Kampf des guten Prinzips gegen das böse oder die Erfüllung des Dharma.

Humanismus und Menschenrechte, Sozialismus und Nationalstaat, all das sind Resultate des menschlichen Gruppenegoismus. Wer für Menschenrechte und gegen die Todesstrafe, für Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung kämpft, handelt nicht selbstlos, sondern kämpft in erster Linie für sich selbst. „Todesstrafe für Kinderschänder!? Und was, wenn mit mir selbst mal die Pferde durchgehen?“ - so denkt heimlich der zivilisierte Altruist.

Mittwoch, 27. Mai 2020

Wer ist Nietzsches toter Gott?





Nietzsche ahnte Freuds Psychoanalyse voraus, er hielt Dostojewskij für, wie man im Nachhinein sagen kann, einen Wegbereiter Freuds. Die Aufdeckung des Ressentiments, der Sklavenmoral, richtet sich gegen eine bestimmte Religion, aber gegen welche? Seit Kopernikus und Galilei, spätestens seit den Biologen des 19. Jahrhunderts ist das magische Weltbild des Christentums nicht bloß widerlegt. Klugen Geistern gilt es schon in der Renaissance als lächerlich.

Nietzsches toter Gott heißt Ich. Und „wir“ (seine Zeitgenossen) sind seine Mörder: das bedeutet, dass die Psychologie dabei ist, das Selbstbild des Ichs zu widerlegen. Alle Motive, die ich mir zuschreibe, gelten nicht. Ich betrüge mich ständig selbst. Mein Unter- und Unbewusstes spielt die Musik, ich tanze nur. Das große Ich, das liberale freiheitliche selbstbestimmte Individuum ist tot. Und wir haben die Ich-Religion, den Atheismus/Szientismus so weit getrieben, dass wir am Ende deren Gott, das Ich, zerstörten.

Dienstag, 26. Mai 2020

Warum ist der Atheismus/Szientismus die Ich-Religion?




Die Antwort gibt der große Theologe des Szientismus, Descartes: Ich kann mich über alles täuschen, aber nicht darüber, dass ich mich täuschen kann. Sich zu täuschen, ist ein Akt des Denkens. Eins weiß ich also mit Sicherheit: Ich denke. Also bin ich.

Was ist das für eine Art des Denkens? Es handelt sich um analytisches, wissenschaftliches Denken. Es gibt keine Universalien/Allgemeinbegriffe, von denen deduziert werden kann. Das Denken muss durch sich selbst zur Wahrheit finden und durch induktive Erkenntnismethoden foranschreiten. Dieses Paradigma ist der Szientismus.

Da nur das Sein des denkenden Ich sicher ist, ist das Ich absolut: das Ich ist Gott. Einen Gott außerhalb seiner Selbst zu verneinen ist Atheismus. Da das Paradigma des wissenschaftlichen Denkens ein Fortschreiten der Erkenntnis ist, überträgt sich der Fortschrittsgedanke auf die gesamte Weltanschauung. Daher kommt die Evolutionstheorie in der Lebenswissenschaft und der technologische Fortschritt als angewandtes Fortschrittsdenken.


Montag, 25. Mai 2020

Die Ich-Religion





Im Hochnihilismus, dem Atheismus der Renaissance, später interpretiert als Humanismus, hieß die Glaubensformel: Ich bin einzigartig. Doch mit diesem Ich war nicht jeder gemeint, sondern das große Künstlergenie, der absolute Monarch, der vortreffliche Mensch.

Im konservativen Nihilismus, dem Atheismus der Neuzeit, waren wenige einzigartig und der Rest waren Massenmenschen. Der soziale Aufstieg in liberal-kapitalistischen Gesellschaften war der Weg zur Klasse der Einzigartigen. Schließlich begerhrte ein ganzer Stand auf (das Bürgertum), um am Einzigartigkeitswahn partizipieren zu können.

Im sozialistischen Nihilismus, dem Atheismus der Moderne, heißt es: Jeder ist einzigartig. Dadurch entwertet sich der Narzissmus des empirischen Ich und der Atheismus verliert seinen Ethos. Einzigartig zu werden ist nicht mehr erstrebenswert, da jeder automatisch als einzigartig gilt.

Ich bin einzigartig, das ist der Glaubenssatz der Ich-Religion, des Atheismus. Gottverneinung bedeutet Selbstbejahung bis zur Selbstvergottung. Doch wenn Selbstvergottung durch Selbstverwirklichung durch die Nivellierung der Einzigartigkeit ad absurdum geführt wird, entsteht ein nihilistischer Pantheismus (bzw. Pan-Atheismus), in dem das einzigartige Subjekt (Ich) durch das einzigartige Objekt abgelöst wird (Lamborghini, Iphone usw).

Sonntag, 24. Mai 2020

Atheistische Mystik




Das Zentrum der atheistischen Religion ist das Ich: Ich denke, also bin ich. Das Mysterium des Atheismus ist das Rätsel des Bewusstseins. Descartes ist der erste Mystiker des Atheismus, Leibniz der klassische Mystiker. Fichte ist der radikale Mystiker des absoluten Ich, der atheistische Reformator. Mit Kant und Weininger schafft das Ich die Selbsttranszendenz: das transzendentale Ich löst sich vom empirischen und der fatalistische Nihilismus, die Ethik des Atheismus, wird durch den heroischen Nihilismus herausgefordert.

Der Transhumanismus und die KI entwerten den Narzissmus des empirischen Ich und lassen nur noch den heroischen Nihilismus des transzendentalen Ich in der Ethik gelten. Die Digitalisierung des Bewusstseins wird die Trennlinie zwischen dem transzendentalen und dem transzendenten (nicht körpergebundenen) Ich verdeutlichen.


Mittwoch, 20. Mai 2020

Die Keinheit des Übels





Der Kulturmensch bekämpft ein Übel. Der Dekadente versucht, sich mit dem Übel zu arrangieren. Der Ultradekadente leugnet das Übel.

Gehen wir von einer Kultur aus, deren geistig-moralische Grundlage auf dem Geist-Körper-Gegensatz aufbaut: der Geist gilt als göttlich, der Körper als verflucht, schmutzig, unter der Herrschaft der bösen Neigungen und Triebe stehend usw.

Der Kulturmensch wird versuchen, im Zölibat zu leben und die Nahrungsaufnahme funktional zu betrachten. Der Dekadente wird gesundes Essen essen und ab und zu ungesundes genießen und seine Sexualität in weniger gefährliche Bahnen lenken, jedoch nicht bekämpfen (Ehe und andere Formen normierter Sexualität). Der Ultradekadente wird alle Regeln und Normen ablehnen, die das freie Ausleben der Sexualität untersagen und das Essen wird in seinem Leben eine zentrale Rolle spielen (es wird den ganzen Tag gegessen, die Supermärkte sind voll mit abertausenden Sorten von Leckerlis, Übergewicht und Krankheiten aufgrund exzessiver und falscher Ernährung betreffen einen Großteil der Bevölkerung).

Dienstag, 19. Mai 2020

Mensch ist Natur plus Technik





Der Tiger kann nicht aus eigenem Entschluss Vegetarier werden. Er kann auch nicht sagen, ob die Natur perfekt ist. Ein Naturwesen, ein Tier, ist Teil der Natur, nichts von ihm steht außerhalb der Natur. Die Natur reflektiert nicht über sich selbst. Ein Naturwesen, ein bloßes Tier, kann weder gegen die Natur kämpfen noch die Natur schützen: alles, was es tut, ist Natur.

Der Mensch kann die Naturgesetze erkennen, die Natur ästhetisch und teleologisch bewerten, gegen die Natur kämpfen oder die Natur schützen. Der Technik liegt das Bewusstsein der systematischen Erkennbarkeit der Gesetzmäßigkeit der Natur zugrunde. Der Mensch ist kein bloßes Tier, sondern er erhebt sich über die Natur, indem er über sie reflektiert, selbst wenn er zum Schluss kommt, dass die Natur perfekt ist und die Menschheit auf Technik grundsätzlich verzichten soll.

Je weiter sich die Menschheit technologisch entwickelt, umso mehr überwiegt die Technik im Hybridwesen Mensch. Letztlich kann sich der Mensch womöglich von der Natur emazipieren und zum nicht-tierischen Wesen werden. Doch auch transhumanem und transbiologischem Leben liegen Naturgesetze zugrunde, die nicht gebrochen werden können. Durch Technik kann der Mensch die Natur somit nicht zerstören, er kann lediglich ein mündiger Mitprogrammierer der Weltmatrix werden (ohne die Gesetze der Matrix zu ändern). Da dies die Natur nicht bedroht, richtet sich Technikfeindlichkeit nur zum Schein gegen die Naturzerstörung, und hat in Wirklichkeit (vielleicht unreflektierte) religiöse Gründe, insofern mit Religion, wie allgemein üblich, jedoch unausgesprochen, eine Selbstverpflichtung zur Unmündigkeit in den wichtigsten Fragen des Lebens gemeint ist.

Montag, 18. Mai 2020

Christliche und atheistische Pornokratie





Die umstandslose, fast automatische Gleichsetzung von Frauenfeindlichkeit und Sexualfeindlichkeit spricht Bände, doch einer dieser Bände könnte auch Weiningers „Geschlecht und Charakter“ sein. Wer gegen Sex ist, ist gegen das Weib, behauptet hier jedoch gerade derjenige, der das Weib vor christlichem Frauenhass retten will.

Karlheinz Deschner beklagt die christliche Negation der Willensfreiheit, gesteht dem freien Willen aber keine große Kraft zu: der menschliche Wille kann einfach nicht stark genug sein, um im Zölibat zu leben; der Mensch ist, wie aus Deschners Zölibat-Kritik hervorgeht, ein Sklave seines Sexualtriebs.

Die Ursache der Zölibat-Einführung in der Kirchengeschichte mag pekuniärer Natur gewesen sein (ehelose Priester leiten mehr Geld an Bischöfe und Päpste als verheiratete), aber die Idee des Zölibats selbst ist edel: wer sich völlig der Religion widmet, entsagt der Sexualität. Und wer zu schwach ist, enthaltsam zu leben, sollte eben kein Geistlicher werden. Nicht der Zölibat war in der Kirchengeschichte die Ursache der Hurerei und des Kindesmissbrauchs, sondern die hohe Machtposition der sexgeilen Pfaffen.

Im entscheidenden Punkt reicht der Atheist dem kirchlichen Pornokraten die Hand: im Leben geht es nicht um Gott, sondern um Sex. So wie die Schweinepriester der katholischen Kirche nicht ohne Konkubinen und Huren zu leben vermochten, so wie viele Nonnenklöster nichts als Bordelle waren,  stellt auch der kritische Atheist die Sexualität über jede Kritik und macht alles, was deren freies Ausleben einschränkt, für allerlei Übel verantwortlich. 

Freitag, 15. Mai 2020

Das Recht auf einen glimpflichen Ausgang





Eine zu harte Quarantäne runiniert die Wirtschaft, ein zu lockerer Umgang mit dem Coronavirus führt zu mehr Infizierten und Toten. Unerbittlich stehen sich zwei Parteiungen gegenüber: die Lockdowneure und die Wirtschafteure. Beide klagen einander an, viele menschliche Lebene fahrlässig zu gefährden. Doch so oder so: entweder man minimiert die Ansteckungsrate und nimmt in Kauf, dass Existenzen zerstört werden, oder man priorisiert die Wirtschaft gegenüber der öffentlichen Gesundheit und lässt mehr Menschen erkranken und sterben. Treibt man diese Lebensrettungsmaßnahmen wiederum zu extrem, gibt es letztlich Hungertote, was das Lebensrettungsargument ad absurdum führt.

Die verbitterte Haltung auf beiden Seiten lässt auf ein ultradekadentes Mentalitätsphänomen schließen: beide haben die Anspruchshaltung, die Corona-Pandemie möge glimpflich ausgehen. Der Ultradekadente kennt keine wirklich harten Zeiten und hat gelernt, bei jeder Krise und jedem Schicksalsschlag ein Recht auf einen glimpflichen Ausgang einzufordern.

Der bloß Dekadente hofft auf einen glimpflichen Ausgang, hält aber auch einen härteren Ausgang für denknotwendig. Er wählt nach langer hedonistisch zentrierter Überlegung aus, ob er den Kuchen essen oder behalten will, ob er lieber gesundheitliche oder existenzielle Risiken in Kauf nimmt. Der Ultradekadente will den Kuchen essen und behalten; schlimme Zeiten dürfen nur angedeutet werden, aber niemals harte Realität, und wenn im Staatsfernsehen nicht schnell eine Entwarnung kommt mit der frohen Botschaft, alles sei nun wieder gut, versinkt er in Depressionen und Verschwörungstheorien; sein Umgang mit der weiter bestehenden Gefahr ist entweder ein hysterisches Leugnen oder eine neurotische Hypervigilanz.

Montag, 11. Mai 2020

Terminator 2 und die soziosexuelle Hierarchie





Der gute Alpha, der ideale Mann, ist nackt und hat nichts zu verbergen. Der böse Sigma, das ultimative Angstobjekt, tötet den ersten Zeugen seines Erscheinens und nimmt dessen Identität an. In der Folge wird er die Identitäten unzähliger Deltas, vielleicht auch Gammas und Omegas, annehmen. Nie wird er echte Beziehungen eingehen: einsam und ohne Furcht und Zögern strebt er einem Ziel entgegen. Er ist ziel, also sach- , nicht beziehungsorientiert. Der Alpha geht nackt in eine Bar, kein Punktabzug bei Selbstvertrauen, 10 von 10, 100 von 100, 1000 von 1000 Punkten. Er nimmt sich was er will und fährt auf einem Bike davon. Er hätte sich unauffälliger Kleidung und ein Fahrzeug beschaffen können, doch ein Alpha kann nicht anders als so.

Der echte Mann ist von seinen Gefühlen getrennt, ein perfektes „human doing“. Seine Aufgabe ist es, „human beings“, eine Frau und ein Kind, zu beschützen. Dem Kind gehorcht er ohne Widerrede, bei der Frau stellt er sich nicht wie ein hündischer Gamma an, sondern lässt sich erst vom Kind befehlen, auch sie zu beschützen. Stoisch erträgt er dann ihre zynischen Seitenhiebe, die seine Brutalität und Gefühllosigkeit betreffen, genau die Eigenschaften, die ihn zum perfekten Beschützer gegen den stärksten möglichen Feind machen, den absolut entschlossenen Sigma-Einzelgänger. Die Frau kritisiert, verachtet, entwertet den Mann für ebenjene seiner Eigenschaften, von denen sie und ihr Kind profitieren, und an denen der Mann selbst nur leidet. Doch er wäre kein Mann, wenn er Dankbarkeit oder auch nur Verständnis verlangte. 

Ein richtiger Mann lebt für Frau und Kind und wächst in der Extremsituation über sich hinaus, opfert sein Leben, um deren Leben zu retten. Nachdem der negative Sigma vernichtet ist, zelebriert der positive Alpha, der ideale Mann, „male disposability“: jetzt wird er nicht mehr gebraucht und geht in den Tod. Ein echter Mann versteht Gefühle, auch wenn er selbst keine hat: „Jetzt weiß ich, warum ihr weint“.